EuGH-Urteil Schufa: Betroffenenrechte massiv gestärkt

Mehr Rechte für Verbraucher. Quelle: imago images

Auskunfteien wie die Schufa müssen bei der Datensammelei strikte Regeln einhalten. Noch wichtiger: Gerichte können einschreiten, wenn Datenschützer untätig bleiben.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

In einem wegweisenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am heutigen Donnerstag die Rechte von Bürgern gegenüber Auskunfteien wie der Schufa gestärkt und Verbrauchern gleichzeitig neue Beschwerdewege eröffnet. Wenn Datenschutzbehörden wegsehen, wie es bisher in Deutschland gerne der Fall war, können sich Betroffene vor Gericht dagegen wehren. Vor allem diese Entscheidung dürfte weitreichende Folgen haben. „Das wird Datenschutzbehörden in ganz Europa Beine machen“, sagt Raphael Rohrmoser von der Kanzlei AdvoAdvice, der zwei der Verfahren geführt hat.

Der EuGH musste sich mit Auskunfteien wie der Schufa und deren Bonitäts-Scores beschäftigen, weil die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGV) 2018 die in Deutschland geltenden Regeln für Auskunfteien des Bundesdatenschutzgesetzes abgelöst hat. Vor 2018 wurde beispielsweise die Übernahme von Daten aus öffentlichen Registern leicht gemacht. Der Gesetzgeber wollte das Sammeln von Informationen über die Kreditwürdigkeit bewusst möglich machen. Die Privatwirtschaft sollte sich unkompliziert über das Ausfallrisiko eines Verbrauchers informieren können.

Nun hat der EuGH entschieden, dass Unternehmen nicht automatisiert Daten sammeln können, ohne die Zustimmung der Betroffenen einzuholen, wenn daraus ein Bonitäts-Score entsteht. Damit ist allerdings das Geschäftsmodell der Schufa nicht am Ende. Wenn der Score nur eines von mehreren Kriterien ist, das in die Kreditvergabe einfließt, dann dürfen weiter Daten automatisiert gesammelt werden. Die Schufa kann sich also von ihren Kunden versichern lassen, dass nicht alleine der Score entscheidet – was die Schufa im Vorfeld des Urteils auch schon getan hat. „Die Mehrheit unserer Kunden wird Schufa-Scores weiterhin ohne Anpassung ihrer Prozesse nutzen können“, teilte das Unternehmen kurz nach Urteilsverkündung mit.

Vorweggenommen hatte die Schufa einen wichtigen Punkt der Luxemburger Entscheidung: Daten aus dem Insolvenzregister löscht sie nun nach sechs Monaten. Die Schufa durchsucht automatisiert die deutschen Insolvenzregister und hatte die Daten zuvor bis zu 36 Monate gespeichert, obwohl die Daten aus den offiziellen Registern nach sechs Monaten verschwinden. Im März hatte der Generalanwalt des EuGH bereits unterstrichen, dass die längere Speicherung nicht mit der DSGVO vereinbar war. „Mit der EuGH-Entscheidung ist klar, dass Daten, die aus guten Gründen aus öffentlichen Registern gelöscht werden müssen, nicht einfach in privaten Datenbanken endlos weiterleben dürfen“, sagt Marco Blocher von der Datenschutz NGO noyb des österreichischen Juristen Max Schrems. Die Löschung der Daten soll Betroffenen einen Neustart nach der Insolvenz ermöglichen. Anwalt Rohrmoser hofft, dass die Entscheidung des EuGH nun endlich für Klarheit sorgt. „Das Thema der Insolvenz sollte damit endgültig geklärt sein.“

Das Schufa-Urteil wird weitreichende Folgen für Datenschützer haben. Vor allem in Deutschland haben sich die Datenschützer nur ungern mit den Praktiken der Auskunfteien beschäftigt und sich auf den Standpunkt gestellt, dass ihre eignen Entscheidungen endgültig seien. Dem hat der EuGH widersprochen. Gerichte können die Entscheidungen von Datenschützern überprüfen. Dies ist weit über die Branche der Auskunfteien wichtig. Datenschützer haben sich bisher auch nur widerwillig mit den Praktiken der Internetgiganten beschäftigt. Hier können Bürger über die Gerichte künftig mehr Druck ausüben.

Ein schlechter Bonitäts-Score hat deutliche Auswirkungen auf den Alltag eines Betroffenen. So kann der Score dazu führen, dass Kredite oder Handyverträge verwehrt werden. Die Schufa hat sich in den vergangenen Jahren um mehr Transparenz bemüht und gibt Bürgern mittlerweile die Möglichkeit, den eigenen Score online zu simulieren.

Beitrag im Voraus zahlen Mit dieser Strategie sparen Gutverdiener mit der Krankenversicherung Steuern

Vor allem bei hohem Einkommen kann es sehr lohnend sein, Krankenversicherungsbeiträge für bis zu drei Jahre im Voraus zu zahlen. Es winkt ein Steuervorteil von teils mehreren tausend Euro.

Rolf-Dieter Neuendorf Zwei Mittelständler gingen insolvent, nachdem sie sich auf diesen Investor einließen

Investor, Baulöwe, Waffendealer: Rolf-Dieter Neuendorf gibt den Alleskönner. Wer genauer hinschaut, entdeckt viele Luftnummern – und ruinierte Unternehmen.

Goldhandel Bekommt das Finanzamt vom Goldverkauf etwas mit?

Können Privatanleger ihr Gold auch steuerfrei verkaufen, wenn es keinen Nachweis zum Kauf gibt? Würde das Finanzamt überhaupt etwas mitbekommen? Das rät ein Experte.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Der europäische Gesetzgeber hält Bonitäts-Scores grundsätzlich für sinnvoll in einer Zeit wachsender Online-Bestellungen. Ratenkäufe im Internet haben dazu geführt, dass immer mehr junge Menschen Schulden anhäufen. Das Phänomen ist unter dem Begriff Klarna-Schulden bekannt, benannt nach dem schwedischen Finanzdienstleister, den viele Online-Händler nützen. Die EU-Kommission findet das Instrument des Scores wichtig, auch um Menschen vor Überschuldung zu schützen.

Lesen Sie auch: So beantragen Sie die Schufa-Selbstauskunft online und kostenlos

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%