Showdown in Solarindustrie Deshalb stellt Meyer Burger die Produktion in Sachsen ein

Solarkonzern Meyer Burger: Am Standort Freiberg sind 500 Arbeitskräfte beschäftigt. Quelle: dpa

Sie hatten damit gedroht. Jetzt ist es soweit. Weil die Ampel diese Woche keine Subventionen beschlossen hat, zieht der Schweizer Zell- und Modulhersteller Konsequenzen. Es ist ein allerletzter Versuch, Druck auszuüben.

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Es ist der wohl allerletzte Versuch von Meyer-Burger-Chef Gunter Erfurt, die Ampel, vor allem die FDP, noch zur Umkehr zu bewegen. Am Freitagmorgen hat der Schweizer Zell- und Modulhersteller per Ad-Hoc-Mitteilung verkündet, „in der ersten Märzhälfte“ seine Produktion von Solarmodulen in Freiberg in Sachsen einstellen zu wollen. Damit soll die Schließung der Fabrik mit rund 500 Mitarbeitern vorbereitet werden.

Gleichzeitig gab das Unternehmen Fortschritte bei seiner Expansion in die USA bekannt. Dort sollen im Lauf dieses Jahres zwei Werke in Betrieb gehen – eins in Arizona, eins in Colorado – unterstützt von den Subventionen des Inflation Reduction Acts (IRA) von US-Präsident Joe Biden. Meyer Burger, hieß es am Freitagmorgen, haben für diesen Schritt von der Bundesregierung eine Exportkreditgarantie in Höhe von 95 Millionen Dollar erhalten. Diese gilt gegenüber einer Geschäftsbank. Für Mitte März hat Meyer Burger eine außerordentliche Generalversammlung einberufen, die eine Bezugsrechtsemission in Höhe von 200 bis 250 Millionen Schweizer Franken genehmigen soll.

Auch weitere Finanzierungsmöglichkeiten will das Unternehmen sich erschließen. Allerdings hat Meyer Burger auch bekannt gegeben, „bestimmte Investitionen“ in Zusammenhang mit der geplanten Solarzellenfabrik in Colorado Springs im US-Bundesstaat Colorado Springs „so lange nicht zu tätigen, wie Unsicherheiten bezüglich der Verfügbarkeit und der erfolgreichen Umsetzung der zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten bestehen.“

FDP sträubt sich gegen Subventionen

Die Ankündigung Meyer Burgers ist eine direkte Reaktion auf die bisherige Weigerung der Ampel in Berlin, den Herstellern von Solaranlagen in Deutschland und Europa Subventionen zu gewähren. In dieser Sitzungswoche sollte der Bundestag ursprünglich das so genannte „Solarpaket I“ verabschieden, ein Bündel von Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus der Fotovoltaik in Deutschland. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) hatte darauf gedrungen, in dieses „Solarpaket“ eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu integrieren, die einen so genannten „Resilienzbonus“ enthalten sollte.

Dieser Bonus sollte die Einspeisevergütung für Betreiber von Solaranlagen erhöhen, die Produkte „Made in Europe“ kaufen – und zwar um bis zu 3 Cent pro Kilowattstunde. Dadurch sollte der Kauf europäischer Produkte – im Vergleich zu derzeit extrem günstigen chinesischen Produkten – angereizt werden. Profitiert hätten unter anderem Unternehmen wie Meyer Burger, aber etwa auch der Dresdner Modulhersteller Solarwatt oder das Chemnitzer Unternehmen Heckert Solar. Alle Unternehmen hatten im vergangenen Jahr mit den niedrigen Preisen der chinesischen Hersteller zu kämpfen und ihre Produktion gedrosselt. Meyer Burger hatte im Januar ultimativ angekündigt, in der zweiten Februarhälfte zu entscheiden, ob das Modulwerk in Freiberg geschlossen werde. Angesichts der Landtagswahl in Sachsen im September ist eine Werksschließung dort politisch besonders heikel.

Es wird weiter verhandelt

Der Koalition in Berlin ist es diese Woche nicht gelungen, sich auf den Resilienzbonus zu einigen. Die SPD-Fraktion im Bundestag hatte darauf gedrungen, ebenso weite Teile der Grünen. Wirtschafts- und Klimaministerium Robert Habeck (Grüne) hatte Anfang der Woche noch einmal seinen Willen bekundet, die Solarindustrie in Deutschland zu retten. Die FDP hatte schon im Januar gesagt, dass sie den Resilienzbonus ablehnt. Sie hatte, wenn überhaupt, so genannte Resilienzausschreibungen favorisiert – Ausschreibungen für Solarparks, um einen marktlichen Aspekt der Förderung zu bewahren.

Meyer Burger hätte davon allerdings vorerst nichts, weil das Unternehmen vor allem Module für Dachanlagen erzeugt. In den Verhandlungen auf Fraktions- und Regierungsebene ist die FDP offenbar bislang bei ihrer Position geblieben. Im Ergebnis bedeutet das, dass es keine Entscheidung für einen Resilienzbonus gibt. Ob der Bonus jemals kommt, ist dadurch nicht an sich ausgeschlossen. In Berlin heißt es, man verhandele weiter. Theoretisch denkbar ist noch eine politische Einigung in der kommenden Woche und eine gesetzliche Umsetzung im März.

Deshalb ist die jetzige Verkündung Meyer Burgers auch ein – vielleicht letztes – Manöver in diesem politischen Ringen um Subventionen. Die Botschaft lautet: Wir schließen, das ist keine leere Drohung. Könnt Ihr Euch das politisch wirklich leisten?

Nein, meint Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Es ist unerträglich, dass trotz Solar-Boom die deutsche Industrie so in Bedrängnis gerät“, kritisiert Kretschmer. Die Ministerpräsidenten hätten einen konkreten Vorschlag für den Schutz der heimischen Wirtschaft unterbreitet. „Die Bundesregierung muss sich beim rettenden Resilienzbonus jetzt einigen“, fordert Kretschmer. „Das Investment von 130 Millionen Euro von Meyer Burger in Freiberg und viele Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel“, warnt der Ministerpräsident. „Die USA haben den Markt für chinesische Solarpanele geschlossen. Deshalb wird Europa aktuell mit einer Überproduktion von Solarmodulen zu Dumpingpreisen geflutet“, erklärt Kretschmer: „Sowohl die Niedrigpreise aus China als auch die Handelsblockade der USA sind Ursache der Krise. Das ist kein fairer Umgang unter Handelspartnern.“

Lobbyschlacht in der Solarindustrie

Die Auseinandersetzung um die Resilienzboni hatte in den vergangenen Wochen auch zu einer erbittert ausgefochtenen Lobbyschlacht innerhalb der Solarindustrie geführt. So genannte „Downstreamer“, Unternehmen, die den Verkauf, die Vermietung und die Installation von Solaranlagen oder kompletten Energiesystemen anbieten, hatten sich vehement gegen die Einführung des Resilienzbonus gewehrt, allen voran das Berliner Unternehmen Enpal und das Hamburger Start up 1Komma5°. Sie fürchten, dass eine Änderung der Preisstruktur bei Anlagen bei Kunden zu abwartendem Verhalten führt, damit zu Auftragseinbrüchen und am Ende Arbeitsplatzverlusten. Enpal hat auch damit gedroht, Investitionen in Deutschland zurückzufahren, ohne jedoch das genaue Volumen zu spezifizieren. 1Komma5° hat angekündigt, den Bundesverband Solarwirtschaft verlassen zu wollen. Stand jetzt haben sich diese Unternehmen mit ihren Argumenten durchgesetzt.

Für Meyer Burger geht es allerdings nicht nur um den Standort Deutschland. Das hat die Ad-Hoc-Meldung am Freitagmorgen verdeutlicht. Sondern es geht auch um die Ausbaupläne in den USA, die für das Unternehmen die Rettung bedeuten sollen. Im Januar hatte Erfurt für 2023 einen Verlust (Ebitda) von 135 Millionen Euro bei 144 Millionen Euro Umsatz vermeldet. Die in der Schweiz gelistete Aktie stürzte schon da ab, am Freitagmorgen stürzte sie auf zwischenzeitlich auf einen Wert von 8 Eurocent. 449 Millionen Euro, rechnet Erfurt, seien nötig, um alle nötigen Investitionen – vor allem in den USA – zu tätigen und das Unternehmen auf Kurs zu bringen. In Colorado Springs soll eine Solarzellenfabrik entstehen, in Goodyear in Arizona eine Modulfabrik. Beide sollen 2024 in Betrieb gehen. Solange in Colorado noch nicht die benötigte Kapazität an Zellen hergestellt werden kann, sollen die aus dem deutschen Werk in Bitterfeld in Sachsen-Anhalt geliefert werden. Auch Forschung und Anlagenbau in Hohenstein-Ernstthal in Sachsen sollen vorerst weiter betrieben werden.

Für den Schritt in die USA ist die Kreditbürgschaft der Bundesregierung von zentraler Bedeutung. Denn sie sichert den Export von Anlagen in die USA. Dass das US-Geschäft – subventioniert über den Inflation Reduction Act – künftig für Meyer Burger zentral sein soll, damit machte Gunter Erfurt auch in der Ad-Hoc-Mitteilung keinen Hehl. „Die stärkere Fokussierung auf unser US-Geschäft macht uns unabhängig von politischen Entscheidungen in Europa“, sagte er.

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Der in Wien lebende russische Investor Pjotr Kondraschew hält über seine Investmentfirma Sentis Capital rund zehn Prozent der Aktien; der US-Investor BlackRock rund fünf Prozent.

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