Baustellenstille Immobilienfonds kämpfen mit Flaute in der Bauindustrie

Im Rohbau befindlicher Neubau eines Wohnhauses an der Pappelallee in Berlin-Prenzlauer Berg. Quelle: imago images

Im Schatten einer sich abzeichnenden Krise in der Bau- und Immobilienbranche zeichnen sich bedeutende Auswirkungen auf Immobilienfonds ab. Was das nun für diese Anlageklasse bedeutet.

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Die Baukrise schlägt auf Immobilienfonds durch. Der Auftragseinbruch und mehrere Insolvenzen von Immobilienentwicklern und Bauträgern erschrecken Anleger, die in diesem Jahr bislang weniger als halb so viel Geld neu in Immobilienfonds investiert haben wie im vergleichbaren Zeitraum des vergangenen Jahres. Die Gefahr einer kurzfristigen Investorenflucht besteht nach Einschätzung der Ratingagentur Scope ebenso wie des Branchenverband BVI und des Finanzanalysten Peter Barkow aber nicht. Denn auch für die sogenannten offenen Fonds gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr.

„Derzeit ist zumindest eine deutliche Verlangsamung der Mittelzuflüsse zu beobachten“, sagt Barkow, Gründer und Chef des Beratungsunternehmens Barkow Consulting. „Im ersten Halbjahr sind sie im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zurückgegangen. Das sind auch die niedrigsten Zuflüsse in einem ersten Halbjahr seit 2011, und damals gab es noch keine Kündigungsfrist.“

Besorgnis hat kürzlich die Insolvenz des Nürnberger Immobilienentwicklers Project Immobilien ausgelöst. Der nicht insolvente Investmentzweig der Firmengruppe sammelte mit der Auflage von Fonds das Geld für die Bauprojekte ein: insgesamt 1,4 Milliarden Euro, gezeichnet von über 32.000 Anlegern.

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Die Insolvenzverwalter der Nürnberger Kanzlei Schultze & Braun haben bekannt gegeben, dass bisher drei der vier Unternehmen der Project Immobilien-Gruppe Insolvenzanträge gestellt haben. Die Holdinggesellschaft Project Real Estate AG wird voraussichtlich in naher Zukunft ebenfalls einen Insolvenzantrag stellen. Trotz der Insolvenzabsicht beabsichtigen die Verwalter, den laufenden Geschäftsbetrieb fortzuführen. In diesem Zusammenhang planen sie, sowohl die Möglichkeiten einer Sanierung als auch die Fortsetzung der laufenden Bauprojekte zu überprüfen.

Insolvenzen in diesem Geschäft können weitreichende negative Folgen haben: Anleger verlieren Geld, Käufer stehen vor unfertigen Bauten, Baufirmen bleiben auf unbezahlten Rechnungen sitzen.

Nennenswerte Rendite erwirtschaftet

In den Jahren der Tiefstzinsen waren Immobilienfonds beliebt, weil sie nennenswerte Rendite erwirtschafteten. Dementsprechend haben Immobilien-Spezialfonds für institutionelle Investoren von 2012 bis Ende Juni dieses Jahres den Nettowert des angelegten Vermögens um 371 Prozent auf 176 Milliarden Euro vermehrt, wie Barkow unter Verweis auf Rohdaten der Bundesbank sagt.

Publikumsfonds – an denen sich jedermann mit ausreichenden Finanzmitteln beteiligen kann – wuchsen innerhalb dieser elfeinhalb Jahre um 58 Prozent auf 132 Milliarden.

Unterschieden wird zwischen offenen und geschlossenen Fonds. Geschlossen bedeutet nicht, dass der jeweilige Fonds die Tätigkeit eingestellt und seine Türen geschlossen hätte, sondern dass die Investoren einmal erworbene Anteile nicht zurückgeben können.

Bei offenen Fonds hingegen können die Anleger aussteigen, aber erst nach der einjährigen Kündigungsfrist. Zuvor müssen sie die Anteile nach dem Kauf mindestens zwei Jahre halten, wie ein Sprecher des Fonds-Bundesverbands BVI erläutert.

Durch die Investition in offene Immobilienfonds partizipieren Investoren üblicherweise an einem Sortiment von Gewerbeimmobilien: 55 Prozent in Büros und Praxen, 22 Prozent in Handel und Gastronomie, der Rest entfällt unter anderem auf Hotels und Lagerhallen. Wohngebäude machen laut BVI nur einen Anteil von vier Prozent aus.. Diese Art der Beteiligung wird oft als konservativ und stabil betrachtet. Doch mit dem raschen Anstieg der Zinssätze und einer zunehmenden Verschärfung der Krise im Immobiliensektor werden nun auch in offenen Immobilienfonds erste Anzeichen von Belastung sichtbar, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der Börsenkurse.

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Investoren-Rückzug während der Finanzkrise

„Der Regulator hatte mit diesen Regelungen auf die Auswirkungen der Finanzkrise reagiert, um einen stabilisierenden Effekt zu erzielen“, sagt Hosna Houbani, Analystin bei der auf Immobilienfonds spezialisierten Ratingagentur Scope. Denn während der internationalen Finanzkrise hatte es tatsächlich Fluchtbewegungen von Investoren gegeben, im Anschluss wurde die Regulierung verschärft.

„Medienwirksame Insolvenzen führen zumindest nicht zu höheren Mittelzuflüssen in Immobilienfonds“, meint Finanzfachmann Barkow. „Aber wenn Anleger ihre Anteile zurückgeben wollen, sehen wir das erst in zwölf Monaten.“

Wer vor Ablauf der einjährigen Kündigungsfrist sein Geld braucht, „kann Anteile der offenen Immobilien-Publikumsfonds über die Börse verkaufen“, sagt der BVI-Sprecher. „Der Verkauf über die Börse ist aber gebührenpflichtig. „Und der Preis des Anteils ist – im Gegensatz zur Rückgabe an die Fondsgesellschaft – abhängig von Angebot und Nachfrage.“

Wenig Anzeichen für einen Aufschwung

Auch in der ersten Jahreshälfte haben die Anleger demnach im Saldo zusätzliches Geld in offenen Immobilienfonds angelegt: „Das Netto-Mittelaufkommen ist seit 2019 zurückgegangen, doch auch im laufenden Jahr übersteigen die Zuflüsse die Abflüsse zum Stichtag 30. Juni um 1,2 Milliarden Euro“, sagt Analystin Houbani. Das liegt aber weit unter den Spitzenwerten der jüngeren Vergangenheit: Der Rekord wurde nach Scope-Daten im Jahr 2019 mit einem Nettozufluss von 10,1 Milliarden Euro aufgestellt, 2022 waren es noch 4,5 Milliarden.

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Die Aktivitäten der Banken im Bereich der Immobilienkredite für private Kunden befinden sich seit einigen Monaten auf einem sehr niedrigen Niveau. Laut Angaben der Bundesbank sank das Neugeschäft im April um etwa die Hälfte. Die Auswirkungen des Anstiegs der Zinssätze und der gestiegenen Materialkosten sind auch im Neubausegment spürbar, was zur Absage vieler Bauprojekte führt. Das Ifo-Institut prognostiziert, dass im Verlauf dieses Jahres voraussichtlich nur 275.000 Wohnungen fertiggestellt werden. Zudem wird erwartet, dass der Wohnungsbau in den kommenden Jahren ebenfalls rückläufig sein wird.

Eine Rückkehr der Kreditzinsen auf das Niveau der Boomjahre ist unwahrscheinlich. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Immobilienpreise in den kommenden Jahren aufgrund des begrenzten Wohnraumangebots wieder ansteigen werden.

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Dennoch bestehen Möglichkeiten, um den Wunsch nach einer eigenen Immobilie zu realisieren. Potenzielle Immobilienkäufer haben die Option, durch Eigenleistung beim Tapezieren und Streichen Kosten einzusparen. Zusätzlich können erhebliche Einsparungen beim Kaufpreis erzielt werden, wenn Käufer die Bereitschaft zum Pendeln zeigen. Ländliche Gegenden bieten oft günstigere Immobilienpreise im Vergleich zur Stadt.

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