Das TikTok-Gesetz, das das amerikanische Repräsentantenhaus am Mittwoch mit großer Mehrheit verabschiedete, droht schnell im Machtkampf zwischen Donald Trump und Joe Biden zerrieben zu werden. Die Sorge hinter dem Gesetz aber sollte uns auch in Deutschland stärker umtreiben.
Die US-Repräsentanten wollen den chinesischen Betreiber Bytedance zwingen, sein amerikanisches TikTok-Geschäft an einen nicht-chinesischen Betreiber zu verkaufen. Falls Bytedance sich weigert, würde die App in den USA verboten. Viele wittern dahinter den Versuch, mehr Geschäft für Facebook- und Instagram-Betreiber Meta zu generieren. Doch das ist zu kurz gedacht. In Wirklichkeit geht es um die hochgeheimen Algorithmen, die entscheiden, welche Inhalte als nächstes ausgespielt werden. Dieses Programm macht die eigentliche Sogwirkung der Plattform aus. Sie gehören nicht etwa TikTok selbst, sondern der Mutter Bytedance.
Seit zwei Jahren verhandelt TikTok mit dem Komitee für Auslandsinvestitionen in den Vereinigten Staaten, wie sichergestellt werden kann, dass der Code nicht unbemerkt verändert werden kann. Das soll der Gefahr vorbeugen, dass TikTok plötzlich bevorzugt chinesische Propaganda-Botschaften etwa zu den US-Wahlen oder zu Taiwan priorisiert an das amerikanische Publikum ausspielen könnte. Wie die „New York Times“ berichtete, werden die Algorithmen von Software-Ingenieuren entwickelt, die direkt für Bytedance in Laboren in Peking, Singapur und dem kalifornischen Mountainview arbeiten.
TikTok selbst schlug unter dem Namen „Projekt Texas“ einen Überprüfungsprozess vor, der sehr an den Deal erinnert, den Huawei in Deutschland mit dem BSI geschlossen hat: Der TikTok-Code soll von US-Stellen inspiziert und auseinandergenommen werden. Dabei würde Oracle und eine weitere dritte Partei den Bytedance-Quellcode zertifizieren. Auf Oracle-Servern würden auch die Daten der US-Nutzer innerhalb der USA verbleiben.
Doch den Experten der Biden-Regierung ist das nicht sicher genug: Sie befürchten, dass auch versierte Fachleute bei Inspektionen minimale Veränderungen im Code in Echtzeit nicht aufdecken könnten – geschweige denn, welche Veränderung beim Abspielverhalten sie auslösen würden.
China hat sich sogar schon eine Abwehrstrategie überlegt, um sich einer möglichen amerikanischen Gesetzesänderung gewichtig entgegenstellen zu können: Die Regierung in Peking erließ ein Gesetz, das eine behördliche Überprüfung anordnet, ehe die Algorithmen von Bytedance an Dritte lizensiert werden dürfen. So könnte China dafür sorgen, dass US-TikTok ohne den allentscheidenden Code verkauft werden müsste, der die Plattform den Angeboten von Mark Zuckerbergs Meta überlegen macht.
Wie ein Ferrari ohne Motor
Genau das will auch das Repräsentantenhaus mit seiner Gesetzesinitiative verhindern. Die Frage ist, wie attraktiv TikTok bleiben würde ohne den magnetischen Algorithmus. Die New York Times beschwört das Bild eines Ferrari ohne den legendären Motor hoch.
Dieselben Algorithmen entscheiden auch in Deutschland, welches Video die TikTok-Nutzer als nächstes ansehen. Die Frage wird immer entscheidender, weil sich die auf der Plattform dargebotenen Inhalte immer mehr von harmlosen Tänzchen wegbewegen und mehr Nachrichtengehalt transportieren. Wie groß das Potential ist, über Social Media Wahlausgänge zu manipulieren, stellte Facebook schon 2016 unter Beweis. Damals hegte die Plattform selbst keine antidemokratischen Absichten. Würde TikTok auf Anweisung der chinesischen Regierung ihre Algorithmen optimieren müssen, käme das einer Massen-Gehirnwäsche in westlichen Demokratien gleich.
Die wieder aus dem öffentlichen Interesse schwindende Debatte über Huawei-Ausrüstung in den deutschen 5G-Mobilfunknetzen zeigt, dass hierzulande wenig Bewusstsein herrscht für potenzielle Gefahren für die nationale Sicherheit, solange alles einwandfrei läuft. Die TikTok-Debatte muss auch in Deutschland dringend angestoßen werden.
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