Kaffeeproduktion Wie der EU-Umweltschutz Kleinbauern gefährdet und Kaffee verteuert

Quelle: imago images

Die EU-Verordnung über „entwaldungsfreie Lieferketten“ wird zu steigenden Kaffeepreisen führen und die Existenz vieler Kleinbauern gefährden. Die sind nicht in der Lage, die komplexen Nachweispflichten zu erbringen.

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Welche große politische Wirkung eine kleine Kaffeebohne entfalten kann, wird dieser Tage wieder einmal in Brüssel deutlich. Ob Espresso in Italien, Café au Lait in Frankreich oder ein Verlängerter in Wien, ob Americano, Café Crema oder nur Filterkaffe – das liebste Morgengetränk der Europäer ist in die Mühlen der EU-Bürokratie geraten. Zum Ende dieses Jahres soll nämlich eine EU-Verordnung zum weltweiten Schutz der Wälder in Kraft treten. Demnach ist vorgesehen, dass bis dahin die Importeure bestimmter landwirtschaftlicher Produkte aus Ländern außerhalb der EU nachweisen müssen, dass sie nicht von Flächen stammen, die kürzlich abgeholzt wurden oder sonst wie zur Schädigung der ursprünglichen Wälder beigetragen haben.

Dass es dabei nicht nur um einige wenige bäuerliche Nischenprodukte geht, zeigt schon die Auswahl der EU-Bürokraten. Von den Vorschriften über die „entwaldungsfreien Lieferketten“ erfasst werden Palmöl, Soja, Kautschuk, Kakao, außerdem Holz und Rindfleisch – und eben auch Kaffee. Man sieht schon, was gemeint ist: Alle diese Produkte tragen aufgrund ihrer Herkunft und bevorzugten Anbaugebiete den Verdacht in sich, auf gerodeten Böden zu wachsen, dort, wo früher unberührte Urwälder standen. Man will also vom Brüsseler Schreibtisch aus der fortschreitenden Abholzung des Regenwaldes den Kampf ansagen. Nun wird niemand etwas dagegen haben, die natürlichen Baumflächen zu schützen. Aber wie so oft geht es auch hier um eine dieser EU-Verordnungen, die gut gemeint, aber schlecht durchdacht sind.

Widerstand aus den Kaffee-produzierenden Ländern

Denn wie sollen die Nachweise geführt werden? In der Praxis sollen die Importeure Geolokalisierungsdaten für den „unverdächtigen“ Ursprung vorweisen. Damit, so wurde zur Begründung vorgebracht, unternehme man einen wichtigen Vorstoß zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen und zur Verringerung des Verlustes an biologischer Vielfalt. Nicht zuletzt trage die Verordnung zur Einhaltung nachhaltiger Geschäftspraktiken über die Grenzen der EU hinaus bei.

Diese von europäischen Politikern und NGOs ersonnenen Handelsregeln zum Schutz der Umwelt stoßen in den Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen der Großteil der aufgeführten Erzeugnisse hergestellt wird, jedoch nicht auf freudige Zustimmung, sondern im Gegenteil auf Widerstand und harsche Kritik. Der indonesische Wirtschaftsminister bezeichnet die EU-Gesetzgebung zur Verhinderung der Entwaldung erbost als „regulatorischen Imperialismus“. Der indische Handelsminister meinte mit Blick auf Brüssel und die EU, „es gibt eindeutig Voreingenommenheit, Diskriminierung und Ungerechtigkeit“.

Ein Teil der Kritik erklärt sich mit den katastrophalen Auswirkungen dieses gut gemeinten Schutzgesetzes auf die Lebensgrundlagen der Kleinbauern. Anders als große Agrarkonzerne sind diese am wenigsten in der Lage, die neuen Regeln einzuhalten.

Existenzgrundlage der Kaffeebauern bedroht

Kaffeebohnen werden vor allem in Brasilien, Vietnam, Indonesien und Kolumbien angebaut. Im Gegensatz zu den anderen Produkten auf der EU-Liste wie Rindfleisch, Palmöl und Soja, die meist von Betrieben mit großen Flächen stammen, werden etwa dreiviertel der weltweiten Kaffeebohnenproduktion von Kleinbauern auf Äckern von weniger als fünf Hektar angepflanzt. Abgesehen davon, dass die wenigsten dieser Farmer von der EU-Verordnung gehört haben dürften, ist wohl auch kaum jemand in der Lage, etwa die verlangten Geolokalisierungsdaten zu liefern. Für die Kaffeeexporteure wird die EU damit zu einem, wenn nicht feindlichen, so doch recht unattraktiven Ort. Schon jetzt gibt es Bemühungen, Kaffee vermehrt in Asien, allen voran in China und Indien, zu verkaufen. Dort nimmt die Zahl der Kaffeetrinker gerade aus der Mittelschicht eher zu.

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Die drastische Erhöhung der Kaffeepreise in diesem Jahr ist deshalb nicht nur auf die extremen Dürren in wichtigen Anbaugebieten zurückzuführen, sondern auch auf die derzeitige Bevorratung von Kaffee vor Ablauf der Frist im Dezember dieses Jahres. Die Folge werden nach Angaben des Verbands der Kaffeeröster wohl weiter steigende Preise in Europa und wohl auch weniger Sorten auf dem globalen Kaffeemarkt sein. Und allen, die aus dem Kreis der Kleinbauern die notwendigen Nachweise nicht erbringen können, droht der Ausschluss aus den Vermarktungsgemeinschaften – und damit oft genug der Entzug ihrer Lebensgrundlage. Das ist dann noch bitterer als der schwärzeste Kaffee.

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