Ausfallrisiko Die Insolvenzen nehmen zu – nur Start-ups atmen auf

Für Gründer junger Unternehmen lief es 2023 besser als bei der älteren Konkurrenz – auch dank finanzieller Unterstützung. Quelle: imago images

Während die Zahl der Firmenausfälle 2023 auf rekordverdächtig hohem Niveau lag, ergeht es jungen Start-ups vergleichsweise gut. Das zeigen Ergebnisse einer Studie. Woran das liegt.

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In der Start-up-Szene gibt es die Binsenweisheit, wonach neun von zehn Unternehmen scheitern. Statistiken bestätigen diese Zahl nur bedingt, das hohe Ausfallrisiko ist unter Gründern und Investoren allerdings allgegenwärtig. Eine Studie der Ratingagentur Creditreform zeigt nun allerdings, dass Start-ups zuletzt weitaus besser gewirtschaftet haben als etablierte Unternehmen.

Jedes Jahr veröffentlicht die Wirtschaftsauskunftei Ausfallraten zur deutschen Wirtschaft: Wie viel Prozent der deutschen Unternehmen waren zuletzt von Insolvenzen, Haftanordnungen und baldigen Zahlungsausfällen betroffen. Allgemein ist diese Quote im Jahr 2023 um 0,32 Prozentpunkte auf 1,49 Prozent gestiegen. Laut Studienautoren war das der stärkste Anstieg seit Beginn der Analyse im Jahr 2008.

Grund für die Insolvenzwelle waren vor allem eine gesunkene Nachfrage und geopolitische Belastungen. Das größte Risiko bestand in den Bereichen Verkehr und Logistik sowie im Baugewerbe. Im Bau haben die hohen Materialkosten zu vermehrten Betriebsauflösungen geführt. Den größten Anstieg der Ausfallrate verzeichnete der Einzelhandel. Am besten kam die Grundstoffindustrie durch das Jahr.

Mehr Finanzmittel für Jungunternehmen

Gemessen am Alter haben langjährige Traditionsunternehmen die geringste Ausfallrate. Diese sind in der Regel stabil und krisenfester. Viel interessanter allerdings: Junge Unternehmen, die höchstens zwei Jahre alt sind, mussten laut Creditreform-Analyse im vorigen Jahr seltener Insolvenz anmelden als etablierte Firmen. Und auch der Anstieg zum Vorjahr ist weitaus niedriger als bei älteren Unternehmen. Das überrascht, denn in den Jahren zuvor standen die Start-ups im Vergleich schlechter als ältere Betriebe da.

„Hierin mag sich widerspiegeln, dass im Zuge der jüngst aufeinanderfolgenden globalen Schocks, also zum einen die Corona-Krise und zum anderen die in die Höhe schnellenden Energiepreise, staatlicherseits finanzielle Hilfestellung für die Unternehmen gewährt wurde, die gerade für die Start-ups ein überlebenswichtiges Sicherheitspolster darstellten“, begründen die Studienautoren den Vorsprung der jungen Unternehmen. Weitere Erklärungen und Prognosen für 2024 hat Creditreform auf Nachfrage nicht.



„Wir sehen einen Trend zu immer stärker technologiegetriebenen Gründungen, die vergleichsweise mehr Zeit benötigen, um ihre Idee unter Beweis zu stellen“, sagt hingegen Hendrik Brandis, Chef des Berliner Wagniskapitalgebers Earlybird. Die VC-Firma ist seit 27 Jahren aktiv und etwa an N26 und Aleph Alpha beteiligt. Bis die ersten nennenswerten Umsätze kommen, dauere es häufig länger als zwei Jahre – und somit würden viele junge Start-ups aus dieser Zeitspanne herausfallen. „Gleichzeitig werden Start-ups typischerweise im ersten Schritt bis zum ersten großen Meilenstein finanziert – der bei diesen Unternehmen dementsprechend spät liegt. Damit verschieben sich auch mögliche Ausfälle auf einen späteren Zeitpunkt.“

Kleinst- und Kleinunternehmen machen laut der Studienautoren den größten Teil der deutschen Unternehmenslandschaft aus. Betriebe, die zwei bis fünf Jahre alt sind, hatten über mehrere Jahre hinweg mit Abstand das größte Ausfallrisiko. In diese Kategorie fallen auch Start-ups, die länger am Markt sind. Bei sämtlichen Altersgruppen lag die Ausfallquote 2023 über dem Wert von 2019, also dem letzten Normaljahr vor der Corona-Pandemie und deren wirtschaftliche Auswirkungen. Nur bei den jungen Firmen, die höchstens 24 Monate alt sind, gab es eine Verbesserung. Demnach verzeichneten Start-ups selbst im schwierigen Finanzumfeld der letzten Monate weniger Insolvenzen als noch 2019.

„Das Ökosystem für Start-ups in der Frühphase hat sich in Deutschland in den letzten zehn Jahren sehr dynamisch entwickelt“, erklärt Investor Brandis. Im Jahr 2021 gab es eine Rekordsumme an Finanzierungen, insgesamt 15 Milliarden Euro sind in deutsche Start-ups geflossen – etwa fünf bis sieben Mal mehr als noch zehn Jahre zuvor. „Auch wenn die Investitionssumme in 2023 wieder auf sieben Milliarden Euro zurückgegangen ist, war sie in den Jahren während und nach Corona immer noch deutlich höher als in den Jahren vor 2019. Die bessere Kapitalverfügbarkeit erklärt somit die geringeren Ausfallraten.“

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Die Analyse von Creditreform basiert auf eigenen Datensätzen und bildet die gesamte deutsche Wirtschaft ab. „Wir gehen davon aus, dass die Zahlungsausfälle deutscher Unternehmen weiter zunehmen werden“, heißt es in der Studie. Für das aktuelle Jahr prognostiziert die Auskunftei eine Ausfallrate von 1,79 Prozent – ein Plus von 0,3 Prozentpunkten. Das entspräche dem höchsten Wert seit der Eurokrise 2013. Im Jahr 2025 soll sich die Anzahl der Insolvenzen und Firmenauflösungen wieder leicht verringern, schätzen die Autoren.

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