Inflation Stecken Deutschlands Bäcker wirklich in der Krise?

In der Backstube eines Bäckers liegt ein Brotleib der vorher in einer Körnermischung gewälzt wurde auf einem Gitterblech das die Bäcker nun zum backen vorbereitet haben. Quelle: imago images

Das Bäckerhandwerk ächzt seit Jahren, die Zahl der Bäckereien sinkt. Zugleich steigt jedoch der Branchenumsatz deutlich. Wie passt das zusammen?

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Die Zahl der Bäckereibetriebe in Deutschland geht weiter zurück. Doch ist das so dramatisch, wie es klingt (und der Bäckerverband regelmäßig beklagt)? Oder handelt es sich gar um eine heilsame Bereinigung?

Beginnen wir bei den Zahlen: Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks (ZDB) gab es Ende 2023 in Deutschland 9242 Bäckereien. 2016 waren es noch 11.737. Der Umsatz der Branche stieg im gleichen Zeitraum jedoch deutlich von 14,29 Milliarden Euro auf zuletzt 17,55 Milliarden Euro pro Jahr: Pro Betrieb waren das den Angaben zufolge zuletzt rund 1,9 Millionen Euro Erlös pro Jahr. Hinzu kommt: Die Zahl der Verkaufsstellen blieb nach einer Schätzung stabil, die Zahl der Beschäftigten pro Betrieb ebenfalls. Die einzelnen Unternehmen versorgen also ein immer größeres Filialnetz mit im Schnitt gleichbleibender Beschäftigtenzahl bei steigenden Umsätzen. Die entscheidende Frage lautet damit: Bleibt vom Umsatz genug Gewinn übrig?

Das Handwerk selbst lässt sich hier nicht in die Bücher schauen. „Wir haben keine Gewinnzahlen“, heißt es beim Verband, aber die Umsatzsteigerung sei vor allem auf die Inflation zurückzuführen. Die gestiegenen Kosten für Rohstoffe, Energie und Personal seien schlicht auf die Produktpreise umgelegt worden. Stimmt das?



Welche Kosten müssen Bäcker schultern?

Beim Blick auf den Getreidemarkt fällt auf, dass der Weltmarkt nicht mehr der Preistreiber ist: Der Preis für einen amerikanischen Scheffel – ein Volumenmaß, das bei Weizen etwa 27 Kilogramm entspricht – an der Rohstoffbörse in Chicago hat sich von dem Angebotsschock nach Beginn des Angriffskrieges in der Ukraine längst erholt. Mit rund 630 Dollar lag er Ende 2023 in etwa auf dem Niveau von Ende 2020. Trotz massiver Schwankungen zwischendurch ist der Preis damit seit 2007 nicht nachhaltig gestiegen.



Auf dem Strommarkt stellt sich die Situation dagegen anders dar: Die Spotpreise an der Pariser Strombörse EPEX lagen Ende 2023 mit 16 Euro zwar deutlich unter dem Niveau von rund 48 Euro drei Jahre zuvor, zudem weit entfernt von Spitzenpreisen von über 300 Euro im Jahr 2022. Der 50-Tage-Durchschnitt, der die starken Schwankungen des Marktes ausgleicht, verdoppelte sich im selben Zeitraum jedoch nahezu von um die 42 auf um die 80 Euro. Dies entspricht laut Statistischem Bundesamt dem Trend der Entwicklung der Preise für Brot und Brötchen im gleichen Zeitraum, die um mehr als ein Drittel zulegten.

Bleiben die Löhne, die nach der Energiekrise deutlich gestiegen sind. Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes stiegen die Tariflöhne im Jahr 2023 um durchschnittlich 5,6 Prozent. Die Theorie der sogenannten Lohn-Preis-Spirale, wonach höhere Löhne letztlich zu höheren Verbraucherpreisen führen, halten Arbeitnehmervertreter allerdings für ein Märchen. Nach ihrer Lesart handelt es sich um Nachholeffekte, weil die Tarifabschlüsse in den Vorjahren zu niedrig ausgefallen und die Reallöhne dadurch gesunken seien. Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hält die Löhne im Bäckerhandwerk nach wie vor für vergleichsweise zu niedrig. „Das ist sicherlich ein Hauptgrund für die großen Nachwuchssorgen in der Branche“, hieß es.

Nach Angaben des ZDB stellen die Löhne trotzdem den größten Kostenblock in der Kalkulation der Bäckereien dar, wobei die Lohnentwicklung in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ist. Dies bestätigen auch die Angaben der Gewerkschaft: Laut NGG lagen die Tariferhöhungen zuletzt zwischen 5,9 und 44 Prozent – je nach Land und Tarifgruppe.

Blackbox Bäckerei

Befinden sich die Bäcker also in einer Notlage oder nicht? Selbst die Verbraucherzentralen wissen es nicht genau. „Wir haben keine magische Antwort“, sagt Lisa Völkel, Lebensmittelexpertin beim Bundesverband. Auch sie kann nur auf öffentlich verfügbare Daten wie Markt-, Erzeuger- und Verbraucherpreise sowie die Lohnentwicklung schauen und daraus ihre Schlüsse ziehen.

Nur in einem Punkt ist sie sich sicher, nämlich wer von den stetig steigenden Brotpreisen nicht profitiert hat: die Bauern. Die Expertin verweist auf Daten des Bundesinformationsdienstes Landwirtschaft, wonach 1971 noch 18 Prozent der Verbraucherausgaben für Brot bei den Bauern ankamen, 2021 aber nur noch fünf Prozent. Völkel stellt sich daher ebenfalls die Frage, wo die höheren Umsätze an der Ladentheke abgeschöpft werden, wenn am Anfang der Produktionskette anteilig immer weniger ankommt. Diese Frage ist ihren Worten nach jedoch schwer zu beantworten.

Die Verbraucherschützer fordern deshalb vom Bund eine unabhängige Preisbeobachtungsstelle, die darüber wacht, dass die Unternehmen ihre Margen nicht über das vertretbare Maß hinaus optimieren. Das könnte nach ihren Worten auch den Herstellern helfen, denn Transparenz führe zu mehr Akzeptanz, auch für deutliche Preiserhöhungen. Denn Völkel macht klar, die Bereitschaft in Deutschland, die Erzeuger von Lebensmittel auskömmlich zu entlohnen, sei da. Eine Reaktion der Politik auf die Forderung der Verbraucherzentralen steht noch aus und damit auch eine abschließende Antwort auf die Frage, ob die erhöhten Preise für Backwaren wirklich notwendig sind, um das Überleben der Betriebe zu sichern.

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Vergleicht man die Umsatzsteuerstatistik des ZDBs zwischen 2016 und 2022, lässt sich zumindest der leichte Trend zu mehr Großbäckereien bestätigen. Während die Zahl der Bäckereibetriebe insgesamt zurückging, stieg der Anteil der Bäckereien mit einem Jahresumsatz von mehr als zwei Millionen Euro von 10,5 auf 13,5 Prozent. Der Anteil der Kleinbetriebe unter 250.000 Euro sank dagegen von knapp 40 Prozent auf 34,5 Prozent. Nach dem ökonomischen Prinzip der Skaleneffekte kann zumindest begründet vermutet werden, dass mit der sinkenden Zahl der Betriebe eine steigende Rentabilität der verbleibenden Unternehmen einhergeht.

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