Patentstreit mit Biontech Curevac muss schlauer werden!

Curevac muss im Wettstreit mit Biontech zulegen. Quelle: imago images

Biontech trägt den Patentstreit der beiden deutschen Pharmagiganten um die mRNA-Technologie in die USA. Auf diesen cleveren Schachzug hätte der Gegner Curevac auch selbst kommen können. Ein Kommentar.

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Ist der Tübinger Biotechkonzern Curevac ein schlechter Verlierer im Wettrennen um den Corona-Impfstoff? Oder hätte auch der Mainzer Konkurrent Biontech seinen erfolgreichen Impfstoff ohne die Forschungsleistung des Curevac-Teams um Ingmar Hoerr nicht erfolgreich entwickeln können? Das muss jetzt ein Gericht entscheiden. Es geht um einen möglicherweise zweistelligen Milliardenbetrag, von dem ein Fünftel in die deutsche Staatskasse fließen würde. Entsprechend hoch sollte das öffentliche Interesse an der Klage sein. Doch schon bevor die Gegner auch nur einen Tag im Gericht standen, steht schon fest: In der Prozessstrategie hat Curevac nicht die Nase vorn.

Weniger als drei Wochen, nachdem Curevac am Düsseldorfer Landgericht die Klage auf Schadensersatz eingereicht hat, dreht Biotech den Spieß um: Gemeinsam mit dem Partner Pfizer klagt das Unternehmen vor dem US-Gericht in Massachusetts auf Feststellung, dass es die Patente von Curevac nicht verletzt.

Ein schlechter Verlierer?

Damit genießt Biontech in den USA den First-Mover-Vorteil. Sie konnten sich nicht nur mit Massachussetts ein Gericht aussuchen, dass Patentverletzungen gegenüber relativ milde gestimmt ist. Für Curevac wären patentinhaberfreundliche Gerichte wie Delaware oder New York besser gewesen. Biontech darf jetzt obendrein im Prozess vor den US-Geschworenen als Erster seine Sicht der Dinge vortragen – ein wichtiger strategischer Vorteil. Schon in der Klageschrift stellt das Unternehmen Curevac als schlechten Verlierer da.

Es bleibt zu fragen, warum Curevac in einer derart internationalen Angelegenheit nicht selbst auf die Idee gekommen ist, ihre Klage nicht nur in Deutschland, sondern zeitgleich auch in den USA und anderen Jurisdiktionen wie etwa den Niederlanden anzustrengen. Curevac betont schließlich, dass es ihnen nicht um einen Produktionsstopp des Impfstoffes geht, sondern allein um Schadenersatz, vielmehr eine faire Kompensation.

Milliardenurteile nur in den USA

Gewiefte Rechtsabteilungen wissen, dass deutsche Gerichte sich bestens eignen, um mit schnell angeordneten Produktionsstopps so viel Druck aufzubauen, dass Patentverletzer schnell Lizenzen nehmen. Die Telekommunikationsbranche exerziert das mit ihren Klagen gegen die Autoindustrie gerade vor. 

Will man hingegen größtmöglichen Schadensersatz erstreiten, ist man in den USA viel besser aufgehoben: Hier verdreifacht ein Richter sogar gern einmal die Strafe, wenn sich Vorsatz nachweisen lässt. Während in Deutschland Millionen-Urteile oft das Höchste der Gefühle sind, sprechen US-Gerichte ohne mit der Wimper zu zucken Milliardenstrafen aus.

Wollte Curevac Geld sparen, so war das sicher am falschen Ende gespart. Die teuren US-Gerichtskosten muss das Unternehmen jetzt ohnehin bezahlen. Wenn es sich nicht verteidigt, erhält Biontech in den USA automatisch Recht. Düsseldorf mag schneller urteilen. Ein erstes Urteil ist in gut einem Jahr zu erwarten. Aber selbst wenn Curevac hierzulande Recht bekäme, dürften die Tübinger dieses Urteil vor den US-Geschworenen nicht erwähnen. Das würde als nicht erlaubte Beeinflussung der Jury ausgelegt.

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Noch ist es zu früh, um einzuschätzen, ob Curevac mit seinem Vorwurf Recht haben könnte, dass der von Biotech und dem US-Pharmakonzern Pfizer gemeinsam entwickelte Impfstoff Comirnaty ihre Patente nutzt. Möglich ist es: Durch den hohen Zeitdruck blieb vielleicht nicht die Zeit, Patentverletzungen geschickt zu umgehen. Aber mit ihrem kurzsichtigen, national ausgerichteten Eröffnungszug in einem internationalen Rechtsstreit hat Curevac einen wichtigen Vorteil aus der Hand gegeben.

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