Reiseverhalten So viel Geld geben die Deutschen für den Urlaub aus

2023 verreisten über 54 Millionen Deutsche - vor allem ins Ausland. Quelle: imago images

Nach der Coronapandemie halten nicht mal Krieg und Inflation die Deutschen vom Reisen ab. Im Gegenteil: Immer mehr Deutsche verreisen – und die Urlaubskosten steigen auf ein Rekordniveau.

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Bei der diesjährigen Analyse des Reisemarkts hatte Ulf Sonntag eigentlich etwas anderes erwartet. Der Projektleiter bei der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen rechnete damit, dass sich Inflation und Rezession noch stärker auswirken würden, vor allem bei einkommensschwachen Menschen. Und dass so weniger Deutsche in den Urlaub fahren würden.

Tatsächlich kam es anders. Zwar gab es im vergangenen Jahr insgesamt etwas weniger Urlaubsreisen, nämlich zirka 65 Millionen. Dafür erhöhte sich aber die Zahl derer, die mindestens einmal in den Urlaub gefahren sind auf über 54 Millionen. Im Jahr zuvor verreisten noch über eine Million Deutsche weniger. Damit wurde sogar fast das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht.

2019 verreisten hierzulande knapp über 55 Millionen. „Trotz der aktuellen Krisen schwingt auch noch das Pendel der Pandemie mit: 2023 war das erste komplette coronafreie Jahr und das haben die Leute ausgenutzt“, sagt Sonntag.

Bereits zum 54. Mal wurde die Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen erhoben. Befragt wurden dafür über 13.000 Menschen. Laut eigenen Angaben ist die Forschungsgemeinschaft der größte nichtkommerzielle Organisator und Auftraggeber von Tourismusforschung in Deutschland. Ihre Reiseanalyse ist eine Beteiligungsuntersuchung, an der sich Partner der Forschungsgemeinschaft beteiligen können, etwa Reiseveranstalter, Verkehrsbetriebe, Verbände und Hochschulen. Bei der Reiseanalyse kam auch heraus: Die Ausgaben für Urlaubsreisen sind drastisch gestiegen – und erreichten mit knapp 87 Milliarden Euro einen neuen Höchstwert. Ein Jahr zuvor knackten die Deutschen erst die 80-Milliarden-Marke. Zum Vergleich: Während der Corona-Hochphase 2020 gaben die hiesigen Urlauber nur 45 Milliarden Euro aus.



Pro Reise und Person zahlten die Deutschen laut der Analyse rund 1300 Euro. 2019 waren es noch knapp über 1000. Die Preissteigerung nähmen sie aber in Kauf: „Zumindest einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren ist den meisten hierzulande ja schon fast heilig“, sagt Sonntag. „Unsere Befragungen zeigen, dass die Deutschen eher an anderer Stelle im Leben oder im Urlaub selbst sparen würden, statt gar nicht zu fahren“.



Beim Urlaubsbudget im Verhältnis zum Einkommen gibt es laut Sonntag keine großen Unterschiede zwischen den Einkommensklassen: Überall werden ungefähr sechs bis acht Prozent des jährlichen Nettoeinkommens für den Urlaub aufgebracht.

Deutsche verreisen länger – und fliegen weiter

Ausgegeben wird das Geld laut der Analyse vor allem im Ausland. Auslandsreisen machten 2023 über drei Viertel aller Urlaube aus. Fast 51 Millionen Reisen gingen über die Landesgrenzen hinaus – Höchstwert. Spitzenreiter in der Tabelle der Lieblingsdestinationen ist Spanien, gefolgt von Italien, der Türkei, Kroatien und Griechenland.



Auch trotz krieg und Kriegen gebe es gute Gründe ins Ausland zu reisen. „Vieles scheint nicht mehr so sicher, wie wir uns das vor fünf Jahren vorgestellt haben, deswegen reisen viele lieber jetzt statt gleich ins Ausland, bevor es wieder Einschränkungen gibt“, sagt Sonntag. „Und ohnehin können viele dort besser abschalten, wo nicht das dasselbe Fernsehprogramm läuft und dieselbe Sprache gesprochen wird“.




Deshalb ergebe es auch Sinn, dass Fernreisen ebenfalls einen Rekordwert erzielt haben. An Auslandsreisen haben die mittlerweile einen Anteil von über neun Prozent, im Vorjahr waren es noch knapp unter sieben. Am liebsten flogen die Deutschen nach Nordamerika, in die Karibik und nach Südostasien. Auch hier zeigt sich laut Sonntag ein weiterer Corona-Effekt: „Vor der Pandemie ging es Reisenden eher um Erholung oder Zeit mit der Familie“, sagt er. „Wir sehen nun aber, dass die Gründe für Reisen eher in Richtung Neugier und dem Interesse am Fremden gehen, weil das so lange nicht so einfach möglich war“.

Das Inland als Reiseziel befindet sich mit einem Anteil von 22 Prozent in einem Allzeit-Tief. Punkten kann Deutschland laut der Analyse als Reiseziel nur, wenn es um Kurzurlaubsreisen geht. Und von denen spricht man bei der Reiseanalyse bei einer Dauer von zwei bis vier Tagen. Die durchschnittliche Reisezeit der Deutschen insgesamt lag 2023 bei knapp über 13 Tagen – fast einem Tag mehr als noch 2022. Bei den Kurzurlauben führen wiederum knapp 80 Prozent der Reisen nicht über die Landesgrenze hinaus. Falls es innerdeutsch bleiben soll, verreisen die Deutschen am liebsten nach Bayern, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern.



Kommen diese Positivtrends an ihre Grenzen? Die Reiseanalyse legt nahe, zu unterscheiden: Zwar geht über die Hälfte der Befragten davon aus, dass sich die allgemeine wirtschaftliche Situation in diesem Jahr verschlechtern wird. Geht es allerdings um die persönliche wirtschaftliche Lage, zeichnet sich bei den Reisenden ein optimistischeres Bild: Über zwei Drittel erwarten, dass ihre eigene Lage stabil bleibt oder sich sogar verbessert.

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Der Optimismus zeigt sich auch daran, dass sich laut der Reiseanalyse fast drei Viertel der Befragten trotz aller Krisen fest vorgenommen haben, zu verreisen. Bei 41 Prozent stehe jetzt sogar schon ein Ziel fest. Laut Ulf Sonntag sind das gute Voraussetzungen für ein erfolgreiches Tourismusjahr: „Erfahrungsgemäß werden die Leute sogar noch optimistischer, wenn die Urlaubszeit näher kommt“, sagt er. „Diese Zahlen sind denen von vor der Pandemie ähnlich, daher sieht es nach einem guten Jahr aus“.

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