Nationale Sicherheit Der Bundeswehr-Messenger und das Huawei-Risiko

Quelle: Marcel Reyle

Die Bundesregierung bietet Soldaten und Bundesbeamten eine Messenger-App – und lässt diese auch über Huaweis App-Store laufen.  Experten warnen vor einer möglichen Sicherheitslücke, die auch Nato-Partner gefährden kann.

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Seit Dezember steht die Kommunikations-App BundesMessenger für mehr als fünf Millionen Bundesbeamte zur Verfügung. Dabei handelt sich um eine Weiterentwicklung des eigens für die Bundeswehr entwickelten BwMessenger. Den Soldaten und Beamten soll das Tool vor allem Bequemlichkeit bieten. „Mit dem BwMessenger kannst Du dienstlich so kommunizieren, wie Du es privat gewohnt bist“, so das Versprechen der Anbieter. Über den daraus entwickelten Bundesmessenger für die Beamten dichtet das Unternehmen sogar „Souveränität und Sicherheit und Freiheit. Freier Messenger für die öffentliche Hand.“

Doch mit der Bequemlichkeit wird dabei womöglich ein wenig übertrieben. Damit auch wirklich alle Soldaten und Bundesbeamten das Werkzeug privat nutzen können, sind die Apps in den Stores aller gängigen Handyanbieter verfügbar – auch für Huaweis „App Gallery“.

Das Thema, über das das US-Nachrichtenmagazin „Newsweek“ zuerst berichtete, findet in den USA besondere Aufmerksamkeit. Denn vertrauliche, sicherheitsrelevante Gespräche von vier deutschen Generälen über mögliche Lieferungen des Waffensystems Taurus drangen über Webex an die breite Öffentlichkeit. Dabei wurden auch Geheimnisse von Nato-Bündnispartnern Frankreich und Großbritannien offenbart. Die Sicherheitsspezialistin Natalie Vogel vom Center for Intermarium Studies am Institut für Weltpolitik in Washington erklärte gegenüber „Newsweek“: „Die deutsche Regierung wiederholt denselben Fehler wieder und wieder. Sie gefährdet Alliierte, indem sie China Zugang gewährt.“ Sie wundere sich, ob das Verteidigungsministerium überhaupt die Berichte des Verfassungsschutzes über chinesische Spionage-Operationen lese. Aktuell sind 2200 deutsche Soldaten weltweit in Krisengebieten im Einsatz.

„Schlampige Arbeit“

Auch der dänische Telekommunikationsexperte John Strand warnt vor Sicherheitslücken in Deutschland: „Es ist schlampig, eine Kommunikationsapp auf einem chinesischen App-Store anzubieten“, so Strand. 

Zwar scheint das  Leistungsversprechen hinter beiden Apps, die vom bundeseigenen IT-Dienstleister BWI aus Meckenheim bei Bonn entwickelt werden, diese Lücken auszuschließen: Die Kommunikation werde durchgängig verschlüsselt und die Daten ausschließlich auf gesicherten Servern der Bundeswehr gespeichert.

Strand aber warnt, dass App-Stores in der Regel auf eine Überprüfung von Apps bestehen, ehe sie sie listen. Solch ein Zugang könnte Huawei Einblicke in die Verschlüsselungstechnologie gewähren, die auch in den auf den Betriebssystemen von Apple und Google angebotenen Versionen im Einsatz sei. 

Oft würden in solchen Apps zur Ortung des Nutzers ein Softwarepaket der jeweiligen Apps Stores eingebaut – sogenannte „Mobile Services“. Das biete die Möglichkeit, unerkannt zum Beispiel eine Abhörfunktion über das Mikrofon mit einzuschmuggeln.

Das deutsche Verteidigungsministerium betont gegenüber „Newsweek“, dass die im Huawei-Store angebotenen Apps sicher seien. Weder im Verteidigungsministerium noch in der Bundeswehr würden Huawei-Handys dienstlich eingesetzt, so deren Pressestellen auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Welche Geräte und Plattformen dagegen im privaten Leben genutzt würden, könne und wolle das Ministerium nicht bestimmen.

Nur für harmlose Nachrichten?

Auf den privaten Handys – auch über den BwMessenger – sei allerdings nur der Austausch über nicht klassifizierte Inhalte ohne Sicherheitsrelevanz erlaubt – zum Beispiel eine Verabredung zum Mittagessen oder die Öffnungszeiten des Schwimmbads auf dem Kasernengelände. Alle anderen Nachrichten mit höher eingestufter Sicherheitsrelevanz dürften nur auf Diensthandys ausgetauscht werden. Zusätzlich gebe es viele sicherheitsrelevante Bereiche, in die keinerlei Handys mitgenommen werden dürften, egal welcher Hersteller. Grundsätzlich orientiere sich das Verteidigungsministerium an den Vorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). 

Vernetzte chinesische Autos sind stark im Kommen. Die USA prüfen jetzt ihre Datensicherheit. In Europa wäre die Forderung nach Transparenz, was wo gespeichert wird, eine Minimalanforderung für den Marktzutritt.
von Nele Husmann

Das Innenministerium verwies auf Anfrage an das Verteidigungsministerium, weil es sich bei ihrem Produkt um eine Weiterentwicklung des BundeswehrMessengers handele. Dabei ist das von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) geleitete Haus federführend aktiv, Huawei-Technologie aus dem deutschen 5G-Netz zu verbannen.

Der BWI als Lieferant der Apps gibt an, dass der Bundeswehr-Messenger im Huawei-App-Store nur etwa achtmal im Monat heruntergeladen wird, der Bundesmessenger nur etwa fünfmal – Tendenz sinkend: „Für das neue Huawei-Betriebssystem Harmony OS Next, das keine Android-Basis mehr benutzt, wird es keine eigenständige App für Bw und Bundesmessenger mehr geben“, sagt BWI-Pressesprecher Benjamin Walter. Die Apps würden zusätzlich „wie in der Finanzbranche gehärtet“, um Manipulationen und andere Angriffe auf die App abzuwehren: „Sollte eine Manipulation durch den Appstorebetreiber oder andere durchgeführt werden, ließe sich die App nicht mehr auf den Endgeräten nutzen“, so Walter. „Somit bietet der BwMessenger plattformunabhängig ein hohes Maß an Informationssicherheit.“

Emily Harding, eine Expertin beim Center for Strategic and International Studies in Washington, warnt in „Newsweek“: „Soldaten sollten keine Huawei-Telefone benutzen. Punkt.“ Auch mit persönlichen Geräten, die mit in die Kaserne oder gar auf einen Kriegseinsatz gebracht werden, könnten sensible Informationen nach China zurückgechannelt werden. Selbst Lokalisierungsdaten von Beamten seien problematisch, weil sie chinesischen Geheimdiensten erlaubten, Muster über die Lebensführung zu ermitteln und gegebenenfalls Rekrutierungsmöglichkeiten eröffneten.

Huawei betont, dass alle gesetzlichen Bestimmungen und Sicherheitsstandards und -prozesse in Bezug auf das App-Angebot eingehalten werden. Es lägen keine Hinweise auf ein Sicherheitsproblem vor: „Wir sehen keine rationale Grundlage für die Spekulationen des Newsweek-Beitrags“, so ein Unternehmenssprecher.

Im 2017 in China eingeführten Gesetz zum Nachrichtendienst verpflichtet der Paragraf 7 jegliches chinesisches Subjekt, also auch Unternehmen, für den chinesischen Staat Spionagetätigkeiten auszuführen und darüber Stillschweigen zu bewahren. Huawei gibt an, dieses Gesetz gelte nur innerhalb von China und habe keine extraterritoriale Wirkung. Deshalb sei es im Kontext einer deutschen Sicherheitsdiskussion irrelevant.

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In Deutschland ist die Debatte über einen Ausschluss von Huawei-Equipment aus dem 5G-Mobilfunknetz wieder eingeschlafen, nachdem eine Entscheidung zu dem Thema mehrmals verschoben wurde. „In Deutschland scheint man sich des Sicherheitsrisikos, das von Technologie ausgeht, nicht bewusst zu sein“, sagt Strand. Denn Huawei-Technologie wurde zusätzlich auch für die Kommunikationssysteme der Deutschen Bahn bestellt. „Es ist so, als ob aus dem Debakel um die Nord-Stream-Pipelines und das russische Gas keinerlei Lehren gezogen werden“.

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