BASF-Tochter Wintershall Dea Kostet diese Russland-Connection den deutschen Staat Milliarden?

Von seinem Russlandgeschäft musste sich der Öl- und Gaskonzern in Folge des Kriegs in der Ukraine trennen. Quelle: AP

Das Ende des Russlandgeschäfts hat ein tiefes Loch in die Bilanzen von BASF und Wintershall gerissen. Jetzt drohen auch dem Bund Milliardenkosten – weil Sigmar Gabriel einst Investitionen garantiert hat.

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Jahrzehntelang war Wintershall Dea als günstige Gas-Tankstelle das Lieblingskind der BASF. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hat sich die Öl- und Gastochter schlagartig zur Problemsparte des Chemiekonzerns verwandelt: Anfang dieses Jahres erklärte die Tochtergesellschaft ihr Russlandgeschäft für „faktisch wirtschaftlich enteignet“. Der Krieg habe die Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa zerstört, klagte Unternehmenschef Mario Mehren. Das Unternehmen entschied daraufhin, das Russlandgeschäft vollständig aufzugeben. Die Entscheidung zog einen Milliardenverlust nach sich, nicht nur für Wintershall DEA, sondern auch für die Konzernmutter BASF.  

Dafür müssen nun möglicherweise zumindest teilweise die deutschen Steuerzahler geradestehen: Wintershall Dea verhandelt offenbar derzeit mit dem Bund über die Fälligkeit von Staatsgarantien für seine Russland-Aktivitäten. Man sehe sich in den laufenden Gesprächen in einer starken Position, sagte BASF-Finanzvorstand Dirk Elvermann, der im Aufsichtsrat der Konzerntochter sitzt, der „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“.  

Der Ursprung der jetzigen Verhandlung geht zurück auf das Jahr 2015 und einen aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbaren Entschluss von Sigmar Gabriel: Mit freundlicher Genehmigung des damaligen Wirtschaftsministers verkaufte Wintershall 2015 – nachdem Russland die Krim annektiert hatte – Gasspeicher an den russischen Staatskonzern Gazprom und erhielt im Gegenzug Anteile an einem russischen Erdgasfeld. Damit hatte Russland entscheidenden Einfluss auf die die strategischen Gasreserven Deutschlands gewonnen. Rückblickend war das ein verhängnisvoller Schritt in die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas, der die 2022 folgende Gaskrise massiv befeuerte.  

Dazu – und das ist für die aktuellen Ansprüche das Entscheidende – stellte Gabriel 1,8 Milliarden Euro für die Absicherung der Investitionen von Wintershall in dem neuen Gasfeld in Sibirien bereit. Diese Summe fordert Wintershall nun offenbar von der Bundesregierung ein. Laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ könnte es bei den Verhandlungen sogar um Forderungen in Höhe von über zwei Milliarden Euro gehen.  

Kritik an mangelnder Fehlerkultur

„Das Management muss alle Maßnahmen prüfen und gegebenenfalls umsetzen, die zu einer Schadensminderung für das Unternehmen, seine Belegschaft und Stakeholder beitragen“, teilte Wintershall auf Anfrage der WirtschaftsWoche mit. Dazu gehöre auch die Inanspruchnahme von Garantien, Versicherungen und möglichen Rechtsmitteln. Für die Investitionsgarantien des Bundes zahle man seit vielen Jahren Versicherungsprämien in Millionenhöhe, sagte ein Konzernsprecher. Diese würden Risiken wie Verstaatlichung, Krieg und Enteignung abdecken.  

Auch BASF würde die Auszahlung der Bundesgarantien über ihre Beteiligung anteilig zugutekommen. „Aufgrund der de facto wirtschaftlichen Enteignung in Russland sehen wir Wintershall Dea in einer sehr starken Position hinsichtlich der Bundesgarantien“, schreibt das Unternehmen per E-Mail.

Das Verständnis der Öffentlichkeit für die Forderungen dürfte dennoch eher begrenzt ausfallen. Schließlich räumte Wintershall schon Anfang 2022 ein, dass sich Geld auf russischen Geschäftskonten nicht mehr einfach nach Deutschland transferieren lasse. Trotzdem förderte das Unternehmen monatelang weiter Gas in Russland und zahlte Steuern in dem Land, das Krieg gegen die Ukraine führt. „Dass Wintershall Dea jetzt offensichtlich prüft, Bundesgarantien in Anspruch zu nehmen, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten“, schrieb Sonja Meister von der Klimaschutzorganisation Urgewald Anfang des Jahres auf der Webseite des Verbands. 

BASF und Winterhall standen jahrzehntelang wie sonst nur der Energiekonzern Uniper für die enge Verbindung der deutschen Wirtschaft mit Russland. Bis heute zeigt Konzernchef Martin Brudermüller keine großen Hemmungen, sich mit politisch umstrittenen Partnern einzulassen: Derzeit baut der Konzern in der südchinesischen Provinz Guandong für zehn Milliarden Euro einen neuen Verbundstandort – trotz warnender Worte der Politik und Kritik von Investoren.  

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Manch einer moniert bei der BASF deshalb eine fehlende Fehlerkultur: Auch im Fall Russland habe es schrillende Warnungen gegeben, sagte Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin vor einigen Monaten. Darauf habe die BASF nicht gehört. Der Konzern treffe „erneut falsche, hochriskante Entscheidungen“, mache sich mit ihrer Konzentration auf China „erneut abhängig von Verbindungen, die geostrategisch problematisch sind“.


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