In Deutschland gibt es keine amtlichen Statistiken über Vermögende. Die Zahl der Milliardäre variiert daher, manche Studien sprechen von 84 Superreichen in Deutschland, andere von 237. Bis 1997 hat die Bundesrepublik eine Vermögenssteuer erhoben, die bezifferte die Anzahl noch genau. Heute werden reiche Personen anders besteuert – und laut einer Studie weitaus geringer als der Mittelstand.
Ein Konsortium aus fünf Institutionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hat die Steuer- und Abgabesätze von Milliardären sowie Multimillionären im Vergleich zu Mittelstandsfamilien in den jeweiligen Ländern verglichen. „Die Untersuchung zeigt, dass die tatsächlichen Steuersätze von Superreichen weit unter den vorgesehenen Höchststeuersätzen liegen, während der Mittelstand mit einem höheren Anteil seines Einkommens zum Steuer- und Abgabenaufkommen beiträgt“, resümieren die Autoren. „Lediglich in der Schweiz sorgt die Vermögensteuer dafür, dass die effektiven Steuersätze von Superreichen deutlich näher an den Höchststeuersätzen liegen.“
Die Studienautoren haben für ihre Analyse zum einen öffentlich einsehbare Daten von Milliardären verwendet, die auf der Forbes-Liste stehen. Darunter die BMW-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt, der Österreicher Mark Mateschitz, Sohn des Red-Bull-Gründers, sowie André Hoffmann und Jörg Duschmalé aus dem Schweizer Roche-Imperium.
Die Ergebnisse basieren außerdem auf einer Modellrechnung der obersten 0,1 Prozent. In Deutschland besitzt diese Gruppe rund 20 Prozent des gesamten Nettovermögens. Damit habe der typische deutsche Millionär ein Vermögen von 23 Millionen Euro, das überwiegend aus dem Familienerbe und Immobilien stamme, heißt es in der Studie. Ein kleiner Teil der Einkünfte – rund 15 Prozent – erwirtschaften die Millionäre durch Arbeit in ihren Familienunternehmen oder Aufsichtsratsposten. Das restliche Einkommen geht auf Dividenden und Gewinnausschüttungen ihrer Betriebe oder Investitionen zurück – steuergünstig angespart in einer separaten Holding.
Vermögenssteuer könnte Deutschland 73 Milliarden Euro einbringen
Mittelstandsfamilien reichern ihr Bankkonto durch ein Angestelltenverhältnis an und zahlen dementsprechend neben der Einkommenssteuer auch Sozialabgaben und Arbeitgeberbeiträge. Sie kommen in Deutschland auf 43 Prozent Abzüge, in der Schweiz nur auf 15 Prozent. Reiche Personen arbeiten im Vergleich wenig, zahlen also auch weniger Einkommenssteuer. Für Milliardäre und Multimillionäre gelten verschiedene Sonderregelungen und Steuerprivilegien. Sie trifft vor allem die Unternehmenssteuer. Milliardäre zahlen laut der Analyse in Deutschland im Schnitt 26 Prozent Abgaben, Multimillionäre etwa 29 Prozent. Und damit mehr als in der Schweiz. Dort zahlen Vermögende mit mehreren Millionen Euro in der Kasse etwa 19 Prozent an Steuern und anderen Abgaben.
Allerdings: In der Schweiz gibt es nach wie vor eine Vermögenssteuer. Die Höhe ist abhängig vom Wohnort. Würde man diese Steuerabgabe in Deutschland wieder einführen und auf ähnlichem Niveau wie im Nachbarstaat halten, entspräche das Einnahmen von 73 Milliarden Euro für den Staat. In Österreich fünf Milliarden Euro.
Die Studienautoren fordern daher ein Umdenken bei der Besteuerung der Superreichen. In Österreich hat die BASF-Erbin Marlene Engelhorn beispielsweise eine Initiative gestartet, womit ihr neu gewonnenes Vermögen demokratisch an die Gesellschaft verteilt werden soll. Sie wird als Beispiel für alternative Möglichkeiten genannt.
An der Analyse beteiligt waren die Hochschule ETH Zürich, deren Abteilung für Konjunkturforschung KOF, das gewerkschaftsnahe Momentum Institut aus Österreich, die NGO Netzwerk Steuergerechtigkeit und deren Mitglied Oxfam Deutschland.
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