Nach E-Roller-Verbot in Gelsenkirchen Her mit dem E-Roller-Führerschein!

Rollerfahren ist gefährlich, nicht nur auf dem Bürgersteig. Quelle: imago images

Gelsenkirchen verbietet Leih-E-Scooter. Hurra. Die Wildwest-Risiken dieser City-Geschosse sind nicht tragbar: Wir brauchen eine Führerschein- und eine Helmpflicht. Ein sehr persönlicher Kommentar.

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Ich bin an sich ein liberal denkender Mensch. Chacun à son goût, wie mein Großvater zu sagen pflegte. Nur bei E-Rollern werde ich so staatsgläubig wie das Zentralkomitee der chinesischen KP, gewürzt mit einem Touch Andreas Scheuer (immer noch CSU, glaube ich) und sogar einem Schuss des neuen Verbotspapstes Volker Wissing (FDP). Deshalb: Gut, dass Gelsenkirchen nun, à la Paris, die Dinger aus seiner Stadt verbannt – weil die Stadt die Risiken eindämmen will. Noch besser wäre, es gäbe, ganz allgemein und deutschlandweit, eine Helm- und Führerscheinpflicht.

Sanitäter schütteln nur die Köpfe

Mir geht es dabei nicht um die Wegesrand-Ästhetik mit grüngiftigen Scootern überall, auch nicht um die Fluss- und Gewässerbiologie, falls die Dinger dort landen. Mir geht es auch nicht nur um den Verleih. Sondern um die Sicherheit dieser Fahrzeuge generell. Aus persönlicher Erfahrung. Im vergangenen Jahr hat sich meine jugendliche Tochter, damals 15, bei einem Sturz von einem E-Scooter auf die Straße böse den Fuß verletzt. Sie hatte Glück, weil sie nicht auf den Kopf gefallen ist, musste dennoch ins Krankenhaus, mit Vollnarkose behandelt werden, beschäftigte sich monatelang mit der Verletzung. Auf dem Weg ins Krankenhaus schüttelten die herausragend freundlichen und geduldigen Sanitäter nur die Köpfe: Wieder einer dieser Unfälle. Wieder und wieder passiert das – als Ergebnis einer verfehlten verkehrspolitischen Laisser-Faire-Haltung.

Zahl der Verletzten bei E-Rollern steigt

Natürlich war meine Tochter selbst schuld. Kein Helm. Zu zweit auf dem Gerät, was verboten ist. Alle Mahnungen in den Wind geschlagen. Aber nicht mein verkehrspädagogisches Versagen ist entscheidend. Entscheidend ist, dass die Welt dieser Geschosse unzureichend reguliert ist. Der Unfall ist typisch. Laut einer Studie aus dem Jahr 2023 sind 40 Prozent der E-Roller-Verunglückten jünger als 25 Jahre.

Und diese Art der Unfälle nimmt zu: Laut frischen Daten des Statistischen Bundesamts vom März verletzten sich 2023 8317 Menschen in Deutschland bei Fahrten mit „Elektrokleinstfahrzeugen“, also E-Rollern, rund 12 Prozent mehr als noch im Vorjahr (2022: 7417). Auch bei Pedelecs stieg die Zahl Verletzen (auf 23470), bei Fahrrädern „ohne Hilfsmotor“ ging sie – freilich auf viel höherem Niveau – zurück (auf 70.647).

Gelsenkirchen will E-Leihroller verbieten

Die Risiken dieser Fahrzeuge stehen in keinem Verhältnis zu den Regeln, die es dafür gibt. Die besagen: Ab 14 darf man E-Roller fahren, ohne Führerschein. Es gibt keine Helmpflicht. Wie für Autofahrer gilt die 0,5-Promille-Grenze. Wo es Radwege gibt, müssen die benutzt werden, ansonsten heißt es: Fahrt doch bitte auf den normalen Straßen. Diese Bestimmungen sind angesichts der Risiken unzureichend, zumal es schon bei der Durchsetzung dieser Minimalregeln hapert.



Die Stadt Gelsenkirchen hat es versucht. Sie forderte, dass sich Nutzer der Leihdienste zumindest mit ihrem Personalausweis oder einem Führerschein registrieren müssen. Das soll es der Stadt erleichtern, Fehlverhalten zu ahnden. Weil die Leihdienste sich gegen die Pflicht sträuben, werden die Leihroller jetzt verboten. Die private Nutzung bleibt erlaubt, dort gilt ja immerhin zusätzlich eine Versicherungspflicht.

Baut eine Helmbox auf das Trittbrett

Gelsenkirchen ist ein richtiger Anfang. Aber das reicht nicht. Zumindest für Jugendliche sollte gelten: keine Nutzung von E-Rollern ohne eine Prüfung, von mir aus mit 14. Und eine unbedingte Helmpflicht, auch für Erwachsene, frei nach Scheuers viel gescholtener, aber sinnvoller Kampagne: „Looks like shit, but saves my life“. Vielleicht kann es Vermietern ja gelingen, eine elegante Helmbox dort auf dem Trittbrett zu platzieren, wo sonst gerne mal eine zweite Person thront.

Den Vorwurf, hier boomermäßig mit altbackenen, staatsbesessenen Kontrollfantasien zu wuchern, lasse ich mir privat wie ordnungspolitisch gerne gefallen. Wenige Tage nach dem Unfall meiner Tochter stand, am helllichten Tag, wieder ein Krankenwagen auf der Straße nahe der Unfallstelle. Ein Pulk von Menschen sammelte sich um eine Person, die auf dem Bürgersteig lag. Daneben ein umgekippter, grüner Roller.

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Liberalität ist schön und gut. In diesem Fall finde ich: Nicht jeder sollte so fahren können, wie er oder sie mag. Und an sich sollte das nicht nur für E-Roller gelten, sondern auch für Pedelecs.

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