Personalmangel So verhandeln Chefs erfolgreich, obwohl der andere am längeren Hebel sitzt

Der Wunsch nach weniger Arbeitszeit wächst und wächst. Quelle: imago images

Der Management-Moment der Woche und was sich aus ihm lernen lässt: Die Rufe nach weniger Arbeit und mehr Lohn werden lauter. Kürzlich streikten Fahrer bei Lieferando, demnächst womöglich Bauarbeiter. Wie Chefs erfolgreich verhandeln.

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Das ist passiert

Pünktlich zum Tag der Arbeit legten Fahrerinnen und Fahrer beim Essenslieferdienst Lieferando die Arbeit nieder. Sie streikten für mehr Geld und eine Tarifbindung. Auch deutsche Baustellen könnten bald stillstehen. Die Arbeitgeberverbände von Bauindustrie und -gewerbe haben den vor zwei Wochen ergangenen Schlichterspruch abgelehnt. Die Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG BAU) hatte für diesen Fall Streiks angekündigt

Beide Branchen klagen ohnehin über Personalmangel – und stehen damit symbolisch für die hiesige Wirtschaft: Mehr als 1,7 Millionen Stellen sind in Deutschland derzeit unbesetzt. Die Arbeitnehmer sitzen in Tarifverhandlungen, Jahresgesprächen und Gehaltsverhandlungen heute oft am längeren Hebel. Führungskräfte müssen sich da fragen: Wie verhandle ich erfolgreich in der schlechteren Position? Schließlich können sie in wirtschaftlichen schwierigen Zeiten nicht jede Forderung akzeptieren.

Das lässt sich daraus lernen

1. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter erkunden

Katharina Weber weiß, dass es sich Manager heute nicht erlauben können, bei Verhandlungen mit Mitarbeitern oder dem Betriebsrat zu sagen: „Nein, geht nicht“. Schließlich könnten die guten Leute heute einfacher wechseln als früher. Weber leitet die Beratung Negotiation Advisory Group und unterstützt mit ihren Kolleginnen und Kollegen auch Personalabteilungen und Manager in den Verhandlungen mit Betriebsräten.

Umso wichtiger ist: die richtige Reaktion. Weber beobachtet, dass sich viele Führungskräfte zu sehr auf eine konkrete Forderung fokussieren. Und diese dann abschmettern oder abnicken. „So schmeißen die Verantwortlichen die Tür zu einer Verhandlung zu, obwohl die Verhandlung nicht mal begonnen hat“, sagt Weber. „Wir empfehlen stets, die Bedürfnisse des Gegenübers zu verstehen, die der Forderung zugrunde liegen.“ Wenn ein Mitarbeiter also eine Viertagewoche fordert, helfe es zu fragen, wofür er die freie Zeit nutzen möchte. Freizeit? Pflege von Angehörigen? Ehrenamt? „Und vielleicht muss es dann gar nicht die Viertagewoche sein, sondern man einigt sich auf flexiblere Arbeitszeitregelungen, mehr Homeoffice oder eine nicht ganz so starke Arbeitszeitverkürzung“, sagt Weber.

Wer die Forderung hinterfragt, sollte das verständnisvoll tun. Also etwa fragen: „Ich habe deine Position verstanden, erläutere doch bitte mal, warum dir eine Viertagewoche helfen würde? Was ist dir daran besonders wichtig?“

2. Den Kuchen nicht aufteilen, sondern vergrößern

Häufig zeigte sich laut Weber in solchen Gesprächen, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, die beiden nutzen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Statt den redensartlichen Kuchen aufzuteilen, sollte das Ziel sein, den Kuchen für alle zu vergrößern. Ein Beispiel: „Womöglich wäre es bei Lieferando sinnvoll, die Mitarbeitenden am Umsatz zu beteiligen. So würden sie finanziell profitieren. Und das Unternehmen könnte womöglich von besserem Service und positiveren Image profitieren.“

Ein weiterer Vorteil: Manager und Führungskräfte verzetteln sich mit solchen Lösungen nicht. Statt sich nur zu fragen, wo die Schnittmengen zwischen den Zielen des Unternehmens und des einen Mitarbeiters, der nun mehr Gehalt fordert, liegen, sei es laut Weber sinnvoll, direkt an die gesamte Belegschaft zu denken. „Die Königsdisziplin ist es, solche Lösungen nicht erst zu finden, wenn Mitarbeiter sie einfordern“, sagt Weber.

„Wenn ein Mitarbeiter nach einer Gehaltserhöhung fragt, ist es auch ratsam, zu klären, wie er in der nächsten Zeit mehr Leistung erbringen könnte“, sagt Weber. Etwa mit Sonderprojekten.

3. Nur nicht einknicken

Die Beraterin rät zu größtmöglicher Transparenz. Statt um die Gehaltserhöhung oder die Viertagewoche zu feilschen, sollten sich Führungskräfte fragen: Was ist die Forderung, die ich gerade so mitgehen kann? „Von dem Angebot sollten Sie dann aber nicht mehr abweichen“, sagt Weber. Sie weiß: „Das Hin und Her macht beide Seiten unzufrieden.“ Denn der Mitarbeiter nehme allen Mut zusammen, um mit dem Chef über das Gehalt zu sprechen. „Erhält er eine Abfuhr mit einem viel niedrigeren Angebot und erwägt dann zu kündigen, geben viele Chefs plötzlich doch nach. Dann war das erste Angebot des Chefs eben nicht wertschätzend genug und das zweite Angebot kommt zu spät“, sagt Weber. Die fehlende Wertschätzung könnte die Mitarbeiter vergraulen – trotz guter Gehaltserhöhung.

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Was aber, wenn Chefinnen und Chefs die Forderung einfach nicht erfüllen können? Dann dürften sie nicht einknicken, rät Weber. Sie könnten dann etwa signalisieren: „Ich verstehe die Forderung, wir haben dich gerne im Team, du machst gute Arbeit. Das ist das, was ich gerade mitgehen kann. Auch wenn du keine Möglichkeit siehst, so weiterzumachen, ich kann dir deine Forderung nicht erfüllen.“ Weber weiß: „Viele Unternehmer haben Angst vor der klaren Kante.“ Dabei würde sie beiden Seiten nützen. „Die Leute, die gehen würden, gehen sowieso.“

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