Immobilien Die Krise am Wohnungsbau in drei Grafiken

Quelle: imago images

Baukosten und hohe Zinsen bereiten den Immobilienentwicklern Probleme. So brach die Zahl der Baugenehmigungen zuletzt stark ein. Die Wohnungsnot könnte sich so weiter verschärfen.

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Die Wohnbaukrise in Deutschland droht sich drastisch zu verschärfen. Von Januar bis Juli wurde der Bau von 156.200 Wohnungen bewilligt – 27,8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Im Juli lag die Zahl der bewilligten Wohnungen bei 21.000, ein Rückgang um fast ein Drittel (31,5 Prozent) gemessen am Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte.

Im April hatte es mit 31,9 Prozent den stärksten Einbruch seit mehr als 17 Jahren gegeben. Das Ifo-Institut geht davon aus, dass die Zahl der fertiggestellten Wohnungen bis 2025 kontinuierlich auf nur noch 200.000, davon 175.000 in neuen Wohngebäuden, fallen wird. Als Ursache für den heftigen Rückgang machen die Experten die steigenden Baukosten und die zunehmend schlechteren Finanzierungsbedingungen aus. Diese beiden Faktoren in Verbindung mit der gesunkenen Nachfrage bringen nun immer mehr Immobilienentwickler in die Bredouille.

Bei Einfamilienhäusern gab es in den ersten sieben Monaten einen Rückgang der Genehmigungen um 36,5 Prozent auf 30.800. Bei den Zweifamilienhäusern gab es sogar ein Minus von 53,2 Prozent auf 8900. Auch bei der Gebäudeart mit den insgesamt meisten Wohnungen, den Mehrfamilienhäusern, verringerte sich die Zahl der Genehmigungen deutlich – und zwar um 27,5 Prozent auf 83.600. Nur bei Wohnheimen gab es ein Zuwachs.



Gestiegene Baukosten und weniger staatliche Förderung

Die Ampel-Koalition setzte sich zu Beginn der Legislaturperiode das Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, ein Viertel davon als Sozialwohnungen. Die neuen Berechnungen zeigen: Das Ziel rückt in weite Ferne. Baukosten und gestiegene Zinsen seien nur ein Grund für den Rückgang im Wohnungsbaubereich. Bereits zu Beginn des vergangenen Jahres warnten Experten davor, dass die Wohnungsbauziele zu hochgesetzt seien und die Ausweitung des Sozialwohnungsbaues nicht finanzierbar sei. 



Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie erwartet, dass dieses Jahr maximal 250.000 Wohnungen fertig werden. Und der Branchenverband ZIA geht davon aus, dass 2025 rund 700.000 Wohnungen fehlen werden.

2022 waren 295.300 Wohnungen fertiggestellt worden. Schon dieses Jahr wird diese Zahl laut Ifo-Prognose auf 275.000 fallen, 2024 dann auf 235.000.

Stetig steigende Bauzinsen

Seit Januar 2022 sind die Bauzinsen für Immobiliendarlehen stetig gestiegen. Vor knapp einem Jahr lag der durchschnittliche Zinssatz bei einer Sollzinsbindung von 10 Jahren bei 2,79 Prozent. Im Juni 2023 lag der Zinssatz bei 3,9 Prozent. Für viele Menschen rückt damit der Traum vom Eigenheim in die Ferne – sie können sich die Finanzierung des Kredites nicht mehr leisten.



Ein Grund für die steigenden Bauzinsen ist schnell gefunden: Aufgrund der hohen Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) eine politische Vollbremsung hingelegt. Sie straffte ihre Geldpolitik und hob den Leitzins an. Das Resümee: Die Finanzierung brach in kürzester Zeit ein.

Nach der erneuten Zinsanhebung durch die EZB in der vergangenen Woche befürchtet die deutsche Bau- und Immobilienwirtschaft eine Verschärfung der Krise. „Die Erhöhung der Zinsen wird die Rezession am Bau weiter anheizen, da Finanzierungskosten steigen und Bauen weiter verteuert wird“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, der Nachrichtenagentur Reuters.

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Neben den hohen Zinsen und den gestiegenen Baukosten spielt auch die Einstellung von Förderprogrammen eine Rolle. Anfang Januar 2022 gab Robert Habeck (Grüne) den frühzeitigen Stopp für die KfW55-Förderung bekannt. Damit wurden Bauvorhaben subventioniert von Häusern, die nur 55 Prozent an Energie verglichen mit normalen Häusern verbrauchen. 

Das Ende des Programms war zwar bekannt, doch Bauherren und Bauherrinnen gingen davon aus, dass sie ihre Anträge noch bis Ende Januar einreichen können. Die Fördergelder waren allerdings deutlich früher aufgebraucht, Habeck sah keine andere Möglichkeit, als das Programm vorzeitig zu beenden. Ende Juli 2022 dann die nächste Ankündigung: Anstatt Neubauförderung soll die energetische Sanierung von Gebäuden gestärkt werden.

„Wohnungsbauprojekte haben sich durch die deutlich gestiegen Baukosten und die stark erhöhten Zinsen enorm verteuert“, sagte Ifo-Experte Ludwig Dorffmeister. „Gleichzeitig gab es eine kräftige Reduzierung bei der staatlichen Förderung. Das zusammen mit anderen, schon länger bestehenden Problemen wie hohen Grundstückspreisen, übermäßiger Bürokratie und kommunalen Auflagen hat das Fass zum Überlaufen gebracht, sodass die Wohnungsbautätigkeit in den kommenden Jahren noch weiter schrumpfen wird.“ Das sei der Grund weshalb bereits seit Monaten die Mehrheit der Bauträger und Bauträgerinnen keine neuen Bauvorhaben anstoßen.



Doch woher kommen die starken Preissprünge? Lieferengpässe, Materialknappheit, gestiegene Energiepreise durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg trieben die Preise wie auch in anderen Sektoren in der Baubranche nach oben. Nahezu alle Baumaterialien waren im Jahresdurchschnitt 2022 noch einmal deutlich teurer als im Vorjahr, als es bereits hohe Preissteigerungen gegeben hatte.

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Vor allem die Materialien, die energieintensiv hergestellt werden, verteuerten sich teils stark. So stiegen die Preise für Flachglas (49,3 Prozent), HDF-Faserplatten (46 Prozent) und Stabstahl (40,4 Prozent) in die Höhe.

Insgesamt verteuerten sich die Preise für den Neubau von Wohngebäuden im Jahresdurchschnitt 2022 um 16,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr – so hoch wie seit Beginn der Erhebung im Jahr 1958 nicht mehr. Nahezu in allen Bereichen kletterten die Preise. Dämm- und Brandschutzarbeiten an technischen Anlagen kosteten 27,2 Prozent mehr als im Jahresdurchschnitt 2021, Verglasungsarbeiten waren 21,2 Prozent teurer als ein Jahr zuvor – Metallbauarbeiten 20,7 Prozent und Stahlbauarbeiten 19,8 Prozent.

Dramatischer Einbruch bei den Baugenehmigungen

Erst Ende Mai hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch das Bauziel von 400.000 neuen Wohnungen erneut bekräftigt: „Auch wenn die Zeiten gerade sehr stürmisch sind, was dieses Ziel betrifft, wir lassen davon nicht ab, auch nicht angesichts der gestiegenen Zinsen.“ Bauministerin Klara Geywitz macht sich für mehr preiswerten Wohnraum stark. Doch mit dem weiterhin starken Rückgang der Baugenehmigungen rückt das Ziel weiterhin in die Ferne.

„In allen Bereichen stürzen die Zahlen ins Bodenlose“, sagte BFW-Präsident Dirk Salewski nach dem starken Einbruch im April. Förderprogramme, realistische Standards ohne Abstriche bei Qualität, Sicherheit und Klimaschutz sowie das Aussetzen der Grunderwerbsteuer bei Ersterwerb seien der Ausweg aus der Bauflaute.

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Der Bundesverband Freier Immobilien und Wohnungsunternehmen (BFW) sprach von einem drastischen Rückgang der Baugenehmigungen. „Heute nicht genehmigt, heißt in den kommenden Jahren nicht gebaut. Wo sollen die fehlenden bezahlbaren Wohnungen denn herkommen?“, fragte BFW-Präsident Dirk Salewski und warnte: „Das hat viele negative soziale Effekte, auch weil der Wohnungsmangel uneinholbar weiter wächst“. Um den Wohnungsbau anzukurbeln, brauche es staatliche Bürgschaften, um normalverdienende Familien beim Kauf von Eigentum zu unterstützen, auskömmliche Förderprogramme und ein Aussetzen der Grunderwerbsteuer bei Ersterwerb von Immobilien.

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Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals im Juni 2023 auf wiwo.de, wir haben ihn aktualisiert.

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