HeliService Offshore-Helikopter im Auge des perfekten Sturms

Luftiger Arbeitsweg. Ein Helikopter lässt erst Wartungspersonal und dann Werkzeug auf die Plattform eines Windrads des Windparks Riffgat in der Nordsee herab Quelle: DEREK HENTHORN PHOTOGRAPHY

Dienstleister wie der Emdener HeliService wetten auf einen globalen Offshore-Windkraft-Boom. Aber jetzt ist erst einmal Krise. Wie reagiert der Mittelständler? Bald vielleicht mit Drohnen.

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„Brace. Brace“, ruft der Mitarbeiter eindringlich. So laute der Befehl, wenn es gefährlich wird. Macht euch klein, heißt das, kauert euch zusammen, begebt euch in die Sicherheitsposition – damit euch möglichst wenig passiert, wenn der Helikopter abstürzt. In einem Video ist derselbe Mitarbeiter dabei zu beobachten, wie das geht. Füße zusammenstellen, Sitzpolster greifen oder die Kleidung. Vor Abflug müssen wir sechs Passagiere uns die Anweisungen alle ansehen. Vorschrift. Alle tragen wir gummiartige, knallgelbe Sicherheitsanzüge, „Survival Suits“, und Schwimmwesten. Wenn wir in die Nordsee fallen, halten die Anzüge uns warm. Sogenannte Personal Locator Beacons, PLBs, zeigen der Bundeswehr an, wo sich jede und jeder von uns befindet. Die Bundeswehr leitet die Information dann binnen Minuten weiter. Falls wir untergehen, sollen uns kleine EBS-Tauchflaschen mit Mundstück mit Atemluft versorgen, EBS steht für Emergency Breathing System. Die Barometer müssen einen Luftdruck von mindestens 200 Bar anzeigen. Alles, alles ist auf Sicherheit getrimmt. „Das Sicherheitskonzept ist uns extrem wichtig“, sagt Oliver Freiland, Chef des Helikopterflugdienstes HeliService. „Es gehört zu dem, was uns auszeichnet.“

Für teures Personal ist das Schiff zu langsam

Auch Freiland ist diesmal Passagier. Hier in Emden, auf dem Flugplatz und aus der Luft, will er zeigen, was das Offshore-Helikopter-Business ausmacht und worin die wirklich großen Herausforderungen und Chancen bestehen für die zuletzt arg gebeutelte Offshore-Windindustrie – aber auch für Dienstleister wie sein Unternehmen HeliService.

Der Flugplatz Emden ist so etwas wie die Basisstation für viele deutsche Windparks in der Nordseeküste. Denn zwar kann man etwa zu Riffgat, nordwestlich von Borkum, zu Gode Wind I, II oder das Baufeld für Gode Wind III oder auch zu dem Gebiet, auf dem bald der 906-Megawatt-Windpark He Dreiht von EnBW entsteht, auch mit dem Schiff fahren. Baumaterial muss größtenteils sogar mit dem Schiff transportiert werden, weil es bei den großen, unhandlichen und bisweilen sehr schweren Teilen, den Gondeln und den Rotorblättern, gar nicht anders geht. Aber für die Ingenieure oder das teure Wartungspersonal dauert die Reise mit dem Schiff oft zu lange. Da ist der Helikopter schneller – und unterm Strich mitunter auch günstiger.

Deshalb hat hier am Flugplatz Emden nicht nur EnBW ein Büro, sondern etwa auch der Entwickler Omexom – und Freiland hat ein Terminal für Helikopterflüge geschaffen. Acht Helikopter starten von hier aus. Die wichtigsten Kunden sind der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, der Entwickler Omexom, Siemens Gamesa, Ørsted, aber auch EnBW.

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Wartehalle mit Fluganzeige, Sicherheitszonen, Checks und Einweisungen. Alles ist wie an großen Flughäfen, nur in klein. Mit Bussen werden Windrad-Techniker vor dem zweistöckigen Haus am Rand des Flughafens abgesetzt, im Vorraum zeigen Bildschirme die Abflugzeiten an. Es werden Sicherheitsanzüge verteilt, die in den Umkleidekabinen – durchaus mit Mühe – übergestreift werden müssen. Ausgerüstet wie Astronauten gehen Passagiere dann zum Wartesaal, um dort in Sachen Sicherheit unterwiesen zu werden.

Es ist ein spannendes Business, das Freiland hier betreibt. Seine orangen Helikopter, etwa vom Typ Agusta AW139 oder vom Typ Agusta AW 169, sind für alle Stürme gewappnet. Ausgestattet sind die Helikopter mit zwei Turbinen, um in jeder Flugsituation nur ja genügend Reserve zu haben. Fällt eine Turbine aus, kann die andere den kompletten Flug weiterführen. „Power. Power. Power. Das ist das, was diese Helikopter im Wesentlichen ausmacht“, sagt Freiland. Wenn so ein Hubschrauber auf dem Wasser notlanden muss, blasen sich unter seinem Leib „Floats“ auf, schwimmende Airbags. „Selbst wenn es einen Getriebeschaden gibt“, berichtet Freiland, „kann so ein Helikopter noch eineinhalb Stunde lang fliegen. Dann ist das Getriebe am Ende zwar komplett kaputt, aber der Flug kann weiter durchgeführt werden.“ Hersteller ist der italienische Rüstungskonzern Leonardo, zwischen zwölf und knapp 16 Millionen Euro kostet so ein Helikopter.

„Im Hoisten sind wir Weltmarktführer“

Das passende Personal hat Freiland auch. Auf dem Rollfeld begrüßt uns John-Michael Assing, der Pilot. 13 Jahre lang war der Ostfriese bei der Bundeswehr, ein Jahr ist er auch in Afghanistan geflogen. „Wir haben heute Sichtflugwetter mit leichter Bewölkung“, sagt er. „Die Wolken fangen an bei etwa 2000 Fuß, etwa 600 Meter über dem Boden. Es ist etwas windig.“ In Deutschland beschäftigt Freiland etwa 30 Piloten, weltweit etwa 50. Die Trips sind oft kurz, manchmal dauern sie nicht länger als 20 Minuten. Aber jeder einzelne Flug muss einem detailliert festgelegten Protokoll folgen. Wie weht der Wind, wie wird das Wetter? 650 Stunden sind die Maschinen im Jahr im Schnitt in der Luft, zwischen zwölf und 20 Mal starten die Helikopter hier derzeit am Tag.

Technisch, personell, alles ist darauf ausgelegt, bei Wind und Wetter Windkraftspezialisten zu „hoisten“, über eine Seilwinde fünf, sechs Meter aus der Luft auf die Plattformen der Windräder herabzulassen, in die „Hoist Baskets“, und sie später, vor Feierabend, wieder hochzuholen. „Im Hoisten sind wir Weltmarktführer“, sagt Freiland. Stürme können Freilands Helikoptern dabei wenig anhaben. Nur bei Nebel ist ein Start so gut wie unmöglich. „Wir können zehn, elf Tage im Jahr nicht fliegen“, sagt Freiland. Aber: „Bei einem Schiff sind es wegen Wetter und Wellengang 80 Tage, die nicht gefahren werden können“, sagt er. Wir steigen in den Helikopter, setzen die Ohrenschützer auf – und heben ab. Hinter dem Flugplatz grasen Kühe.

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Es ist eine bemerkenswerte Wette, die Freiland mit dem HeliService eingegangen ist. Er wettet darauf, dass auch die Offshore-Windindustrie abhebt, endlich, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Asien, den USA – und dass davon mittelfristig nicht nur die Lieferkette profitiert, sondern eben auch Dienstleister wie sein Helikopterservice. Als wir mit dem Helikopter in Emden starten, ist es Frühling. Die an sich boomende Offshore-Industrie weiß da noch nicht, dass sie auf eine Nebelfront zusteuert.

Freiland, 47, stammt aus dem Süden Deutschlands, lebt heute in München. An der RWTH Aachen hat er Elektrotechnik studiert, später einen MBA gemacht, bei Siemens gearbeitet, bei der Industrie Holding Danaher, auch bei Roland Berger. Lange hat er nach einem Unternehmen gesucht, das er würde kaufen können. Gemeinsam mit seinem Mitgesellschafter Hans-Peter Kauderer und dessen Volartus GmbH hat er HeliService 2016 gekauft, mit damals knapp 60 Mitarbeitern – und ausgebaut. „Jetzt sind wir in der sehr privilegierten Lage, dass wir in einer Industrie arbeiten, die ein prognostiziertes Wachstum hat für die nächsten 15, 20 Jahre“, sagt Freiland. 29 Windparks mit einer Kapazität von 8,3 Gigawatt gibt es bisher in der deutschen Nord- und Ostsee. Bis 2030 sollen es 30 Gigawatt Leistung sein, 70 Gigawatt bis 2045. Die Niederlande, Dänemark, Frankreich: Alle haben ähnliche Ambitionen, bis 2030 soll die Kapazität in der Nordsee auf 120 Gigawatt anwachsen. Großbritannien will bis 2030 von derzeit etwa 15 Gigawatt an Offshore-Wind-Kapazität auf 50 Gigawatt kommen, und die die Amerikaner von fast null auf 30 Gigawatt.

Expansion in die USA

Für Dienstleister wie HeliService bietet der Offshore-Ausbau deshalb erhebliche Chancen. Denn sobald ein Windpark gebaut wird, kommen die Helikopter ins Spiel. „Dann fliegen wir zu den Errichterschiffen“, sagt Freiland. „Die sind teuer. Das ist das Kapital, das wörtlich im Wasser steht. Die Kritikalität, dass der Windpark zum versprochenen Zeitpunkt fertiggestellt wird, ist so enorm wichtig, dass man beim Transport von Personal fast nur auf Helikopter setzt. Das muss einfach funktionieren.“ Später, wenn die Windparks in Betrieb sind, fliegt Heliservice Personal vor allem zur Routinewartung oder zum Noteinsatz – wenn eine Turbine steht.

Sieben Büros hat HeliService jetzt, zum Teil mit Partnerunternehmen: in Deutschland, in England, in den USA, in Taiwan, im Nahen und Mittleren Osten, 240 Mitarbeiter insgesamt, 58 Millionen Euro Umsatz im Jahr. „Ende diesen Jahres werden wir weniger als 50 Prozent des Umsatzes in Deutschland machen“, sagt Freiland. Er beobachtet genau, was in Nord- und Ostsee, in Deutschland, geschieht. Aber bis sich der Offshore-Boom in Europa bei ihm bemerkbar macht, bemerkte er im vergangenen Sommer, werde es dauern. Wachstum für Helikopterflüge erwarte er eher in den USA und in Taiwan. In Quonset im US-Bundesstaat Rhode Island und auf der Prominenteninsel Martha’s Vineyard in Massachusetts haben sie jetzt mit dem Schwesterunternehmen HeliService USA Büros aufgemacht. „Wir sind unseren Kunden gefolgt“, schildert Freiland. Sie haben Verträge mit General Electric und mit Ørsted.  Seit Juli hat er drei Helikopter in den USA, Investitionsvolumen jeweils 12 Millionen Euro. 36 Millionen Euro Kapital, mit Werkzeugen, Einrichtung und Hochlaufkosten sogar 42 Millionen. „Für einen Mittelständler ist das erheblich“, betont er.

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