Die Personaler von Delivery Hero in Berlin dürften höchst verblüfft gewesen sein, als die EU-Kommission vor fünf Monaten ausgerechnet in ihrer Abteilung eine Razzia machte. Die Kartellwächter suchten nicht nur nach Hinweisen darauf, dass der Essenslieferdienst sich mit seinen Konkurrenten bestimmte Regionen aufgeteilt hatte. Sie interessierten sich ebenso für mögliche Absprachen in der Branche, sich einander keine Mitarbeiter abzuwerben oder nur ein bestimmtes Gehalt zu zahlen.
„Auch der Austausch über Honorare freier Mitarbeiter ist unzulässig“, betont Anwalt Paul Drößler von der Kanzlei Rocan. Schon 2016 mussten die Fernsehstudiobetreiber Bavaria, Studio Berlin Adlershof und Studio Berlin Broadcast dafür 3,1 Millionen Euro Geldbuße zahlen.
Immer öfter nehmen die Kartellbehörden nicht nur Vertriebler oder Einkäufer, die heimlich Preise verabreden oder Kunden und Gebiete aufteilen, sondern auch Techniker, Ingenieure, Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung oder eben Personaler in den Blick. In Zeiten des Fachkräftemangels sind Personalabteilungen verleitet, Absprachen auf Kosten von Mitarbeitern zu treffen – und Ingenieure knüpfen firmenübergreifende Kooperationen.
Zur Methode
Das Handelsblatt Research Institute (HRI) fragte über 5200 Juristen aus 246 Kanzleien nach ihren renommiertesten Kollegen für Kartellrecht und Mergers & Acquisitions (M&A). Die Jury wählte dann aus: im Kartellrecht 43 Kanzleien mit 82 Anwälten, bei M&A 53 Kanzleien mit 93 Juristen. Die Juroren: Jan Eckert (ZF-Friedrichshafen), Bettina Holzwarth (Bosch), Sebastian Lochen und Martin Schlag (beide Thyssenkrupp), Achim Schunder (C.H. Beck), Mathias Traub (Bosch), Claas Westermann (RWE).
Meist bemerken sie dabei gar nicht, dass sie mit dem Kartellrecht in Konflikt geraten. „Die Arbeitgeber haben es meist ebenso wenig auf dem Radar“, sagt Kartellrechtler Thorsten Mäger von Hengeler. Erst wenige Firmen haben ihre Leute schulen lassen, weiß Kaan Gürer von Linklaters. Damit sie ihnen keine Millionenbußen einbrocken. Und damit sie deren Schulung zur eigenen Verteidigung vorbringen können. Denn: „Am Ende haftet der Unternehmenslenker für Kartellabsprachen der Mitarbeiter, auch wenn er sie nicht mitbekam – eben weil er sich nicht darum gekümmert hat“, warnt Jurist Sascha Dethof von Fieldfisher.
Dieses Risiko aber steigt, „seit Unternehmen öfter Kooperationen eingehen, um Herausforderungen wie die Energiewende gemeinsam zu stemmen und sich Techniker und Ingenieure über Innovationen austauschen“, sagt Gürer. So mussten BMW und VW vor drei Jahren 875 Millionen Euro Buße zahlen, weil ihre Ingenieure zwischen 2009 und 2015 eine fixe Größe für AdBlue-Tanks zur Abgasreinigung verabredet hatten. Der Vorwurf: Dem Kunden sei die Auswahl genommen worden. Daimler kam um 727 Millionen Euro Buße herum, weil der Konzern alles dem Bundeskartellamt verriet – und als Kronzeuge die Beweise lieferte.
Durchsuchungen wie in Berlin nach verbotenen Abwerbevereinbarungen oder Absprachen, um Gehälter zu drücken, werden zunehmen, erwartet Dethof. In vielen anderen Ländern wie etwa den USA, aber auch Polen oder der Türkei wurden wegen solcher Absprachen längst Millionenbußen verhängt. In Deutschland haben die wenigsten Personaler das mitbekommen. Mäger erlebt immer wieder, wie überrascht sie sind, wenn sie hören, dass das überhaupt verboten ist.
Auf den folgenden Seiten finden Sie die Tabellen mit den renommiertesten Kanzleien und Anwälten für Kartellrecht sowie für M&A.