Europas größter Modehändler Zalando sucht den Weg aus der Krise – und kassiert neue Gebühren

Zalando-Logistikzentrum Quelle: dpa Picture-Alliance

Läden schließen, Mitarbeiter müssen gehen, Sanierer übernehmen: Der Modehandel in den Innenstädten ist in die Krise geraten. Boomt also das Geschäft im Internet? Die Entwicklung von Zalando zeigt: eher nicht.

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Es sind ungemütliche Zeiten für den Modehandel: Erst erschwerte Corona das Einkaufen und durchtrennte die Pandemie Lieferketten. Nun drücken die gestiegene Inflation und hohe Lebenshaltungskosten die Kauflaune. Die Krise fordert prominente Opfer: Die baden-württembergische Modekette Orsay ist pleite, der Schuhhändler Ludwig Görtz beantragte ein Schutzschirmverfahren, Galeria Karstadt Kaufhof durchläuft ein solches schon zum zweiten Mal – und vergangenen Freitag beantragte auch die Düsseldorfer Modekette Peek & Cloppenburg Schutzschirm-Insolvenz.

„Der Modehandel steckt in der Krise“, konstatierte der neue P&C-Geschäftsführer Thomas Freude gegenüber der WirtschaftsWoche. Das gelte „für die gesamte Branche, sogar für das Onlinegeschäft, mit dem kaum ein Bekleidungshändler Geld verdient“. Also auch für Zalando, Europas führenden Online-Modehändler?

Eine Antwort darauf gaben die Zalando-Chefs Robert Gentz und David Schneider am Dienstag: bei der Präsentation der Details für das abgelaufene Geschäftsjahr 2022 und ihrer Prognose für das laufende. Der Konzernumsatz schrumpfte 2022 um 0,1 Prozent auf 10,3 Milliarden Euro. Auch der bereinigte operative Gewinn brach deutlich auf 184,6 Millionen Euro ein, auch wenn letzterer 2023 wieder steigen solle. Auch das laufende Jahr wird für Zalando schwierig werden: In der Prognose für 2023 rechnet der Konzern im schlechtesten Fall mit einem Umsatzrückgang von einem Prozent, im besten Fall noch mit einem Wachstum von vier Prozent.




Existenzbedrohende Probleme wie eine Insolvenz gibt es bei Zalando damit zwar nicht, dennoch war die Lage beim Berliner Dax-Konzern schon mal besser: Umsatzrückgang, Ergebnisrückgang, sinkende Warenkorbgrößen, Stellenabbau und dann noch ein Imageschaden durch eine aufmerksamkeitsstarke Recherche über womöglich geschönte Aussagen zur Nachhaltigkeit bei den Retouren. Zudem ist es die letzte Bilanz-PK von Vorstandsmitglied Jim Freeman: Der US-Amerikaner, zuständig fürs Produkt, wird Zalando Ende März 2023 verlassen, sein Vertrag wurde nicht verlängert.

Zum ersten Mal schrumpfte der Umsatz

Zalando ist immer noch der Marktführer des Kontinents. Erst vor fünfzehn Jahren gegründet, durchbrach das Unternehmen im Laufe des dritten Quartals 2022 die Schwelle von 50 Millionen Kunden. In mittlerweile 25 Märkten ist Zalando aktiv. Doch Größe ist nicht alles. Und der enorme Erfolg in der Coronapandemie ließ sich nicht konservieren oder gar ausbauen. Die allenthalben nachlassende Kauflust traf schließlich auch Zalando: Für das erste Quartal 2022 hat Zalando erstmals einen Umsatzrückgang und gar einen Verlust gemeldet. In einer Prognose vom Juni 2022 schraubte das Unternehmen die Erwartungen für das nun abgelaufene Geschäftsjahr deutlich herunter.

Der leichte Umsatzrückgang 2022 wiegt umso schwerer, wenn man das vorangegangene Jahr als Vergleich hinzuzieht: Im Corona-Jahr 2021 legte der Modehändler noch um fast 30 Prozent zu. Abwärts ging es auch an der Börse: Auf dem zwischenzeitlichen Höhepunkt im Sommer 2021 notierte die Zalando-Aktie kurzzeitig bei mehr als 100 Euro. Heute liegt der Kurs bei weniger als 40 Euro.

Der Onlinehändler Zalando kämpft mit schwacher Nachfrage und internen Problemen. Neue Angebote für neue Kunden sollen für Wachstum sorgen – eine riskante Strategie.
von Stephan Knieps

Vor allem das Geldverdienen gestaltet sich für Zalando zunehmend schwierig. Die Lager sind tendenziell zu voll, also muss das Unternehmen die Schuhe, Hosen, Jacken und Pullover mit Rabatten verkaufen. Das schmälert die Marge. Anfang November informierte Zalando, das Unternehmen erwarte „zum jetzigen Zeitpunkt ein Ergebnis am unteren Ende der prognostizierten Spanne“. Der Händler hatte zuvor ein operatives Ergebnis zwischen 180 Millionen und 260 Millionen Euro vorausgesagt. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 erwirtschaftete Zalando mit dem laufenden Geschäft noch ein Ergebnis in Höhe von fast 425 Millionen Euro, bei geringfügig niedrigerem Umsatz.

Zalando streicht hunderte Stellen und kauft Highsnobiety

Das hat Folgen. Am 21. Februar informierten die beiden Co-Chefs Gentz und Schneider ihre rund 17.000 Mitarbeiter in einem Brief, mehrere hundert Stellen zu streichen. „An diesem Programm werden viele Bereiche von Zalando beteiligt sein, auch auf der Ebene der Führungskräfte“, hieß es in dem Schreiben. Wie viele Arbeitsplätze genau betroffen sind, ist nach wie vor unklar, wie der Händler auf Nachfrage mitteilt. Die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern dauerten noch an.

Die Profitabilität wird begreiflicherweise immer wichtiger. Ende 2022 führte der Modehändler folgerichtig einen Mindestbestellwert ein. In Deutschland müssen Kundinnen und Kunden seitdem für mindestens 29,90 Euro einkaufen – andernfalls wird eine Liefergebühr in Höhe von 4,90 Euro fällig. Zudem gab Zalando im Bericht zum dritten Quartal 2022 an, Marketingkosten im vergangenen Jahr um bis dahin „fast 100 Millionen Euro gesenkt“ zu haben. Den Absatz versucht der Konzern auf andere Weise zu stimulieren: Im Sommer 2022 übernahm Zalando die Mehrheit an High Snobiety. Das Berliner Unternehmen, 2005 gegründet, ist eine Mischung aus Fashion- und Trend-Blog, Printmagazin, Modemarke sowie Onlinehändler für ausgesuchte, möglichst hippe Kleidungsstücke und Accessoires.

Highsnobiety soll den Coolness-Faktor in der Zalando-Welt erhöhen, eine jüngere Zielgruppe ansprechen und das reine Einkaufen um sogenannte Stories erweitern. Offiziell lautete das Ziel, „noch bessere Einkaufserlebnisse sowie eine aufregendere und ansprechendere Online-Umgebung für Kund*innen und Markenpartner zu schaffen“. Tatsächlich finden sich etwa in der Zalando-App unter der Rubrik „Storys“ nun Outfit-Tipps, Interviews mit Tiktok-Influencern oder Motivationsvideos von Sportlern – versehen mit dem Link „Shoppe diesen Look“. Wie viel Zalando die Mehrheitsübernahme dieser selbsternannten Snobs gekostet hat, wurde nicht bekannt. Eingedenk der laut „New York Times“ geschätzten 56 Millionen Euro Highsnobiety-Umsätze sowie mehr als 40 Millionen erreichter Konsumenten pro Monat dürfte es ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag gewesen sein. So eine Investition muss sich erst einmal amortisieren. Immerhin scheint die Akquisition eine Wirkung zu entfalten: Auf der Bilanz-PK sagte Robert Gentz, man registriere eine dreimal höhere Klickrate bei jenen Produkt-Veröffentlichungen, die durch Highsnobiety kuratiert werden, im Vergleich zu jenen, die ohne Highsnobiety-Präsentation auskommen.

Der Düsseldorfer Modehändler Peek & Cloppenburg will sich in einer Schutzschirm-Insolvenz neu aufstellen. P&C-Manager Thomas Freude erklärt, wo jetzt gespart wird und warum ein Kurswechsel im Onlinegeschäft nötig ist.
von Henryk Hielscher

Neue Gebühren für die Plattformpartner

Bei der Suche nach weiteren Erlösquellen nehmen die Zalando-Vorstandsmitglieder nun vermehrt das Marktplatzgeschäft ins Visier: Zum 1. Juli werden Gentz und Schneider neue Gebühren einführen. Konkret geht es um eine Grundgebühr für das Zalando-Partnerprogramm sowie ein „neues Provisionsmodell“ für „Connected Retail“. Bereits 2015 initiierte Zalando sein Partner-Programm für Hersteller und auch andere Modehändler, und baute mit der Zeit zahlreiche Services drumherum, etwa in der Logistik und Datenanalyse. Derzeit nutzen mehr als 1.600 Händler und Modemarken Zalandos Partnerprogramm. Darunter sind große Hersteller wie Nike, Adidas, Puma und Hugo Boss, die die Plattform etwa als Ergänzung zum eigenen Onlineshop nutzen und so eine tendenziell etwas jüngere Kundschaft erreichen; aber auch kleinere Marken, die keinen eigenen Onlineshop betreiben. Wie hoch diese neue Grundgebühr nun ausfallen wird, verrät Zalando auf Anfrage nicht.

Die Funktion „Connected Retail“ führte Zalando 2018 ein. Sie soll stationären Modehändlern mittels einer Software-Implementierung helfen, auf Zalando Waren zu verkaufen. Besondere Bedeutung erlangte das Geschäft während der Corona-Lockdowns ab März 2020. Damals trommelte Zalando verstärkt für diesen Service, um stationäre Modehändler zu unterstützen, die wegen der Coronabeschränkungen vorübergehend zwangsgeschlossen waren. Mittlerweile sind mehr als 7.500 Läden über Connected Retail aktiv.

Seit den Corona-Lockdown-Monaten verzichtet Zalando auf eine Provision. Damit ist es bald vorbei. Über die Höhe der Kosten erteilt Zalando keine Auskunft. Das Unternehmen teilt dazu mit, man wolle „weiterhin in die Dienstleistungen und Technologien investieren, die das Geschäft unserer Partner*innen verbessern“. Es dürfte spannend werden, zu beobachten, wie die Partner auf die neuen Provisionsforderungen reagieren werden. Die Freude darüber dürfte sich in engen Grenzen halten.

Fragwürdige Versprechen zur Retouren-Praxis

Wenig Begeisterung lösten zuletzt auch Zalandos Nachhaltigkeitsbemühungen aus. Der Dax-Konzern verspricht etwa, 97 Prozent der retournierten Kleidungsstücke „nach (...) sorgfältiger Aufarbeitung wieder über den Zalando Shop zu verkaufen“ und zudem weniger als 0,05 Prozent der Retouren „in Ausnahmefällen“ zu vernichten. Ein Team des SWR, der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Rechercheplattform „Flip“ hatte jedoch vergangene Woche mittels einer Stichprobe aufgedeckt, dass Zalando Retouren mitunter auf tausende Kilometer langen Wegen kreuz und quer in Lastwagen durch Europa schickt, und teilweise auch an Großhändler weiterverkauft. Zalando musste daraufhin etwa einräumen, dass das 97-Prozent-Versprechen nicht für alle Artikel auf der Plattform gelte. Auch das Verschweigen des Weiterverkaufs an Großhändler sorgte für Kritik.

In einem längeren Statement verweist Zalando nun etwa darauf, dass der Konzern beim Umgang mit Retouren „die Obhutspflicht gemäß des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) vollumfänglich“ erfülle. Neu aufbereitete Retouren würden „zunächst in großer Stückzahl gebündelt“ und anschließend in eines der Logistikzentren gebracht. In welches Lager ein retournierter Artikel komme, entscheide Zalando danach, für welche Region der Zalando-Algorithmus die höchste Wahrscheinlichkeit für einen Wiederverkauf errechnet. Das sei „nachhaltiger, als einzelne, halb leere Pakete mit Retouren von den Kund*innen direkt an eines unserer Logistikzentren zu schicken“.

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Der Riese Zalando ist somit auf mehreren Sektoren in die Defensive und unter Zugzwang geraten. Probleme bis an den Rand der Handlungs- und Zahlungsunfähigkeit bedrohen den Online-Händler aber nicht – im Gegensatz zu Peek&Cloppenburg. Der Düsseldorfer Händler testete nach eigenen Angaben ab Sommer 2021 auch einmal das Marktplatzangebot von Zalando. Unter anderem habe P&C die Logistik-Dienste der Berliner für einige P&C-Eigenmarken wie etwa Christian Berg, Review oder Jake's genutzt. Dieser „Test“, heißt es auf Nachfrage von Peek&Cloppenburg, wurde aber Ende 2022 wieder beendet.

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