Chemiebranche Stellenabbau bei Evonik: Es gibt zu viele Manager

Evonik streicht in den kommenden zwei Jahren 2000 Stellen - 1500 hier in Deutschland. Quelle: dpa

Die gesamte Chemiebranche hat ein herausforderndes Jahr hinter sich. Doch Evonik leidet unter einem außergewöhnlichen Problem: Der Konzern hat zu viele Manager. Das soll sich jetzt ändern.

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Ein Team aus gut einem Dutzend Mitarbeitern hat in den vergangenen Monaten sämtliche Strukturen und Abläufe beim Chemiekonzern Evonik analysiert. Das Ergebnis: „Zu komplex“, „zu teuer“, „zu wenig klar“ und deshalb „definitiv zu langsam“, erläuterte das Vorstandsteam am Montag bei der Bilanzpressekonferenz des Konzerns.

Derzeit gebe es 4600 Mitarbeiter mit Führungsverantwortung. Im Schnitt kämen auf vier Mitarbeiter eine Führungskraft. Zudem gebe es bei Evonik zehn Hierarchieebenen. „Wir bremsen uns selbst aus“, beklagte Personalvorstand Thomas Wessel. Dies müsse sich ändern. Mit dem Programm „Evonik Tailor Made“ will Evonik den Konzern „effizienter, effektiver und damit insgesamt besser machen“, formulierte es Konzernchef Christian Kullmann.

In der Praxis bedeutet das: Bis 2026 streicht Evonik 2000 Stellen – davon 1500 in Deutschland. Auf administrative Aktivitäten, die nicht direkt das Geschäft unterstützen, will das Unternehmen künftig, wo immer möglich verzichten. Zudem sollen Aufgaben in der neuen Struktur konsequent gebündelt. Vor allem aber soll die Anzahl der Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands auf maximal sechs reduziert. Künftig sollen auf eine Führungskraft sieben Mitarbeiter kommen.

Die branchenweite Krise belastet den Spezialchemiekonzern Evonik: Der Umsatz und Gewinn brechen 2023 ein. Nun will Evonik rund 2000 Stellen abbauen – vor allem in Deutschland.

Die Umstrukturierung trifft somit vor allem Führungskräfte: Bei 500 der 2000 Stellen, die abgebaut werden sollen, handelt es sich um Managerpositionen. Darüber hinaus sollen 1000 Mitarbeiter ihre Führungsverantwortung abgeben und künftig ausschließlich als Fachexperten für das Unternehmen tätig sein. Darüber hinaus sollen die Bereiche Infrastruktur an den Standorten Marl, Wesseling und Antwerpen in eigenständige Töchter ausgelagert werden.  

Durch den Umbau sollen die Konzernkosten bis 2026 um jährlich rund 400 Millionen Euro sinken. Vor betriebsbedingte Kündigungen sind die Mitarbeiter bis 2032 geschützt. Der Abbau wird somit hauptsächlich über Abfindungen und Frühverrentung erfolgen. Das Programm sei „hart, aber notwendig“, sagte Kullmann.

Der Konzern hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Im Gesamtjahr 2023 musste Evonik bei einem Umsatzrückgang um 17 Prozent auf knapp 15,3 Milliarden Euro einen Rutsch des operativen Ergebnisses um ein Drittel auf 1,66 Milliarden Euro hinnehmen. Dabei blickt das Unternehmen den Angaben zufolge nun schon auf sieben Quartale ohne spürbare Absatzbelebung zurück. Unter dem Strich steht ein Verlust von 465 Millionen Euro – nach einem Überschuss von 540 Millionen im Jahr zuvor.

„Wir befinden uns mitten in einem tiefen Tal“

Wie die gesamte Industrie belasteten Evonik die im internationalen Vergleich teuren Energiekosten und die durch die Inflation hohen Rohstoffkosten. Man habe weltweit eine Nachfrageschwäche zu spüren bekommen. Das Minus resultierte darüber hinaus aus Wertminderungen für Geschäftsteile. Insgesamt sei Evonik aber „mit einem blauen Auge davongekommen“. Die Rahmenbedingungen würden jedoch „nicht leichter“: „Daher werden wir unseren grundlegenden Konzernumbau fortsetzen“, kündigte er an.

Obwohl sich die Nachfrage nach chemischen Produkten zuletzt stabilisiert hat, bleibt Kullmann skeptisch: „Wir dürfen uns nichts vormachen: Was wir derzeit erleben, ist keine konjunkturelle Schwankung, sondern eine massive, konsequente Veränderung unseres wirtschaftlichen Umfelds“, so der Konzernchef. Von 2024 verspricht Kullmann dennoch wieder einen Zuwachs. Das bereinigte Ebitda soll dieses Jahr in der Spanne von 1,7 bis zwei Milliarden Euro liegen. Dazu verhelfen sollen dem Konzern die verbesserte Effizienz und straffes Kostenmanagement.

Geld für Investitionen bringt aber auch der Verkauf des Superabsorber-Geschäfts ein, den Evonik im Zuge der Bilanzpressekonferenz verkündete. Die deutsche Chemiegruppe ICIG übernimmt die Sparte für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Superabsorber sind saugfähige Stoffe, die vor allem in Windeln stecken.

Wachsen will der Konzern in den kommenden Jahren vor allem in Nordamerika, wo Evonik derzeit eine 220 Millionen Dollar teure Produktionsanlage für pharmazeutische Lipide baut, die bei der Herstellung von Impfstoffen benötigt werden. „Nordamerika ist für uns die Wachstumsregion Nummer eins“, sagte Finanzvorständin Meike Schuh am Montag. Dort lockt unter anderem der Inflation Reduction Act Investitionen in grüne Technologien. „Wir gehen nicht davon aus, dass es neue, zündende, spannende, innovative Programme und Ideen aus Berlin oder aus Brüssel geben könnte, die daran etwas ändern würden“, kommentierte Kullmann.

Nicht nur Evonik leidet in Deutschland unter hohen Energiepreisen, Handelshemmnissen und der schwächelnden Konjunktur. „Wir befinden uns mitten in einem tiefen, langen Tal. Und noch ist unklar, wie lange wir es durchschreiten müssen“, hatte der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie, Markus Steilemann, jüngst gesagt. Die Nachfrage nach Produkten der Branche verzeichne eine Schwächephase.

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Evonik-Konkurrent Covestro, dessen Chef Steilemann ist, hatte im vergangenen Jahr einen Rückgang des Umsatzes um 20 Prozent verbucht. Auch Branchenprimus BASF meldete für 2023 einen Gewinn- und Umsatzeinbruch und reagiert nun mit Sparprogrammen und einem Abbau von Stellen. 

Mit Agenturmaterial von Reuters.

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