Nahostkonflikt Leben wir im Zeitalter der deeskalierenden Bomben?

Quelle: Getty Images/imago-images (Montage)

Iranische Raketen auf Israel, nun wohl eine israelische Attacke auf iranischem Boden: Der Nahostkonflikt droht in einen offenen Krieg zu kippen – sofern beide Seiten nicht einhalten.

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Auf der Plattform X, dem ehemaligen Twitter, kursiert seit Freitagmorgen ein Video, das wohl aus dem Iran stammt. Man hört darauf ein lachendes Mädchen und sieht, wie sie einen Papierflieger vom Balkon wirft. Ein paar Sekunden lang segelt er hinab in den Hinterhof, bis er im Dunkeln verschwindet. Das Mädchen ahmt ein Explosionsgeräusch nach. Und giggelt vor sich hin.

Der Clip wurde bereits vielfach geteilt. Im Iran machen sich damit viele lustig über den mutmaßlich israelischen Angriff, der in den frühen Morgenstunden einer Militärbasis nahe Isfahan galt. Im Staatsfernsehen wurden demonstrativ Alltagsszenen aus der Stadt gesendet. So als sei nichts Wesentliches passiert.

Dabei markieren die vergangenen Tage einen Wendepunkt, selbst für die an Vergeltung, Zorn und Tod überreiche Geschichte des Nahostkonflikts: Aus dem jahrzehntelangen Schatten- und Stellvertreterkrieg zwischen Israel und dem Mullahregime ist zum ersten Mal offene Konfrontation geworden.

Iran hat Israel mit Drohnen und Raketen angegriffen. Warum das nicht zwingend die nächste Eskalationsstufe ist und Sanktionen kein Allheilmittel sind, erklärt Politikwissenschaftler Cornelius Adebahr.
von Kevin Gallant

Die tödliche israelische Attacke auf iranische Generäle auf dem Botschaftsgelände in Damaskus Anfang April wurde in Teheran als Angriff auf das eigene Territorium gewertet. Am vergangenen Wochenende folgte deshalb ein großangelegtes Bombardement aus Drohnen und Raketen – es war der erste direkte Angriff aus dem Iran auf Israel. Ein historischer Präzedenzfall. Und nun also die erneute Reaktion aus Israel: ein offenbar gezielter Schlag auf Militär-Anlagen im Land.

Werden die jüngsten Ereignisse einmal als Anfang eines großen Krieges im Nahen Osten erinnert werden – oder als paradoxe Beispiele einer Ära, in der fein kalibriertes, kommunikativ begleitetes und mit militärischen Sub-Botschaften versehenes Bombardement tatsächlich deeskalierend wirken kann?

Die Furcht vor Fehlkalkulationen und durchgebrannten Sicherungen gehörte immer schon zum Nahen Osten, ebenso wie die Angst vor Provokationen und Gegenprovokationen, die am Ende in einen unkontrollierbaren Flächenbrand münden könnten. Selten waren diese Gefühle stärker als gerade.

Zurück zur Stabilität des Stellvertreterkriegs?

Doch die Gewaltspirale, sie könne gestoppt werden, sagt etwa Sara Bazoobandi vom German Institute for Global and Area Studies in Hamburg. Der Stellvertreterkonflikt habe „für beide Seiten funktioniert“, sagt sie, „beide würden deshalb gerne zu ihm zurückkehren“. Er garantierte „ein gewisses Maß an Abschreckung“ und vor allem: er bedeutete – bei aller Gewalt – ein weitgehende Berechenbarkeit..

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„Die alten Regeln funktionierten besser“, sagt Bazoobandi, auch wenn Teheran in gewissem Maße das Theater und die Dramatik genieße, die es gerade erzeuge. Das Regime wolle gesehen werden und müsse sich als relevanter Machtfaktor in der Region inszenieren.

Das hat es ohne Zweifel getan. Und die vagen, ruhigen Reaktionen nach dem israelischen Beschuss von heute lassen durchaus darauf hoffen, dass Teheran diese Demonstration fürs erste reicht. Ebenso wie der Regierung von Benjamin Netanjahu.

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Diese Lesart wird in den Stunden danach auch in Berlin geteilt. Obwohl in Regierungskreisen von einem „iranischen Tabubruch“ die Rede ist – und kaum jemand noch der Hoffnung nachhängt, mit dem Land in näherer Zukunft in irgendeine Weise diplomatische Fortschritte erzielen zu können. Vielmehr treibt Berlin nun auf europäischer Ebene weitere Sanktionen voran – auch und gerade gegen das iranische Drohnenprogramm.

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