Aktienanalyse Netflix übertrifft alles – und verliert trotzdem

Quelle: Reuters

Streaming-Riese Netflix hat überragende Zahlen vorgelegt. Der Aktienkurs sackte trotzdem erst mal ab. Ein günstiger Moment für Anleger, die Aktie zu kaufen?

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Es könnte gerade kaum besser laufen für Netflix. Schon das Jahresende 2023 hatte dem Streaming-Riesen aus den Vereinigten Staaten ein sensationelles Geschäft beschert, in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres legte die Aktie immerin um 10 Prozent zu, das Allzeithoch aus dem Jahr 2021 von über 650 Dollar war zum Greifen nah.

Jetzt legte Netflix die Zahlen fürs erste Quartal 2024 vor und wieder übertraf das Ergebnis die Erwartungen der Analysten, wieder korrigierte das Unternehmen seine Geschäftsprognose nach oben. Das sollte eigentlich reichen, um die Aktie zu einem neuen Rekord zu treiben. Doch das Gegenteil trat ein.

An der Börse fiel die erste Reaktion auf die jüngsten Nachrichten erstmal negativ aus. Die Aktie fiel am Freitag zeitweise um fast 8 Prozent. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Kurs eher unter die Marke von 600 Dollar fallen wird statt neue Höhen zu erklimmen. Und das hat einen guten Grund.

Wenn es um die reinen Geschäftszahlen geht, hat sich Netflix hervorragend entwickelt. Der Umsatz stieg gegenüber dem starken Vorquartal nochmal um 15 Prozent, der Gewinn erhöhte sich um 54 Prozent. Auch konnte Netflix im Vergleich zum Schlussquartal 2023 die Anzahl der Abonnenten um 16 Prozent steigern. Dabei hatte es schon damals über einen Zuwachs an Neukunden von 12,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal berichten können. Der freie Cashflow stieg auf über 2,1 Milliarden Dollar – ebenfalls ein neuer Bestwert. 

Netflix korrigiert Erwartungen nach oben

Im Ausblick hat das Management deshalb seine Erwartungen nach oben korrigiert. Für das Gesamtjahr rechnet Netflix nun zum Beispiel mit einer Marge von 25 Prozent. Wenn man bedenkt, dass Netflix vor ein paar Jahren noch unter dem Verdacht stand, wohl für immer und ewig Geld zu verbrennen, weil ständig neuer teurer Content produziert werden muss, der auch nur wieder schnell langweilig wird, hat das Unternehmen seine Kritiker eindeutig eines Besseren belehrt.

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Aktuell konzentriert sich Netflix auf sein Werbegeschäft, in der Hoffnung, dass das dem Unternehmen den nächsten Wachstumsschub bringen wird. Daran hat sich seit Jahresanfang nichts geändert. Teil dieser Strategie ist ein im Vergleich zum Vollabonnement deutlich preisgünstigeres Abo, das durch gelegentliche Werbeunterbrechungen finanziert wird. Dieses Segment wuchs mit einer Steigerung der Mitgliedschaften um 65 Prozent auch am schnellsten. Anscheinend scheinen preissensitive Nutzer großen Gefallen am werbefinanzierten Rabatt zu finden. Das hat Netflix gut umgesetzt. Zumal bisher nichts darauf hindeutet, dass schon eine Sättigung eingetreten ist.

Bestraft für Intransparenz

Offensichtlich fand die Börse aber doch ein Haar in der Suppe. Das Manko heißt: Intransparenz. Denn Netflix gab auch bekannt, ab dem Jahr 2025 seine Nutzerzahlen nicht mehr bekanntzugeben. Obendrein soll künftig auch darauf verzichtet werden, den durchschnittlichen Umsatz je Abonnement (und Region) zu veröffentlichen. Ein wenig erinnert das an den Tech-Giganten Apple und seine Entscheidung vor einigen Jahren, die Anzahl der verkauften iPhone-Einheiten nicht mehr preiszugeben – ein Schritt, der seinerzeit ebenfalls kritisiert wurde. Wie bei Apple soll künftig nur noch der Gesamtumsatz sowie der Umsatz nach Regionen aufgeschlüsselt werden. 

Begleitet werden solche Umstellungen häufig mit Skepsis. Es liegt nahe, dass ein Unternehmen mit solch einem Schritt verschleiern wollte, dass das Wachstum womöglich nachlassen könnte. Davon möchte das Netflix-Management allerdings nicht wissen. Das Unternehmen selbst begründete den Entschluss damit,  dass die Abos zu unterschiedlich und nicht direkt miteinander vergleichbar seien. US-Nutzer zahlen zum Beispiel im Schnitt 17 Dollar für ein Abo, während es in Europa umgerechnet knapp 11 Dollar sind und in Südamerika gerade einmal etwas mehr als 8 Dollar. 

Netflix und das Werbegeschäft

Hinzu kommt, dass in manchen Ländern neben einem Vollabo mit bester 4K-Auflösung und ohne Werbung auch eines mit schlechterer Full-HD-Auflösung gewählt werden kann sowie besagtes günstiges Abo mit Werbeeinblendungen. Diese Ausdifferenzierung ist als Begründung für die Entscheidung, fortan weniger detailliert zu berichten und somit nicht mehr ganz so tief blicken zu lassen, durchaus nachvollziehbar. 

Ein weiteres Argument besteht darin, dass nun eben das Werbegeschäft zu einer tragfähigen zweiten Säule aufgebaut werden soll. Bisher wurde es nicht gesondert ausgewiesen. Es ist davon auszugehen, dass Netflix schon bald die Berichterstattung über die Geschäftszahlen nochmal umstellen und in zwei getrennte Geschäftsfelder aufschlüsseln könnte: das Kerngeschäft mit Content und das Werbegeschäft – mit größerem Wachstumspotenzial.

Dass die Anleger und Kunden dem Unternehmen seine Entscheidung lange übelnehmen werden, ist unwahrscheinlichh. Der Fall Apple hat gezeigt, dass das Wachstum nach dem Verzicht über Details in der Berichterstattung über die Geschäftsergebnisse nicht versiegte. Im Gegenteil: Apple konnte sogar noch zulegen. Bei Netflix ist das ebenfalls vorstellbar, zumal das Werbegeschäft erst noch in den Kinderschuhen steckt.

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Rücksetzer nicht groß genug

Gerade mag die Netflix-Aktie einen Dämpfer erlebt haben: Doch die starke operative Leistung sowie die anhaltende Vormachtstellung des Unternehmens auf dem Streaming-Markt haben weiterhin ihren Preis. Die Netflix-Aktie wird mit dem rund 35-fachen der freien Mittelzuflüsse (Cashflow) bewertet. Die Bilanz ist mittlerweile sehr robust, da die Verschuldung keine Bedrohung mehr darstellt. Das war vor einigen Jahren noch anders, damals lag der freie Cashflow im tiefroten Bereich. Es ist bereits großes Wachstum eingepreist. 

Sollte der Plan aber aufgehen und das Werbegeschäft tatsächlich nochmal die Umsätze und Gewinne in die Höhe treiben, ist durchaus vorstellbar, dass die Aktie auch auf 1000 Dollar zusteuern könnte. Das dürfte allerdings noch ein paar Jahre dauern. Fundamental orientierte Investoren warten lieber einen etwas größeren Rücksetzer ab und steigen dann ein.

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Fazit: Netflix weiß zu überzeugen. Die Änderung in der Zahlentransparenz wird heute negativ bewertet, dürfte in Zukunft aber niemanden mehr stören, solange das Wachstum stark bleibt. Die Profitabilität und der Cashflow stimmen ebenfalls.

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