Weltgrößte Demokratie Neue Rekord-Exporte: Warum Indien für Deutschland immer wichtiger wird

Bundeskanzler Olaf Scholz und Indiens Premierminister Narendra Modi. Quelle: imago images

Indien ist die fünftgrößten Wirtschaftsmacht der Welt – und wird als Handelspartner für Deutschland immer wichtiger. Nach den indischen Wahlen ist bereits ein großes Wirtschaftstreffen in Neu-Delhi geplant. 

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Narendra Modi lächelt an der Bushaltestelle, alle paar Meter wirbt ein neues Schild: „Magnetic Maharashtra“, „Credible India“, „Engage and Experience“ – wer im Januar das Weltwirtschaftsforum in Davos besuchte, der konnte und der sollte es nicht übersehen: Indien hat viel vor. Und stellt mit seinem neuen Selbstbewusstsein sogar die Saudis in den Schatten. 

Der Golfstaat war im Schweizer Luftkurort immerhin mit vier Showrooms vertreten, doch Indien trumpfte auf. Der Subkontinent präsentierte sich gleich in sieben Pavillons als Wirtschaftsstandort, Modi lockte auf Plakaten mit einem ambitionierten Versprechen: „There’s no better place to invest than India.“ Tatsächlich? 

Seit 2014 regiert der Premierminister das Land, das unter ihm zur fünftgrößten Wirtschaftsmacht der Welt aufgestiegen ist. Auch deshalb gibt sich Modi siegesgewiss bei den Parlamentswahlen, die am Freitag begannen. Fast eine Milliarde Menschen werden in den nächsten sechs Wochen an die Urnen gehen, es ist die größte demokratische Abstimmung der Welt.

Modi profitiert von den geopolitischen Krisen  

Dass Modi und seine hindunationalistische Partei BJP gegen den größten Herausforderer Rahul Gandhi und seine Kongresspartei gewinnen dürften, zeichnet sich bereits in den Umfragen ab. Das liegt nicht nur am Wirtschaftswachstum im eigenen Land. Modi profitiert von den wachsenden geopolitischen Spannungen. Das spiegelt sich auch in den Beziehungen zur Bundesrepublik wider. 

2023 haben die deutschen Exporte nach Indien einen neuen Rekord erreicht: Waren im Wert von 17,8 Milliarden Dollar wurden exportiert, das sind fast 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Ende der Ignoranz?



Mehr als eine Dekade lang war kein Bundeswirtschaftsminister nach Indien gereist, bevor sich Robert Habeck (Grüne) im vergangenen Sommer auf den Weg machte. 2012 war zuletzt FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler da, Sigmar Gabriel, Brigitte Zypries (beide SPD) und Peter Altmaier (CDU) ließen Indien quasi links liegen, es ging nach Russland, vor allem aber nach China, auch für die deutsche Wirtschaft.

Indien will mehr sein als eine Alternative zu China 

Doch seit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und mit Blick auf Pekings zunehmende Drohungen gegen Taiwan will Deutschland seine wirtschaftlichen Abhängigkeiten reduzieren, De-Risking lautet die Strategie, vor allem mit Blick auf die Volksrepublik. Doch Indien will freilich mehr sein als nur eine Alternative zu China.

Zugeständnisse machen bei Nachhaltigkeit, Klima und Menschenrechten, wie es die Europäische Union für ein Freihandelsabkommen verlangt? Warum, wenn es Einfluss gewinnt im Verbund der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) und zugleich von anderen westlichen Staaten derzeit so umworben wie wohl kaum ein anderes Land.    

Indien ist ein Gewinner der Krisen – und drängt auf die Weltbühne. Kann das Land diesmal die großen Hoffnungen erfüllen?
von Bert Losse, Sonja Álvarez, Rüdiger Kiani-Kreß, Silke Wettach

Andere Länder haben längst Freihandelsabkommen 

Mit Australien und den Vereinigten Arabischen Emiraten hat Indien bereits Handelsabkommen geschlossen, mit Großbritannien steht ein weiteres Abkommen offenbar kurz vorm Abschluss, auch Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz haben ihre Verträge schon unterzeichnet, mit denen für sie Handelsbarrieren fallen und sich Indien Milliardeninvestitionen sichert. Wann und wie die EU nach den Parlamentswahlen in Indien und Europa Tempo machen kann, ist derzeit unklar, erst 2025 dürfte es wohl wieder konkretere Gespräche geben.

Dabei würde auch Deutschland vom Abbau der Handelshemmnisse profitieren. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat gerade erst seine Wachstumsprognose für Indien angehoben von 6,5 Prozent auf 6,8 Prozent. Vor allem Investitionsgüter wie Maschinen werden voraussichtlich weiter gefragt sein – schon heute sind sie das Top-Exportprodukt aus Deutschland nach Indien.

Große Nachfrage nach deutschen Maschinen

2023 hatten sie einen Anteil von mehr als 27 Prozent an den Gesamtexporten. Gefragt sind Pumpen und Kompressoren (517 Millionen Dollar), Maschinen für die Lederverarbeitung und Textilindustrie (339 Millionen Dollar) sowie Wellen und Kurbeln (332 Millionen Dollar). Aber auch Flugzeuge und Flugzeugteile (Plus 36,5 Prozent gegenüber 2022) laufen stark, Modi investiert massiv in den Ausbau der Infrastruktur, in einer Salzwüste baut er etwa ein Solar- und Windkraftwerk, das so groß werden soll wie ganz Singapur.   



Derweil sind Deutschlands Importe aus Indien 2023 geschrumpft, um fast vier Prozent auf 15,2 Milliarden Dollar, doch werden sie diverser. Ein bemerkenswertes Plus gab es allerdings bei petrochemischen Erzeugnissen: 633 Prozent mehr Importvolumen als im Vorjahr. Dahinter verbergen sich vor allem Treibstoffe, denn Indien profitiert vom westlichen Ölembargo gegen Russland. Viele Tanker steuern nun Indien an, Heizöl, Benzin oder Diesel gelangen so offensichtlich über Umwege nach Europa.  



Indien bezieht aber nicht nur Öl aus Russland, sondern ebenso zahlreiche Rüstungsgüter – auch deshalb will Modi seine guten Beziehungen zu Staatschef Wladimir Putin weiter pflegen. Die Schweiz hofft dennoch auf Indiens Teilnahme am Friedensgipfel für die Ukraine Mitte Juni, vor allem nachdem Olaf Scholz vom chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping eine Absage kassierte.   

Deutsche Wirtschaft trifft sich im Oktober im Delhi 

So oder so dürfte Indiens Haltung zu Russland auch Thema werden bei den nächsten deutsch-indischen Regierungskonsultationen. Sie sind für den Herbst angesetzt – und könnten womöglich parallel stattfinden zur Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft (APK) vom 24. bis 26. Oktober 2024 in Neu-Delhi. Siemens-CEO Roland Busch, derzeit Präsident des Asien-Pazifik-Ausschusses, leitet die Konferenz gemeinsam mit Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Habeck.  

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An den drei Tagen soll über die geopolitischen Herausforderungen gesprochen werden, aber auch über die Sicherheit von Lieferketten, Kooperationen mit Start-ups und Angebote an den Globalen Süden – und beim großen Abendempfang, der „India Night“, könnte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dann auf seinen neuen, alten Amtskollegen treffen: Narendra Modi, sofern er die Wahlen gewinnt.

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