Mit einem ungewöhnlichen Kaffee mit Schweinefleischaroma versucht Starbucks auf dem hart umkämpften chinesischen Markt auf sich aufmerksam zu machen. Die Kaffeehauskette aus Seattle hat das Getränk zusammen mit anderen Sondereditionen zum chinesischen Neujahrsfest für einen begrenzten Zeitraum exklusiv in der Volksrepublik herausgebracht. Dort kann es derzeit in ausgewählten Filialen bestellt werden.
„Fleisch essen bedeutet Wohlstand im kommenden Jahr“, bewirbt Starbucks das Getränk im sozialen Netzwerk Weibo. Der Slogan spielt auf lokale Traditionen in China an, nach denen Schweinefleisch mit positiven Assoziationen verbunden ist. Es steht für Glück, Reichtum, Fruchtbarkeit und Produktivität.
Tatsächlich teilen in diesen Tagen viele Starbucks-Besucher Fotos, auf denen sie mit dem Getränk zu sehen sind. Im Grunde sieht es aus wie ein Milchkaffee, nur mit einem Schuss roter Soße und einer Scheibe Schweinefleisch am Spieß auf dem Becherrand.
Im Ausland scheint der Rummel um das Schweinefleischgetränk allerdings fast noch größer zu sein als in China selbst. Die US-Sender CNN und Fox berichteten in den vergangenen Tagen bereits über den „Pork Latte“ des amerikanischen Vorzeigeunternehmens.
In China hingegen ist die Halbwertszeit solcher PR-Aktionen extrem kurz. Die Kaffeetrinker dort sind es gewohnt, dass sich Unternehmen im hart umkämpften Markt etwas einfallen lassen, um auf sich aufmerksam zu machen.
Jahrelang konnte Starbucks in China ungestört expandieren. Doch längst mischen viele neu gegründete chinesische Kaffeehausketten mit und machen dem Weltmarktführer das Leben schwer.
Allen voran das chinesische Unternehmen Luckin Coffee. In einem bemerkenswerten Schulterschluss lancierte Luckin im vergangenen Sommer in Kooperation mit dem chinesischen Spirituosenhersteller Motai ein Getränk, das landesweit für Aufsehen sorgte: Die Kreation bestand aus Luckin's Signature-Kaffee und einem Schuss Motai-Schnaps.
Der Schnaps-Kaffee-Trend ist in China vorbei
Pünktlich zur Mittagspause bildeten sich vor vielen Luckin-Filialen in Peking lange Schlangen von Büroangestellten, die das Getränk als Muntermacher für den Nachmittag bestellten. Schnell zogen andere Ketten mit eigenen Kaffee-Schnaps-Mixgetränken nach. Doch auch dieser Trend ist vorbei. Die Unternehmen müssen sich immer wieder neue Kreationen einfallen lassen.
Luckin wurde 2017 als hippe und günstige Alternative zu traditionellen Kaffeehäusern wie Starbucks gegründet und etablierte sich schnell mit unschlagbaren Rabatten. 2019 feierte das Unternehmen mit einem 600 Millionen Dollar schweren Börsengang an der New Yorker Nasdaq ein zunächst grandioses Debüt.
Doch in weniger als einem Jahr musste die chinesische Kaffeekette ihre Indexnotierung zurückziehen, nachdem sie zugegeben hatte, dass ihre Gewinne übertrieben waren. An der Wall Street mag das ein Skandal gewesen sein, den chinesischen Kaffeetrinkern war es egal. Luckin expandierte munter weiter. Inzwischen hat Luckin Starbucks in China nicht nur bei der Zahl der Filialen überholt, sondern im vergangenen Jahr vorübergehend auch beim Umsatz.
Starbucks schaut bei Luckin Coffee ab
Nicht zum ersten Mal hat sich Starbucks mit dem Konzept eines Kaffees mit Schweinefleischgeschmack von der chinesischen Konkurrenz inspirieren lassen: Luckin verfolgt ein anderes Geschäftsmodell, das weniger auf großzügige Cafés mit vielen Sitzgelegenheiten als auf einen effizienten Abhol- und Lieferservice setzt. Viele Luckin-Filialen sind daher vor allem als Umschlagplätze konzipiert, von denen aus Kurierfahrer auf Elektrorollern die Bestellungen direkt zu den Kunden bringen.
Als Starbucks das Potenzial dieses Lieferservicekonzepts erkannte, passte es sein Angebot entsprechend an und integrierte bald auch einen Lieferservice in seine chinesische App. Darüber hinaus erweiterte Starbucks sein Filialnetz um eigene Express-Stores, die kompakter und vor allem auf schnelle Abholung und Lieferung ausgerichtet sind.
Von der Notwendigkeit, schnell auf Markttrends zu reagieren und ständig neue Produkte zu entwickeln, können auch deutsche Automobilhersteller oder Maschinenbauer in China ein Lied singen. Längst sprechen sie davon, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft für sie zum „Fitnessstudio“ geworden ist. Sie messen sich an der Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft chinesischer Unternehmen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
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