ProSiebenSat.1 Warum der Machtkampf in Unterföhring bereits entschieden ist

In Unterföhring bei München kommt es am Dienstag zum Showdown Quelle: REUTERS

Zerschlagung oder nicht? Der italienische Großaktionär MFE lädt auf der ProSieben-Hauptversammlung am Dienstag zur Kampfabstimmung. Durchgesetzt aber hat sich der Berlusconi-Konzern schon jetzt.

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Im Herbst übernahm ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets neben der Geschäftsführung der Mutter auch die Leitung der Unterhaltungstochter Seven.One Entertainment Group. Um die „strategische Neuausrichtung“ auf das Streaminggeschäft sowie die „Fokussierung aufs Kerngeschäft Entertainment“ bei ProSieben voranzutreiben. Spätestens seitdem mache er bei der Umsetzung seiner Strategie „wirklich Dampf“, sagte Habets jüngst.

Dem italienischen Großaktionär Media for Europe (MFE) aber ist das des Dampfes nicht genug: Der Holding der Familie des verstorbenen ehemaligen italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi ist Habets' Vorgehen zu zögerlich. Sie will Fakten geschaffen haben – und alles jenseits des Kerngeschäfts, also etwa das Geschäft mit Dating- und E-Commerce-Plattformen, schnellstmöglich abgespalten wissen. Dafür hat das Unternehmen, das seit Mai 2019 bei ProSiebenSat.1 an Bord ist und inzwischen fast 30 Prozent der Aktien hält, zusätzliche Punkte auf die Tagesordnung der Hauptversammlung am Dienstag setzen lassen.

Zerschlagung oder „Weiter so“, zumindest vorübergehend? Auf der Hauptversammlung am Dienstag wird das in einer Kampfabstimmung entschieden werden. Es ist ein öffentlich ausgetragener Machtkampf mit harten Bandagen, bei dem es letztlich aber vor allem um eine andere Frage geht: Wer sitzt in Unterföhring am längeren Hebel? Der Großaktionär aus Italien oder die Unternehmensführung? Und diese entscheidende Frage, so scheint es, könnte bereits jetzt eine Antwort gefunden haben.

Mangelnde Dringlichkeit?

Prinzipiell sind sich alle Beteiligten einig, dass sich ProSiebenSat.1 künftig auf sein Unterhaltungsgeschäft konzentrieren soll. Nur der Weg dahin ist strittig: Es herrsche „Uneinigkeit über die Dringlichkeit der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen“, heißt es dazu von MFE.

Um diese Dringlichkeit zu erzeugen, habe man nun eben zur „Ultima Ratio“ greifen müssen und eine Abspaltung zur Abstimmung auf die Hauptversammlung bringen, heißt es aus MFE-Kreisen. Alle Themen, die jetzt in Form von Anträgen auf der Hauptversammlung zur Abstimmung kämen, habe man über die letzten Jahre wieder und wieder mit der ProSiebenSat.1-Führung diskutiert. Aber: Das Management von ProSiebenSat.1 habe „bisher trotz gegenteiliger Behauptungen keinen Mittelfristplan vorgelegt“, um seine Strategie umzusetzen. Ebenso wenig sei „die Veräußerung der nicht zum Kerngeschäft gehörenden Aktivitäten erfolgreich vorangetrieben“ worden.

Tatsächlich sehen die Vorschläge des Großaktionärs keine sofortige Abspaltung vor, sondern „lediglich einen Prozess der Prüfung und Vorbereitung“ einer solchen. Die Umsetzung einer Abspaltung erfordere „einen weiteren Hauptversammlungsbeschluss, sobald der Vorstand seine Prüfung und Vorbereitung abgeschlossen hat“, heißt es in dem Antrag. Allzu viel würde auch bei einem Abstimmungserfolg seitens MFE also erst einmal nicht passieren.

Die Konzernspitze von ProSiebenSat.1 sieht darin aber wohl dennoch: eine Kampfansage. Man brauche „diesen Druck nicht, um den Wert des Unternehmens für unsere Anteilseigner zu steigern“, kontert Habets. Der ProSieben-Chef argumentiert im „Handelsblatt“ auch mit einer Zusatzbelastung für das Management, das eine solche Abspaltung vorbereiten müsste. Und weiter: „ProSiebenSat.1 wäre nach einer Abspaltung ein leichtes Übernahmeziel“, so Habets.

Ob genau das die Kalkulation von MFE gewesen sein könnte? Brancheninsider vermuten, dass MFE das Unternehmen übernehmen möchte, sobald die Senderkette sich nur noch auf Unterhaltung konzentriert. Inzwischen halten die Italiener fast 30 Prozent. Überschreiten sie diese Schwelle, müssen sie ein Übernahmeangebot machen. Daran sei man aber derzeit nicht interessiert, sagte MFE-Finanzchef Marco Giordani jüngst.

Wenn es darum ginge, ProSieben billig zu übernehmen, dann hätte MFE das längst tun können, heißt es bekräftigend aus MFE-Kreisen. Der Gesamtkonzern sei nicht in der Verfassung, dass man von einem attraktiven Übernahmeziel sprechen könne. Das gelte nicht nur für die Randbereiche, mit denen MFE nichts anfangen könne, sondern auch für das angeschlagene Kerngeschäft.

Zweiter Großaktionär schweigt noch

Ob der Abspaltungsantrag am Dienstag durchkommt, hängt wesentlich vom zweiten Großaktionär bei ProSiebenSat.1 ab: der tschechischen PPF Group, die derzeit rund zwölf Prozent der Aktien hält. Die hält sich mit öffentlichen Äußerungen zu der Gemengelage bislang bedeckt. Allerdings hat der Finanzinvestor, hinter dem die tschechische Milliardärin Renáta Kellnerová steht, einen eigenen Kandidaten für den Aufsichtsrat aufgestellt, der in seiner Kandidatur zumindest eine Sympathie für die Abspaltungsvorschläge seitens MFE durchklingen lässt.

Aus PPF-nahen Kreisen heißt es zudem, dass auch der zweitgrößte Aktionär von ProSiebenSat.1 keinerlei Interesse an den Randgeschäften des Unternehmens habe. Zudem sei die Abstimmung eben keine Entscheidung für eine sofortige Abspaltung, sondern nur die Prüfung einer solchen. Veräußerungen blieben auch weiterhin möglich.

Victor Schneider, der auf der morgigen Hauptversammlung die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) vertritt, wird gegen den Vorstoß von MFE stimmen. „Es soll ein Börsengang bzw. eine Trennung von den Nebensparten des Unternehmens, sozusagen mit Ablaufdatum, erzwungen werden“, begründet er das. „Dies könnte dazu führen, dass das Unternehmen Assets abgibt und mit Schulden zurückbleibt oder auch Kaufpreise für Assets nicht erreicht werden können.“

Daniela Bergdolt, Vertreterin der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), wird den Antrag ebenfalls ablehnen. Und fügt hinzu: „Solche Dinge bespricht man bitte im Hinterzimmer, nicht in aller Öffentlichkeit. Besonders nicht, wenn es darum geht, Teile des Unternehmens zu verkaufen.“ Das könne dem Verkaufspreis nur schaden – und damit auch den Aktionären. MFE habe hier jegliche Contenance außer Acht gelassen.

In Italien darf man sich dennoch schon jetzt als Sieger wähnen: Mitte April, unmittelbar nach der Ankündigung von MFE, eine Abstimmung über die Abspaltung anzustreben, hatte Bert Habets angekündigt, die jenseits des Kerngeschäfts zu verortenden Töchter Flaconi und Verivox veräußern zu wollen. Offiziell nicht wegen MFE. Der Großaktionär zeigte sich dennoch „erfreut festzustellen, dass unsere Bemühungen, das Management von P7S1 zu ermutigen, sich wieder auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren, endlich Früchte tragen“.

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Vor der Hauptversammlung nun heißt es aus MFE-Kreisen: „Man sieht: Unser Vorstoß führt zu einer positiven Kursentwicklung und zu einer öffentlichen Reaktion des ProSieben-Vorstands. Der sagt: Wir schieben das jetzt an. Nachdem jahrelang vorher einfach nichts passiert ist.“ Ob der Abspaltungsantrag am Ende durchgeht, spielt da fast schon keine Rolle mehr.

Lesen Sie auch: Pro Sieben Sat 1 schiebt Verkauf von Töchtern Verivox und Flaconi an

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