Riedls Dax-Radar
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Das Tief der Börsenkorrektur rückt näher

Gemischte Unternehmensergebnisse stehen einer schnellen Aktienerholung im Weg, neue Zinshoffnungen aber stützen die Börsen. Noch im Mai könnte die Entscheidung über den weiteren Trend bevorstehen. Eine Kolumne.  

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Eine Beruhigungspille besonderer Art bekommen die Märkte von der amerikanischen Notenbank verabreicht. Einerseits signalisieren der angespannte Arbeitsmarkt und der anhaltende Inflationsdruck zwar, dass das Thema Inflation keineswegs abgehakt ist; andererseits aber bezeichnet Fed-Chef Jerome Powell den bisher restriktiven Kurs als genügend. Damit schließt er Zinserhöhungen, wie sie zuletzt vereinzelt ins Spiel gebracht wurden, praktisch aus. Zudem wird auch beim Abbau der Notenbankbilanz das Tempo der Straffung verlangsamt. 

Wie deutlich die Erleichterung an den Märkten darüber ist, zeigt sich besonders bei den Bonds. Noch am 25. April hatte die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen mit 4,73 Prozent den höchsten Stand seit November erreicht. Ein weiterer Anstieg bis zum Oktober-Hoch bei 5,0 Prozent wäre ein gefährliches Signal gewesen, dass die erhoffte Zinsentspannung sich doch als Illusion erweisen könnte. Nun aber wächst wieder die Hoffnung einer zumindest mittelfristigen Abkühlung an den Zinsmärkten. Danach könnte die zehnjährige US-Rendite in den nächsten Monaten zumindest noch einmal in den Bereich um vier Prozent abtauchen. 

Für die Aktienmärkte käme diese Tendenz gerade zur rechten Zeit. So ist der Aktienindex Dow Jones mit seinem Rückfall unter 38.000 Punkte und der S&P 500 mit seinem Test der Marke um 5000 Punkte zuletzt in die Defensive geraten. Ebenso wie die europäischen Börsenbarometer stecken die US-Märkte seit gut einem Monat in einer Korrektur, die noch nicht beendet ist. Der Dax hält sich zwar über seinen jüngsten Tiefen von Mitte April, aus dem Schneider ist der deutsche Aktienmarkt aber noch nicht. 

Daimler Truck: Rückwärtsgang und neue Chancen

Gemischte Prognosen der laufenden Zahlensaison kommen hinzu. So gehörten bisher im Dax Aktien von Daimler Truck seit Herbst zu den Favoriten. Das ist einerseits überraschend, ist doch das Geschäft mit Nutzfahrzeugen in der Regel besonders konjunkturanfällig – und von einer starken Wirtschaft weltweit kann derzeit keine Rede sein. Dennoch ist es Daimler Truck bisher offensichtlich gelungen, die hohe Nachfrage im Überhang der Coronakrise und der Lieferengpässe erst einmal zu prolongieren. 

Verantwortlich dafür sind bisher vor allem robuste Preise, die Daimler im ersten Quartal einen Umsatzanstieg auf 13,3 Milliarden Euro beschert haben. Zugleich gelang es den Schwaben, die Margen noch einmal leicht anzuheben. Unterm Strich blieb im ersten Quartal ein Anstieg des Nettogewinns um sieben Prozent auf 847 Millionen Euro. Die Finanzen stimmen: Die Nettoliquidität im Industriegeschäft kletterte um 12 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro, die Bilanz ist mit 31 Prozent Eigenkapital gut austariert. 

Offene Flanke allerdings ist der Absatzrückgang um 13 Prozent auf knapp 109.000 Fahrzeuge. Diese Zahl liegt unter der des ersten Quartals 2023, und sogar deutlich unter dem freilich sehr guten vierten Quartal 2023, das mit 140.000 abgesetzten Fahrzeugen einen Spitzenwert markierte. 

Daimler selbst rechnet angesichts einer passablen Weltkonjunktur sowie einer schwächeren Entwicklung in Europa 2024 mit einem Absatzrückgang um rund fünf Prozent, etwas höheren Umsätzen und stabilen operativen Ergebnissen. Angesichts des guten ersten Quartals bedeutet dies aber für die nächsten Quartale eine Verlangsamung. 

Im Gegensatz zum Autogeschäft leidet Daimler Truck weder so stark unter günstiger Konkurrenz aus Asien noch durch die Entzauberung der Elektromobilität. Hier zahlt es sich aus, dass Daimler mit Strom und Wasserstoff die beiden zentralen alternativen Antriebsarten weiterentwickelt. Die Wachstumsraten sind hier mit 183 Prozent beachtlich – freilich von niedrigem Niveau aus, den der Anteil emissionsfreier Fahrzeuge erreicht derzeit erst 0,8 Prozent. In der Autobranche liegen diese Anteile bei mehr als dem Zehnfachen. 

Mit einer Umsatzbewertung von 0,6, einer Gewinnbewertung unter 10 und einer Dividendenrendite von fast fünf Prozent sind die Eckdaten der Daimler-Truck-Aktie in Ordnung. Konkurrent Volvo ist in der Bewertung teurer, allerdings mit einer Nettorendite von neun Prozent auch ein gutes Stück rentabler als Daimler mit 6,3 Prozent. 

Daimler-Truck-Aktien könnten nach dem starken Anstieg von Januar bis März ihre jüngste Konsolidierung fortsetzen und dann in den nächsten Wochen in der Zone 40 bis 35 Euro wieder Tritt fassen. 

RWE: Zweiter Wind für grünen Wandel

Mit Kursverlusten von mehr als 20 Prozent gehören RWE-Aktien seit 2022 zu den schwachen Aktien im Dax. Dabei kommt RWE bei seiner grünen Transformation – jahrelang ein Treibsatz für den Aktienkurs – durchaus voran.

Die Ziele der Essener sind ambitioniert: Von 2024 bis 2030 will RWE 55 Milliarden Euro in Wind- und Solarparks, Batteriespeicher, Back-up-Kraftwerke und Elektrolyseure für die Wasserstoffproduktion stecken. Die Erzeugungskapazität soll von 35,5 Gigawatt auf mehr als 65 Gigawatt fast verdoppelt werden. 

Die Geschäftszahlen für 2023 indessen fielen gemischt aus und konnten dem Aktienkurs bisher nicht auf die Beine helfen. Bei einer um 17 Prozent verringerten Stromerzeugung ging der Umsatz um ein Viertel auf 28,6 Milliarden Euro zurück. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern kletterte zwar um 39 Prozent auf 6,35 Milliarden Euro. Netto, nach ungewöhnlich hohen Steuerbelastungen, blieben allerdings nur 1,45 Milliarden Euro. 

Für das erste Quartal 2024 liegen die Geschäftszahlen noch nicht vor. Banken rechnen im Schnitt mit einem operativen Gewinn von etwas mehr als einer Milliarde Euro; das läge deutlich unter Vorjahresniveau. Den Tiefpunkt erwarten die Prognosen im zweiten Quartal, danach rechnen sie mit einer schrittweisen Erholung. Insgesamt gehen Analysen für 2024 von 3,3 Milliarden Euro operativem Gewinn und rund zwei Milliarden Euro Nettogewinn aus. Das wäre deutlich weniger als die um Steuereffekte bereinigten Werte von 2023, aber deutlich mehr als die ausgewiesenen 1,45 Milliarden. 

Bei der Stromgewinnung aus Wind und Sonne kommt RWE voran. 2023 erreichten beide in der Stromerzeugung einen Anteil von 30 Prozent, beim Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) aber nur 24 Prozent. 

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Im ersten Quartal 2024 ist die Energieproduktion aus Wind und Sonne um 19 Prozent gestiegen. Strom aus Wind und Sonne machen nun schon 36 Prozent der gesamten Produktion aus. Das hat zwar auch mit dem deutlichen Rückgang der Erzeugung aus Gas, Kohle und Atom zu tun, spiegelt aber eben doch die grüne Transformation in den Zahlen wider. Jetzt kommt es in den für 15. Mai angekündigten Quartalszahlen darauf an, ob RWE diese Anteilsverbesserung auch in einem entsprechend verbesserten Ebit umsetzen kann. 

Mit 25 Milliarden Euro Marktkapitalisierung ist RWE angesichts seiner führenden Stellung bei der Stromerzeugung – ein Schlüsselmarkt der Zukunft – alles andere als teuer. Ein Problem für die Börsenbewertung allerdings ist die Vielzahl von Ergebnissen und Bereinigungen im Zahlenwerk der Essener, die letztlich den Blick auf den Wandel von RWE trübt. Antizyklische Investoren können diese Unsicherheit nutzen und auf Abstaubergelegenheiten setzen, vielleicht im Kursbereich 30 bis 25 Euro.

Deutsche Bank: Neue Wackelpartie nach der Postbank-Dusche

Weil sich auf juristischer Ebene im Streit um die Übernahme der Postbank von 2010 nun plötzlich eine Entscheidung gegen die Deutsche Bank abzeichnet, nehmen die Frankfurter Banker im zweiten Quartal eine Rückstellung von 1,3 Milliarden Euro vor. Für die gerade zuletzt nach guten Quartalszahlen schnell gestiegene Aktie ist das eine kalte Dusche. Entsprechend rasant ging es mit dem Kurs danach in den Keller. 

Immerhin, der Nettogewinn 2024 könnte damit statt über vier Milliarden Euro eher im Bereich um drei Milliarden ausfallen. Aktienrückkäufe könnten magerer ausfallen, die harte Kernkapitalquote dürfte um 0,2 Prozentpunkte auf 13,25 Prozent niedriger liegen. 

An der operativen Erholung der Bank allerdings ändert dies erst einmal nichts. Dass die Entwicklung der Postbank schon seit längerem zu wünschen übrig lässt, ist alles andere als ein Geheimnis. Eher schon ist es ein Vorteil, wenn sich diese Belastung nun finanziell quantifizieren lässt. So gesehen dürfte die Aktie der Deutschen Bank sich in den nächsten Wochen wieder stabilisieren. Das hier kurzfristig entscheidende Niveau liegt zwischen 14,50 bis 15,00 Euro. Wenn das hält, könnte sich die seit Herbst bestehende Aufwärtsentwicklung bald fortsetzen. Wenn nicht, droht wieder eine längere Wackelpartie.

Fazit für den Dax: Nach 25 Tagen Korrektur probt der Dax zwischen 17.700 und 18.000 Punkten eine Stabilisierung. Eine mögliche Entspannung auf den amerikanischen Bond- und Aktienmärkten käme ihm natürlich zugute, gemischte Zahlen und Aussichten wie zuletzt von Daimler Truck oder RWE und Enttäuschungen wie bei der Deutschen sprechen eher nicht für eine schnelle Wende. 

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In der ersten Abwärtsphase im April verlor der Dax rund 800 Punkte. Sollte er in einer zweiten Abwärtsbewegung noch einmal ähnlich viel verlieren, ergäbe dies vom jüngsten Zwischenhoch bei 18.160 Punkten einen Abwärtsspielraum in den Bereich 17.400 bis 17.300. Und genau hier träfe der Dax dann auf einen wichtigen Aufwärtstrend der Kursspitzen, der sich seit Frühjahr 2023 gebildet hat. Vorteil dabei: Die größere, seit Herbst 2022 laufende Aufwärtsbewegung bekäme durch einen solchen Rückschlag und einen darauf folgenden Dreh nach oben eine wichtige Bestätigung.

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