Chinesische Spione „Wer nicht als Spion anfängt, kann jeden Tag zu einem werden“

Stellen Joint-Venture ein Risiko für Spionage aus China dar? Quelle: imago images

Mehrere Spionage-Fälle haben in den letzten Tagen zu Festnahmen geführt – unter den Beschuldigten ist auch ein Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Maximilian Krah. Wie sich Firmen vor Wirtschaftsspionage schützen.

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WirtschaftsWoche: Herr Schaaf, woran kann ein Unternehmer erkennen, ob ein Spion aus China in seiner Firma ist?
Christian Schaaf: Typischerweise sind die Chinesen sehr nett, aber man sollte von vorneherein vorsichtig sein – und das die ganze Zeit bleiben. Wer nicht als Spion anfängt, kann jeden Tag zu einem werden. Gegenüber jedem Chinesen, der im Ausland lebt, gibt es Druckmittel und zwar über seine Angehörigen zu Hause. Dann wird ihm gedroht, seine Familienangehörigen bekommen irgendwelche Genehmigungen nicht, die sie aber brauchen, um beispielsweise eine bestimmte Schule zu besuchen, umzuziehen oder um ein Auto zu kaufen. In China braucht man für alles mögliche Genehmigungen, selbst um in den Urlaub fahren zu dürfen.

Was sind Indizien, die sie verdächtig machen?
Wenn sie besonders viele Zugriffsmöglichkeiten haben möchten, etwa auf alle Laufwerke. Oder wenn sie außergewöhnlich neugierig sind. Sie stellen sich bei Gesprächen einfach daneben und lauschen oder gucken neugierig auf die Bildschirme von Kollegen. Unternehmen sind da inzwischen wachsamer geworden, sie schalten schneller als früher den Verfassungsschutz ein, wenn sie einen Verdacht haben. Zumal es nicht mehr wie früher die Praktikanten sind, von denen die Spionagegefahr ausging.

Wer spioniert heute?
Es sind Joint-Venture-Partner oder Geschäftspartner wie Lieferanten, die Interesse an Produktions- oder Lieferdaten haben. Deutsche Firmen haben Technologien, die Chinesen heute noch fehlen. Derzeit versuchen Chinesen auf allen Wegen westliches Knowhow zu bekommen. Das Tückische ist: Oft ist einem Joint-Venture-Partner erst mal gar nicht anzumerken, dass Chinesen dahinterstecken. In einem unserer Fälle war einem Joint-Venture-Partner aus Skandinavien, das gut beleumundet ist, kürzlich überhaupt nicht anzumerken, dass tatsächlich ein 30-prozentiger Teilhaber dieser Firma aus China kommt. Auf der Webseite fand sich nicht der kleinste Hinweis, auch im Vorgespräch wurden die chinesischen Teilhaber mit keinem Wort erwähnt.

Zur Person

Und wie kam man drauf?
Das Unternehmen fand erste Hinweise, dass Chinesen beteiligt sein könnten, bei einer Anfangsprüfung. Wir prüften daraufhin umfassend und fanden heraus, dass die Beteiligung über ein verschachteltes Firmenkonstrukt gehalten wurde – und sie als Mitgesellschafter eigentlich nicht erkennbar sein wollten. In einem anderen Fall war es ein gemeinsamer Steuerberater in China, der sich als Dreh- und Angelpunkt erwies. Auch Manager, die in der Vergangenheit schon in staatlich gesteuerten Betrieben in früheren Jahre gearbeitet hatten, haben sich schon als verdächtig entpuppt.

Wie gehen Sie dabei vor?
Wir überprüfen die Personen, die dahinterstehen, und suchen nach deren Verbindungen zu staatlichen Organisationen. Diese Aufträge bekommen wir laufend. Die chinesischen Namen machen die Suche kompliziert. Bei dem Namen Huweikingwauchau etwa gibt es zig Schreibweisen, die man auch unterschiedlich zusammensetzen kann. Wir brauchen also irgendwoher die sichere chinesische Schreibweise, ein Ausweisdokument oder den Geburtsort. An das muss man erst mal kommen. Unser Kunde hat es ihnen in dem Fall selbst abgeluchst. Er sagte, er bräuchte es, um es bei dem Notar für den Vertrag vorlegen zu können.

Dann startet die Recherche über die Vergangenheit der Betreffenden. Die Erkenntnisse sind zu 85 bis 90 Prozent online zu finden, aber man braucht zusätzlich Informationsgeber vor Ort in China. Im Schnitt analysiert man erst mal 2000 Artikel, bevor man in Registern recherchiert. Man braucht dabei Erfahrung und Zugang zu rund 500 Registern und muss wissen, wo man was recherchieren kann, das ist unser Knowhow. Im konkreten Fall stellte sich heraus, dass der einer der beiden chinesischen Geschäftsleute schon in verschiedenen staatlichen Firmen gewesen war, er hatte sicher nachrichtendienstliche Funktion. Unser Kunde gab dann das Joint Venture auf.

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Sie beobachten obendrein eine neue Motivation bei spionierenden Chinesen?
Richtig, es geht dann darum, die Konkurrenz auszubremsen. Ich gebe ihnen ein Beispiel, das mir erst kürzlich begegnete. Ein deutsches Unternehmen, superinnovativ, suchte zwei Jahre lang vergeblich nach einem Privat-Equity-Unternehmen, das ihre neue Technologie vorantreiben sollte. Dann traten Chinesen auf den Plan, stiegen auch ein. Nach und nach fiel der Geschäftsleitung auf, dass gewisse Dinge erschwert wurden und die Entwicklungen ins Stocken kamen. Unser Auftrag war, herauszufinden, ob es tatsächlich Blockaden waren und was es damit auf sich hatte.

Heraus kam, dass die chinesischen Manager zu einer staatlichen Organisation gehörten, die einer großen chinesischen Stadt gehörte und die von der KP gesteuert wurde. Das wahre Motiv hinter der Firmenbeteiligung war aber keineswegs weitere Innovation, sondern genau die zu verhindern: Man wollte die deutsche Konkurrenz blockieren, um sie zu überholen und selbst wichtige Patente und Lizenzen eher anzumelden. Das deutsche Unternehmen kostete die chinesische Beteiligung 30 bis 40 Millionen Euro.

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Wer ein Joint-Venture mit Chinesen erwägt, sollte was vorher beachten?
Es geht immer um den Hintergrund, den er erforschen sollte. Wie abhängig ist das chinesische Management von der KP? Wie sieht die Gesellschafterstruktur aus und das Unternehmen, das in China dahinter steht? Ist das staatlichen Strukturen zuzuordnen? Haben die Leute in dem chinesischen Unternehmen oder Angehörige von ihnen nachrichtendienstlichen Hintergrund? Wenn es die Eltern sind, sind deren Kinder zu 100 Prozent von der KP gesteuert. Die Frage ist dann, was tun, wenn man es nun weiß? Von den Fakten sind viele dann nicht begeistert – aber einlassen können sie sich mit den chinesischen Geschäftsleuten dann nicht mehr. Diese Fakten nicht zu beachten, wäre naiv.

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Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals im Juni 2023 bei der WirtschaftsWoche. Wir haben ihn aktualisiert.

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