Bauernproteste und Gülle-Streit Wohin bloß mit all dem Mist?

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Gülle: „Die Preise haben sich verdreifacht“

Das Prinzip funktioniert so: Die Anbieter stellen einen Preis ein, meist auf Verhandlungsbasis. Auf den endgültigen Preis einigen sich Käufer und Verkäufer häufig per Telefon oder WhatsApp, sagt Webelsiep. Wie viele Deals über Güllemarkt24 zustande kommen, weiß er daher nicht. „Wir wollen mehr Transparenz in den Markt bringen und lokale oder überregionale Potenziale aufdecken.“ Für die Landwirte ist das Angebot kostenlos, sagt Mitinhaberin Janine Wansing. Um Transport oder Lagerung müssen sich die Landwirte selbst kümmern.

Georg Südholt hingegen bietet Bauern ein „Rundum-Sorglos-Paket“: Sein Unternehmen, das Nährstoffkontor Westmünsterland, vermittelt Wirtschaftsdünger. Es kauft den Landwirten die Gülle, Mist oder auch die Gärreste aus Biogasanlagen ab, leert die Silos auf dem Hof, kümmert sich um Logistik und Lager, findet einen Käufer, übernimmt bei Bedarf auch die Dokumentation für die Bauern. Seit 17 Jahren verdient Südholt so sein Geld, mittlerweile hat er mehr als zehn Angestellte.

Doch eine Situation wie jetzt habe er selten erlebt, sagt er: Viele Viehbauern geben auf, machen ihre Betriebe dicht. Damit fallen auch weniger Dung und Gülle an. „Wir haben dieses Jahr erstmals weniger Wirtschaftsdünger transportiert“, sagt Südholt.

Das Beispiel Milch zeigt den Dominoeffekt explodierender Kosten: Bauern wetten gegen Märkte, die Molkerei zahlt mehr für Energie, die Verpackung kommt aus der Ukraine. Nun muss der Handel die Preise wohl erneut anheben.
von Jacqueline Goebel

Dabei sei die Nachfrage groß. Seit dem Krieg in der Ukraine ist Mineraldünger knapp, und weil für die Produktion viel Energie und Erdgas benötigt wird auch teurer. „Die Preise haben sich verdreifacht“, sagt Südholt. Viele Gemüsebauern und Ackerbetriebe wollen deshalb nun mehr Dung oder Gärsubstrate einkaufen, um die Pflanzen auf ihren Feldern zu düngen. „Die Nachfrage nach Wirtschaftsdünger ist viel höher als das Angebot.“

Vor zwei Jahren sah ein üblicher Deal noch so aus: Wenn ein Schweinemastbetrieb 1000 Kubikmeter Gülle abgeben wollte, musste er dafür in der Regel 10.000 Euro zahlen. Für das Geld organisierte Südholt Logistik und Lagerung, ging ins Risiko, einen Käufer zu finden. Etwa 4000 Euro zahlten die Käufer vielleicht, um die Gülle des Schweinemastbetriebs zu bekommen.

Heute hat sich das Verhältnis umgekehrt. Zwar zahlen auch heute noch etwa Schweinemastbetrieb drauf, wenn sie Gülle loswerden wollen, „aber deutlich weniger als früher“, sagt Südholt, vielleicht noch 4000 Euro, manchmal sogar nur 3000 Euro. Dafür legen die Käufer mehr auf den Tisch: Der Preis ist auf bis zu 10.000 Euro für 1000 Kubikmeter gestiegen. Weil die Logistikkosten so stark steigen, lohne es sich aber nicht mehr, 200 Kilometer zu fahren. Er müsse nun Betriebe finden, die näher beieinander liegen, sagt Südholt.

Die Entwicklung wirkt sich auch auf die Gülleimporte aus. Früher verkauften vor allem die holländischen Viehbetriebe noch große Mengen Wirtschaftsdünger nach Deutschland, die mittels großer Tanks dann auf den Feldern in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen verteilt wurden. 2016 importierte allein das Land Nordrhein-Westfalen laut aktuellem Nährstoffbericht rund 16.000 Tonnen Stickstoff aus Gülle oder Gärresten aus Biogasanlagen – rund 80 Prozent kam aus den Niederlanden. Bis heute sind die Importe jedoch auf rund 12.000 Tonnen im Jahr deutlich gesunken. Ein Großteil kommt aus anderen Bundesländern und nicht mehr aus dem Nachbarstaat.

Werden die strengeren Umweltvorschriften in den Niederlanden eine neue Welle des „Gülletourismus“ hervorbringen, weil die Bauern im eigenen Land weniger verteilen dürfen?

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Georg Südholt glaubt nicht dran. Wenn ein Viehbetrieb aufgebe, dann werde dadurch Fläche frei, auf der die umliegenden Landwirte ihren Überhang verteilen könnten. Und auch in Deutschland fürchten sich viele Landwirte mit großen Tierbeständen vor ähnlichen Auflagen bei der Gülleausbringung. Denn auch hierzulande werden in vielen Regionen die zulässigen Nitrat-Grenzwerte immer wieder überschritten. Gerade erst hat der Bundesrat zugestimmt, die sogenannten „roten Gebiete“ um 45 Prozent auszuweiten. Dort dürfen die Bauern weniger Gülle oder andere Dünger ausbringen.

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