Tengelmann-Tochter So will Obi den Baumarkt-Thron zurückerobern

Ein Mann verlädt in Köln vor einem Obi-Baumarkt seinen Einkauf. Quelle: dpa

Neue und alte Wettbewerber setzen Deutschlands langjährigen Baumarkt-Marktführer unter Druck. Obi-Chef Sebastian Gundel sieht das als „Ansporn“ – um die Kette in Teilen neu zu erfinden.

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Als Sebastian Gundel, damals noch Obis Digitalchef, vor sechs Jahren nach Büroräumen für eine neue Transformationseinheit sucht, steht er vor einem Dilemma. Einerseits ist die Baumarktkette, an der die Tengelmann-Gruppe zu 74 Prozent beteiligt ist, seit jeher eng mit ihrem Heimatstandort verbunden: „Wir sind ein Wermelskirchener Unternehmen und bleiben es auch“, heißt es von Obi schon einmal. Andererseits: Die jungen Digitalfachkräfte, die Gundel für seine Innovationseinheit braucht, lassen sich nur schwer in ein rheinisch-bergisches Städtchen locken.

Um diesem „Spannungsfeld“ zu begegnen sei er damals bewusst nicht – wie andere Unternehmen „mit ähnlichen Zielen“ – nach Berlin gegangen, erzählt Gundel im WirtschaftsWoche-Podcast Chefgespräch. Aber eben auch nicht nach Wermelskirchen. Sondern nach Köln. Ein Kompromiss: „Wir wollten die Nähe zum Kern haben, aber trotzdem besseren Zugang zu digitalen Talenten.“

Heute ist Gundel Obis Unternehmenschef. Und der Manager ist mehr denn je froh, damals den Standortkompromiss gefunden zu haben. Denn: „Obi next“, die digitale Transformationseinheit, die er 2018 begründet hatte, ist inzwischen im Gesamtunternehmen Obi aufgegangen. „Wir sind jetzt ein Unternehmen, ein Obi, machen da keine Trennung mehr“, sagt Gundel im Podcast. „Gut, dass wir am Ende nur eine halbe Stunde Fahrzeit voneinander entfernt waren und eben nicht die Strecke von Berlin nach Wermelskirchen überbrücken mussten.“

Ansporn durch Niederlage

Die Auflösung des einst als digitales Innovationslabor begründeten „Obi next“ steht symbolisch für einen neuen Abschnitt in der Geschichte der lange Jahre umsatzstärksten Baumarktkette Deutschlands. Inzwischen hat der Konkurrent Bauhaus in diesem Ranking aufgeholt. 2022 setzten beide Unternehmen hierzulande jeweils rund 4,4 Mrd. Euro um. Bauhaus wuchs jedoch um rund sechs Prozent, Obi nur um 4,4 Prozent. Dass die Konkurrenz vorbeigezogen sei, sei „ein Ansporn, uns nach vorne zu entwickeln“ – so sieht es der Obi-Chef.

Neu ist eben auch Sebastian Gundel als CEO. Vor eineinhalb Jahren hat er den Posten bei Obi angetreten – als Nachfolger von Sergio Giroldi, der das Unternehmen zuvor fast 20 Jahre lang geleitet hatte. Gundel kam damals mit dem Anspruch an die Unternehmensspitze, „genau nicht so weiterzumachen, wie wir es die 50 Jahre davor gemacht haben“, sagt er. „Alles zu seiner Zeit.“

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Weitermachen wie bisher war ohnehin keine Option: Als Gundel Ende 2022 als CEO anfing, war der Corona-Sonderboom für die Branche gerade vorbei, die Bauwirtschaft schwächelte, die Inflation trieb die Menschen zur Sparbüchse. Zu allem Überfluss: Neue Konkurrenten, insbesondere der E-Commerce-Riese Amazon, hatten Obi in den Vorjahren immer mehr Kunden abgejagt. Gundel reagierte unter anderem mit Stellenstreichungen. 300 baute er in den vergangenen beiden Jahren ab. Und er ließ kaum einen Stein auf dem anderen: „Wenn der Wind mal von vorne weht, hat man auch gute Gründe für Veränderung“, sieht Gulden all das im Podcast-Gespräch optimistisch. Man schreibe bei Obi gerade eine „Transformationsgeschichte“. Und da sei es „besser, wenn man spürt, dass man sich verändern muss, als wenn alles einem zufliegt“.

Obi habe in den letzten Jahrzehnten eine tolle Geschichte geschrieben, gehöre zu den bekanntesten Marken im Land, sagt Gundel. Aber: Es seien zuletzt „viele Konkurrenzen rechts und links entstanden“. Und: Die Kundenansprüche und Anforderungen hätten sich geändert.

Online ist nur Teil der Lösung

Wer denkt, dass Obi unter dem digital denkenden neuen Chef jetzt zum reinen Onlineplayer werden könnte, liegt jedoch falsch. Zwar habe man zuletzt nur dabei „zugucken“ können, wie ein neuer Player wie Amazon „innerhalb von vier, fünf Jahren in den Umsätzen an uns vorbeigezogen ist“. Aber: „So extrem“ wie etwa in der Modebranche werde das E-Commerce-Geschäft den Baumarktbereich nie durchdringen können, prognostiziert Gundel. Ohnehin: „Unsere Antwort kann nicht sein: Wir kopieren irgendwas. In dem Fall, bei Amazon erst recht nicht.“

Auch wenn der digitale Baumarkt bei Obi durchaus Zukunft hat. Obis Alleinstellungsmerkmal im Internet sieht der neue Chef in einer Funktion als Service-Portal: „Wir haben mit unserer Obi-App nicht nur eine Shoppingapp geschaffen, sondern: Wir wollen dich als Kunden verstehen. In deinem Zuhause immer ansprechbar sein, nützlich sein, egal wo du bist“, sagt Gundel. „Wenn du zu Hause vor einem Projekt stehst und nicht weißt, wie du den Unterboden für deine Terrasse gestalten sollst, kannst du eine Videoberatung aufrufen und die Experten bei uns in den Märkten mit dir verbinden.“ Der Expertenservice ist eine dankbare Abgrenzung von anderen Onlineplayern – allen voran Amazon.

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Dass das E-Commerce-Geschäft für Obi nur ein Teil der Lösung sein kann, begründet Gundel so: „Einfach, weil die Natur unserer Produkte anders ist als im Modebereich. Und das ist am Ende auch gut so für uns.“ Obi verkaufe alles, „von der kleinen Schraube bis zum Sack Zement über die Blumenerde bis hin zur Sauna. Also logistisch vielfältiger als es bei uns ist, kann es kaum gehen.“ Und angesichts dieser logistischen Herausforderungen habe das Onlinegeschäft im Baumarkt-Segment „natürliche Grenzen. Zumindest in der Entwicklung und auch in der absoluten Ausprägung des Onlineanteils.“ Nur eine Kombination aus stationär und digital könne funktionieren.

Man sei „stolz auf unsere vielen Märkte, in denen wir sehr nah beim Kunden sind“, sagt Gundel. In 20 Minuten erreiche jeder Kunde einen Obi-Markt. Und diese Märkte mit dem Digitalen zu verknüpfen, „muss unser Schlüssel sein“.

Dass sich die Kombination aus Laden und Onlineshop für Obi auszahlen wird, hofft Gundel nicht nur. Er kann es belegen: Ein Kunde, der nur online einkaufe, gebe 250 Euro im Jahr bei Obi aus. Ein Kunde, der nur stationär einkaufe, 450 Euro. „Und ein Kunde, der online und stationär bei Obi einkauft, gibt 1000 Euro aus“, sagt der Manager. Das zeigten Daten, die man über die hauseigene App erhoben habe.

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Reicht das, um den Konkurrenten Bauhaus wieder vom deutschen Baumarkt-Thron zu stoßen? Generell „darf ich nicht nur auf meine Wettbewerber aus dem klassischen Baumarkt schauen, sondern muss den Blick breiter haben“, sagt Gundel dazu. Aber, klar: „Wenn es am Ende dazu reicht, Bauhaus wieder zu schlagen, dann nehme ich das gerne mit.“

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