XXXLutz kauft Home24 „Damit wächst die Abhängigkeit der Möbelhersteller weiter“

Quelle: imago images

Die geplante Übernahme von Home24 durch den österreichischen Vermöbler XXXLutz verstärkt eine bedenkenswerte Entwicklung: Konzentration und Verhandlungsmacht der Möbelhändler – zu Ungunsten der Hersteller.

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Der Frage, wen die österreichische Möbelhändlergruppe XXXLutz als nächstes übernehmen würde, um in Deutschland weiter zu wachsen, wurde zuletzt nur noch durch das Bundeskartellamt entscheidende Grenzen gesetzt. Scheinbar willkürlich hatte XXXLutz in Deutschland kleinere Konkurrenten wie etwa Poco zugekauft; oder auch etwas größere: Anfang 2021 hatte Lutz angekündigt, über eine Beteiligungsgesellschaft 50 Prozent am Gelsenkirchener Möbeldiscounter Roller (130 Filialen) und am Unternehmen Tejo/Schulenburg (27 Möbelhäuser) zu übernehmen. Ende September erst beteiligte man sich mit 50 Prozent an der Möbelhauskette Braun aus Süddeutschland (10 Häuser, rund 215 Millionen Euro Umsatz).

Auf diese Weise hat sich XXXLutz ganz nah an den scheinbar ewigen Deutschland-Marktführer Ikea herangerobbt. Je nach Berechnung und Betrachtung der einzelnen Anteile und der nicht immer öffentlich zugänglichen Umsatzzahlen sowie unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Geschäftsjahre dürfte das XXXLutz-Reich inzwischen (oder: zwischenzeitlich) gar Ikea in Deutschland überholt haben.

Das Bundeskartellamt hatte zuletzt häufiger Einwände vorgebracht und die von den Österreichern angestrebten Fusionen nur noch unter Auflagen genehmigt. Und auch die vor wenigen Wochen veröffentlichte 50-Prozent-Übernahme von Möbel Braun kam nicht ohne den förmlichen Zusatz daher, die Zustimmung des Kartellamts stehe noch aus. Das könnte bei der neuesten Übernahmeidee anders ausfallen, und deswegen ist die Branche wohl angespannter als bei sonstigen XXXLutz-Fusionen. XXXLutz-Chef Andreas Seifert ließ dieser Tage verkünden, den Berliner Möbel-Onlinehändler Home24 kaufen zu wollen. Ein Branchenkenner mutmaßt, das Bundeskartellamt unterscheide in der Frage nach einer möglichen marktbeherrschenden Stellung zwischen digitaler und stationärer Handelswelt; und weil Home24 ein reiner Digitalverkäufer ist, dessen Marktmacht sich nicht so einfach regional berechnen lässt wie es bei der Verteilung von Möbelhäusern der Fall ist, lautet die Schlussfolgerung: „Die Übernahme dürfte also durchgehen.“

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Denn auch wenn XXXLutz auf dem deutschen Möbelmarkt de facto zu den Größten zählt: Im digitalen Möbelhandel spielen die Österreicher noch nicht in der ersten Liga. Nach Schätzungen des Kölner EHI Retail Instituts hat XXXLutz im Jahr 2020 (neuere Zahlen veröffentlicht das Institut Mitte Oktober) in Deutschland rund 208 Millionen Euro online umgesetzt. Home24 dagegen setzte im Geschäftsjahr 2021 hierzulande 351 Millionen Euro um – inklusive der Umsätze von Butlers; Home24 hatte die Dekorations-Handelskette Butlers (Gesamtumsatz: 95 Millionen Euro) Ende 2021 übernommen.

Beide Unternehmen sind mit diesen Zahlen allerdings weit entfernt vom schwedischen Einrichtungshaus Ikea. Im Geschäftsjahr 2021 (September 2020 bis August 2021) musste Ikea zwar insgesamt fünf Monate lang aufgrund der Coronapandemie seine 54 deutschen Einrichtungshäuser schließen; angesichts dessen war man froh, dass der Gesamtumsatz bloß um moderate 3,2 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro sank. Das lag vor allem am Digitalgeschäft: Den Online-Umsatz konnte Ikea Deutschland um eindrucksvolle 102,9 Prozent steigern – auf den Rekordwert von 1,7 Milliarden Euro. Damit erwirtschaftete Ikea in Deutschland mehr als 34 Prozent des Umsatzes digital. Das ist rund achtmal so viel, wie XXXLutz in Deutschland digital erwirtschaftete.



„Die geplante Übernahme von Home24 ist für XXXLutz strategisch sinnvoll“, meint Elmar Duffner, der 2020 zum zweiten Mal zum Präsidenten des Verbands der deutschen Möbelindustrie gewählt wurde. „Die Einkaufsmacht von XXXLutz wird damit auch Home24 zugutekommen, indem beispielsweise die Konditionen angeglichen werden – und die Online-Erfahrung dürfte wie ein Booster wirken für das E-Commerce-Geschäft der XXXLutz-Gruppe.“

Die Verhandlungsposition der Möbelhändler wird immer stärker

Allerdings sieht Duffner auch die Konsequenzen für alle anderen in der Branche. Und die sind aus seiner Sicht besorgniserregend. „Für die Möbelindustrie aber bedeutet der Zusammenschluss eine weitere Konsolidierung und Umsatzkonzentration.“ Laut einer Analyse der Unternehmensberatung PWC stehen fünf Möbelhändler, angeführt von Ikea, XXXLutz und Höffner, für rund 44 Prozent der deutschen Umsätze im Markt. Ein Teil des bisherigen Gegenpols eines reinen Digitalhändlers gegen den stationären Handel gehe mit der angestrebten Übernahme verloren. „Damit wächst die Abhängigkeit der Möbelhersteller weiter – die Verhandlungsposition auf der Händlerseite wird hingegen immer stärker.“

Elmar Duffner weiß das, weil er neben seiner Funktion als Verbandspräsident auch operativ tätig ist: als Geschäftsführer von Vivonio, einer Holding in München, bestehend aus sieben Möbelfirmen und insgesamt rund 340 Millionen Euro Umsatz. Einige dieser Firmen fertigen Möbel für Ikea, für XXXLutz und für Home24. Es gibt rund 450 solcher Möbelhersteller in Deutschland, mit jeweils mehr als 50 Mitarbeitern. Die deutsche Möbelindustrie liegt mit 18 Milliarden Produktionsumsatz weltweit an dritter Stelle. Deutschland ist der größte Absatzmarkt für Möbel in Europa und weltweit ebenfalls an dritter Stelle.

Und diese überwiegend mittelständisch strukturierten deutschen Möbelhersteller befinden sich nach Ansicht von Duffner in einer „Sandwich-Position: abhängig von international ausgerichteten und stark konzentrierten Zulieferern auf der einen Seite, und in schwacher Verhandlungsposition gegenüber stark konzentrierten Händlern auf der anderen Seite.“ Durch die Home24-Übernahme von XXXLutz wird dieses Sandwich nun weiter zusammengedrückt.

Die fragmentiere Industrie der deutschen Möbelhersteller stehe bei vielen Vorprodukten einem Oligopol von Zulieferern gegenüber, wo es oft nur wenige marktbeherrschende Hersteller gebe, erklärt Duffner. Er verweist etwa auf Holzwerkstoffe wie Spanplatten und HDF-Rückwandplatten, wo es mit Kronospan und Egger aus Österreich sowie der oberpfälzischen Pfleiderer Gruppe drei große Hersteller gibt.

Oder bei Möbelbeschlägen: Hier gibt es ebenfalls drei marktbeherrschende Zulieferer mit Häfele (Schwarzwald), Hettich (Ostwestfalen) und Blum (Österreich). „Wir sehen also eine hohe Konzentration bei den Möbelzulieferern“, sagt Duffner. Und zuletzt gab es gleich mehrfach Verteuerungen etwa für Spanplatten, Beschläge, Glas, Stahl, Transportkosten. Die Preise für manche Holzwerkstoffe haben sich in den vergangenen zwei Jahren gar verdreifacht, eine historisch wohl einmalige Steigerung. Möbelhersteller mussten also mehrmals mit Händlern über Preiserhöhungen verhandeln. Die Möbelindustrie sei dabei mehr oder weniger gezwungen, höhere Preise zu akzeptieren – andernfalls würden sie keine Vormaterialien bekommen.

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„Wenn wir als Hersteller diese Preissteigerungen dagegen an die Händler weitergeben möchten, wird das sehr schwierig“, sagt Duffner. Die Händler argumentierten, ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit verteidigen zu müssen. Ein Branchenkenner bestätigt das Ungleichgewicht: „XXXLutz ist eine Macht. Ein kleiner Tischhändler kann es sich nicht leisten, denen gegenüber zu sagen: Euch beliefere ich jetzt nicht mehr.“ Die Österreicher verfolgten die Strategie: Alles nehmen, was irgendwie geht. Doch die Zeit der ganz großen Zusammenschlüsse sei wohl vorbei – zumindest für stationäre Übernahmekandidaten. „Insofern ist die Home24-Übernahme folgerichtig und recht smart. Aus Sicht der Hersteller ist diese Übernahme aber nicht gut.“

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