Neues Gesetz zur sicheren Gasversorgung Wie wird der berüchtigte Speicher Rehden jetzt gefüllt?

Der Gasspeicher Rehden im Landkreis Diepholz liegt 2000 Meter unter der Erde und fasst 3,9 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Quelle: imago images

De facto war Deutschlands größter Gasspeicher zuletzt leer. Das war eine Machtdemonstration Moskaus, denn der Speicher gehörte Gazprom. Ab Mai soll ein Gesetz für volle Speicher sorgen – aber es gibt Zweifel, ob das funktioniert.

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Es ist ein etwas eigenartiges Kriterium für eine Beziehung. Aber spätestens seit dem vergangenen Herbst waren die Füllstände der deutschen Gasspeicher Maßstab der deutsch-russischen Beziehungen. Als Anfang Februar so wenig Gasreserven wie nie in den Poren- und Kavernenspeichern lagerte, war das auch kein Warnsignal, sondern eine Machdemonstration Moskaus: Ohne uns, ohne russisches Gas, lautete die Botschaft, geht bei euch nichts. Nicht einmal Reserven könnt ihr so anlegen.

Vor allem der größte deutsche Speicher, der Porenspeicher in Rehden in Niedersachsen, wurde zum Symbol für den unbedingten Willen Wladimir Putins, Deutschland seine Abhängigkeit vor Augen zu führen. Seit wenigen Jahren gehört der Speicher vollständig der Gazprom-Tochter Astora – und zuletzt fiel der Füllstand bis auf 0,5 Prozent. Tatsächlich war der Speicher also: leer.

Versorgungssicherheit? So nicht.

Berlin, allen voran Robert Habeck (Grüne), hat reagiert. Zum einen entzog der Wirtschafts- und Klimaminister den Speicher Ende März dem Zugriff Moskaus, indem er die Gazprom Germania und ihre Töchter der Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur in Bonn und ihrem neuen Chef Klaus Müller unterstellte. Über Tochterfirmen besaß Gazprom Germania, je nachdem, wie der österreichische Speicher Haidach gezählt wird, zwischen 20 und 25 der Speicherkapazitäten in Deutschland. Zum zweiten aber - und das ist für das Befüllen entscheidender – brachte Habeck das Gasspeichergesetz durch Bundestag und Bundesrat. Es soll dafür sorgen, dass die Speicher zu bestimmten, kritischen Zeitpunkten ausreichend gefüllt sind. Das Gesetz tritt am 1. Mai in Kraft.

Das Gesetz sieht vor, dass die Speicher Anfang Oktober zu 80 Prozent gefüllt sein müssen, Anfang Dezember zu 90 Prozent – und Anfang Februar zu 40 Prozent. Um das zu erreichen, sieht das Gesetz einen dreistufigen Mechanismus vor. Grundsätzlich sind es dabei die Speicherbetreiber, die dafür zuständig sind, dass die Füllstände erreicht werden: „Die in Deutschland tätigen Betreiber von Gasspeicheranlagen (Speicherbetreiber) haben die Einhaltung der Füllstandsvorgaben zu gewährleisten und zu überwachen“, heißt es in dem Gesetz.

In der ersten Stufe werden die Speicherkunden verpflichtet, die von ihnen gekauften Speicherkapazitäten entsprechend der gesetzlichen Vorgaben mit Erdgas zu füllen. Werden Kapazitäten nicht gebucht und sind entsprechend nicht gefüllt, kann der so genannte Marktgebietsverantwortliche für den Gasmarkt in Deutschland, das ist die in Ratingen und in Berlin ansässige Trading Hub Europe (THE), diese Kapazitäten übernehmen und versteigern oder, in der dritten Stufe, sogar selbst mit Gas befüllen.

Der Staat muss es richten und bezahlen

Dass Maßnahmen an sich sinnvoll sein können, um die Speicher zu befüllen, ist in der Speicherbranche unumstritten. Allerdings gibt es Kritik an der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes und Zweifel, ob es die selbst gesteckten Ziele erreichen kann. „In der Branche sind Sorgen vorhanden, dass das Gesetz erst mal zu sehr starken Verwerfungen auf der Marktseite führen wird“, sagt Sebastian Bleschke, Geschäftsführer der Initiative Energien Speichern (Ines), des Interessenverbands der Speicherbetreiber, in der aktuellen Folge des „WirtschaftsWoche“-Podcasts „High Voltage“. „Wir befürchten, dass wir aufgrund des Gesetzes noch viel weniger aus dem Markt heraus speichern werden als bisher.“ Zwar werde der Staat dann einspringen können – aber zu hohen Kosten.

Hören Sie hier den ganzen Podcast mit Sebastian Bleschke

Nur, was heißt das konkret? Bleschke bemängelt, dass mit dem Gesetz Anreize für Speicherkunden geschaffen würden, weniger Kapazitäten in Speichern zu buchen. Denn wenn ein Kunde eine bestimmte Kapazität buche, würde er sich damit auch dazu verpflichten, die vorgeschriebene Mindestmenge zu befüllen. Das führe aber eher dazu, dass Kunden vorsichtshalber von Buchungen absehen würden. „Wir sehen am Markt schon jetzt, dass beispielsweise die Vermarktung von Teilkapazitäten in einzelnen Speichern erfolglos geblieben sind. Das heißt, dass die potenziellen Kunden sich der Füllstandsverpflichtung nicht aussetzen möchten. Sie sehen einfach von der Buchung ab und entziehen sich damit der Mindestfüllstandsvorgabe“, sagt Bleschke.

Ein Speicher, der nur zur Hälfe gebucht sei, werde so über den Markt den Füllstand von 80 Prozent nicht erreichen können. Das widerspreche, so Bleschke, aber der Idee des Gesetzes: „Der Grundgedanke ist, dass die Mindestfüllstandsvorgaben erst einmal dazu führen, dass die Speicherkapazitäten zu mindestens 90 Prozent von den Buchern, das heißt von den Speicherkunden, gefüllt werden.“

Ein neues Instrument

Befüllen Kunden ihre gebuchten Kapazitäten nicht, ermöglicht das Gesetz dem Speicherbetreiber, diesem Kunden die nicht genutzten Kapazitäten zu entziehen. Das erfordere, kritisiert Bleschke, in jedem einzelnen Fall Vertragsänderungen. „Wir sollen uns das Recht vorbehalten, Speicherkapazitäten entziehen zu dürfen, um diese dem Marktgebietsverantwortlichen, der Trading Europe Gmbh, zur Verfügung stellen.“ Dieser hat dann die Möglichkeit, Gas-Optionen auszuschreiben. „Man versteigert die Befüllung des Speichers und stellt gleichzeitig die Speicherkapazität bereit, die man als THE vorher zur Verfügung gestellt bekommen hat“, sagt Bleschke. Gerade für den Spezialfall Rehden, wo ein Kunde Kapazität gebucht habe, aber diese nicht befülle, um das Befüllen damit ein Stück weit zu blockieren, könne der Entzug der Kapazitäten greifen.

Aber, so Bleschke, aus Sicht der Betreiber hätte es eine Variante gegeben, die die aufwändige Umgestaltung der Verträge überflüssig gemacht hätte. Die Betreiber hatten angeboten, „dass Trading Hub Europe tatsächlich alle deutschen Speicher auf unterbrechbarer Basis nutzen darf.“ Sobald ein Kunde eine Speicherkapazität gebucht habe, diese aber nicht befülle, dürfte Trading Hub Europe diesen Speicher befüllen. „Der große Vorteil hätte darin bestanden, dass vor allem die Bestandsverträge mit den Nutzern nicht angegriffen werden müssten“, sagt Bleschke.

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Mit Blick auf den nächsten Winter, sagt Bleschke, komme es nun zunächst darauf an, dass über den Sommer ausreichend Gas geliefert würde, um die Speicher zu befüllen. Die konkreten Füllstände würden dann vermutlich erreicht, wenn auch zu einem höheren Preis als notwendig: „Durch die Transformation weg vom Markt hin zu Trading Hub Europe wird es im Zweifel sehr, sehr teuer sein.“

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