Chemie Gewinneinbruch bei BASF: Ein Warnzeichen für die gesamte Branche

Martin Brudermüller gibt die Position als BASF-Chef im Mai an seinen Nachfolger Markus Kamieth ab. Quelle: dpa

BASF-Chef Martin Brudermüller übergibt den Konzern in schweren Turbulenzen, insbesondere China macht Probleme. Nachfolger Markus Kamieth hat voraussichtlich ein herausforderndes Einstiegsjahr vor sich.

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Martin Brudermüllers letzte Monate als BASF-Vorstandschef verlaufen turbulent: Erst die Unstimmigkeiten mit der Gewerkschaft über den angekündigten Konzernumbau, dann die Kritik am Verkauf der Öl- und Gastochter Wintershall Dea an die britische Harbour Energy, am Freitagmorgen dann die nächste Hiobsbotschaft: Umsatz und Gewinn bleiben deutlich hinter den eigenen Erwartungen.  

Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) sowie Sondereinflüssen lag mit voraussichtlich 3,8 Milliarden Euro unter der prognostizierten Bandbreite von 4,0 Milliarden bis 4,4 Milliarden Euro, wie der Konzern am Freitag mitteilte. Im Vorjahr standen hier fast 6,9 Milliarden Euro. Beim Umsatz zeigte sich das gleiche Bild: BASF schaffte hier den vorläufigen Zahlen zufolge 68,9 Milliarden Euro, während es 2022 noch 87,3 Milliarden waren. Die eigene Prognose wurde hier ebenfalls verfehlt.  

BASF kündigte außerdem Wertberichtigungen im Volumen von gut einer Milliarde Euro in den Sparten Surface Technologies, Agricultural Solutions und Materials an. Details hierzu wollte BASF der Nachrichtenagentur Reuters nicht nennen und verwies auf die Veröffentlichung der detaillierten Bilanz Ende Februar. 

Grund für die verfehlten Prognosen seien niedrigere Gewinnmargen, die Sparmaßnahmen nicht auffangen können, heißt es in der Mitteilung. Arne Rautenberg, Fondsmanager bei Union Investment, wird konkreter: "Das Problem ist China", sagt der Experte. BASF hatte im zweiten Halbjahr insbesondere in China auf einen Aufholeffekt nach der Pandemie gehofft. Doch der blieb aus. "In China kommt es zu Überkapazitäten, die sie nach Europa liefern", erklärt Rautenberg. "Hier sorgt das für einen riesigen Preisdruck."

Überrascht haben die Zahlen den Fondsmanager dennoch nicht: Das vierte Quartal ist aufgrund der Feiertage sehr kurz und somit immer schwach, gibt der Experte zu bedenken. "Kunden räumen vor dem Jahreswechsel  ihre Lager und bestellen weniger Ware."

Schon im Juli hatte BASF seinen Ausblick gesenkt. Der Preisschub für Gas und Energie hat das Chemieunternehmen hart getroffen. Die weltweite Konjunkturflaute bremst zudem die Nachfrage nach Produkten des Konzerns, die als Grundstoff in vielen Gütern stecken.

Für 2023 dürfte unter dem Strich ein Gewinn von 225 Millionen Euro übrigbleiben, wie der Konzern weiter mitteilte. Immerhin: 2022 hatte BASF 627 Millionen Euro Verlust gemacht, weil das Unternehmen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine milliardenschwere Abschreibungen auf Öl- und Gasgeschäfte der Tochter Wintershall Dea vornehmen musste. 

Trotz der mauen Zahlen hielt sich die BASF-Aktie am Freitagvormittag stabil. Analysten der Barclays Bank verwiesen auf den überproportionalen Kursrutsch von zwölf Prozent in den vergangenen beiden Wochen. Einige Anleger hätten offenbar noch deutlichere Umsatz- und Gewinneinbrüche befürchtet.  

Als Lichtblick wird zudem der etwas höher als erwartet ausgefallene freie Cashflow gewertet. Der Konzern braucht allerdings allein drei Milliarden Euro, um die Dividende zu decken. Fondsmanager Arne Rautenberg geht davon aus, dass der scheidende Firmenchef die Ausschüttung stabil halten wird. BASF gilt als der Konzern mit den meisten privaten Kleinanlegern. Für sie ist die Dividende von entscheidender Bedeutung. Die Ausschüttung soll deshalb jedes Jahr erhöht oder mindestens konstant gehalten werden. Für das Geschäftsjahr 2022 schüttete der Konzern mit 3,40 Euro pro Aktie so viel aus wie im Jahr zuvor. "Fraglich ist, wie es nächstes Jahr mit der Dividende aussieht", gibt Rautenberg zu bedenken. Das komme auch darauf an, wie der neue CEO zur bisherigen Dividendenpolitik der BASF steht

Mit den Zahlen zum dritten Quartal hatte BASF bereits angekündigt, seine Kosten in den kommenden Jahren wegen des unsicheren Umfelds noch stärker eindampfen zu wollen. Bis 2027 sollen nur noch 24,8 Milliarden Euro investiert werden - rund vier Milliarden Euro weniger als bislang geplant. Die Zahl der Projekte würde reduziert, alternative Maßnahmen ergriffen, die geringere Sachmittel erfordern, verkündete Brudermüller. Nur zwei Ausnahmen soll es geben: Beim grünen Umbau des Konzerns will Brudermüller keine Abstriche machen und auch am Bau des neuen Verbundstandorts in China hält der Konzernchefin vollem Umfang fest. Anfang des Jahres hatte BASF wegen verschlechterter Geschäfte und erschwerter Rahmenbedingungen in Europa ein Sparprogramm aufgelegt, inklusive Stellenabbau. Besonders hart trifft es den Stammsitz in Ludwigshafen. Dort werden mehrere Anlagen abgeschaltet.

Nicht nur BASF steckt in der Krise. Die gesamte Branche leidet unter einer schwächelnden Nachfrage und steigenden Kosten, vor allem für Energie. Entsprechend pessimistisch blickt die Branche in die Zukunft: Der vom Ifo-Institut ermittelte Index für die Branchenstimmung fiel im Dezember auf minus 15,2 Punkte. „Die Talsohle scheint zwar erreicht zu sein, ein baldiges Aufwärts ist allerdings noch nicht in Sicht“, sagte Ifo-Expertin Anna Wolf. Der Branchenverband VCI hat sich zuletzt ähnlich geäußert.  

Der Pessimismus der Firmen schlägt sich auch in ihrer Personalplanung nieder. Hier sind die Erwartungen laut Ifo auf dem niedrigsten Stand seit der Finanzkrise. „Der Chemiebranche droht ein noch stärkerer Beschäftigungsabbau“, sagte die Expertin. 

Auch 2024 zeichnet sich bislang keine Belebung der Geschäfte ab und droht ein weiteres schwieriges Jahr zu werden. Baader-Analyst Konstantin Wiechert warnt vor entsprechend trüben Aussichten für BASF im laufenden Jahr: „Zur Erinnerung: BASF erwirtschaftete mehr als 50 Prozent des operativen Gewinns des Geschäftsjahres 2023 im ersten Quartal, was sich in diesem Jahr offensichtlich nicht wiederholen wird.“ Daher könne für das Gesamtjahr 2024 nicht mit einer Verbesserung gerechnet werden. 

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Es ist also kein idealer Zeitpunkt für den Führungswechsel bei BASF. Anfang Mai übernimmt das langjährige BASF-Vorstandsmitglied Markus Kamieth die CEO-Rolle beim weltweit größten Chemiekonzern und muss dann dafür sorgen, dass BASF wieder profitabler wird.  
 

Mit Agenturmaterial von dpa und Reuters.


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