Exklusives Ranking Der Kundenservice wird immer schlechter – das sind die positiven Ausreißer

Kunden haben seit der Corona-Pandemie höhere Ansprüche an den Kundenservice als früher. Notfalls reparieren sie Geräte jetzt selbst, mithilfe von Youtube-Videos. Quelle: picture alliance/Caro

Die Unzufriedenheit über den Kundenservice von Konzernen wächst, wie ein Ranking im Auftrag der WirtschaftsWoche zeigt. In allen Brachen gibt es jedoch auch Unternehmen, die sich gegen den Trend behaupten.

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Das Bild wackelt, zu sehen ist nur eine Männerhand, die zwei Schrauben aus dem Boden einer Spülmaschine dreht. Sechs Minuten lang geht das so, mehr passiert nicht. Ein voller Erfolg ist das Video trotzdem: „Fehler E15: Pumpentopfdichtung tauschen“ wurde auf YouTube bereits über 1,4 Millionen Mal angeklickt. Auch die Beiträge „Waschmaschine pumpt nicht ab“ und „Scheibenbremse schleift“ finden auf der Plattform deutlich siebenstellige Aufrufzahlen. Die Filmchen stehen damit stellvertretend für einen allgemeinen Trend: Immer mehr Menschen versuchen, kaputte Produkte selbst zu reparieren.

Das liegt zum einen an der Verfügbarkeit von Videos wie jenem über die Spülmaschinendichtung. Aber wohl nicht allein: Die Unzufriedenheit der Verbraucher mit dem von Unternehmen angebotenen Kundenservice wächst seit Jahren. Das dokumentiert eine Umfrage, die das Marktforschungsinstitut ServiceValue jedes Jahr im Auftrag der WirtschaftsWoche durchführen lässt. Dafür werden Verbraucher gebeten, gut 700 Unternehmen aus 40 Branchen mit Blick auf ihren Kundenservice zu bewerten. Jedes Unternehmen erhält von mindestens 150 Verbrauchern Schulnoten von eins bis sechs. Sie bewerten die zentralen Anlaufstellen im Service: Telefonhotline, E-Mails, Kontaktformular, Chat oder andere Kundenserviceformate. Und das Zeugnis ist unmissverständlich: Der Kundenservice von Unternehmen wird allgemeinen immer schlechter bewertet. Der beste Durchschnittswert lag bei der Umfrage 2017 noch bei einer Note von 1,90. Der beste Wert 2024 ist eine Note von 2,26 und geht an den Süßwarenhersteller Katjes.

Andreas Döge kennt Videos wie das über die Spülmaschine – und könnte sie durchaus als Kritik an seiner Arbeit interpretieren. Döge ist verantwortlich für den Bereich Kundendienstleistungen bei BSH Hausgeräte in Deutschland. Den Trend zur Kundenselbsthilfe sieht er gelassen: „Das können wir sowieso nicht blockieren, wollen wir auch gar nicht.“ Döge arbeitet seit über 20 Jahren im Kundendienst von BSH. Und beobachtet schon länger, dass viele Kunden kleine Probleme selbst lösen. Diejenigen, die sich doch an seine Abteilung wendeten, hätten dafür umso höhere Ansprüche, wollten möglichst komfortable und individuelle Servicelösungen.

Siegel Verbraucherservice und Kundenservice

Das bestätigt auch Tanja Liepolt, Expertin für Kundenservice bei der Beratungsfirma EY: „Manche wollen direkt eine neue Waschmaschine kaufen, andere wollen, dass jemand nach Hause kommt, und dann gibt es noch die Do-it-yourself-Fraktion.“ Und so werden die Ansprüche an den Kundenservice und mit ihnen die Kommunikationskanäle vielfältiger. Statt übers Telefon bieten immer mehr Unternehmen ihre Hilfe über Chatbots, Tutorialvideos und eigene Apps an. Bloß: Die Kunden überzeugt das offenbar nicht so recht. Die Zufriedenheit mit dem Verbraucherservice nimmt schon länger ab, seit der Coronapandemie ist die Unzufriedenheit noch mal sprunghaft gestiegen.

Dabei treffen zunehmend weniger Ressourcen auf Unternehmensseite auf wachsende Erwartungen der Kunden: Eine Studie 2022 des Beratungsunternehmens Deloitte sagt, dass die Anforderungen besonders der jüngeren Kundschaft an den Kundenservice seit der Pandemie gestiegen seien. Während Corona musste der Kundenkontakt viel häufiger online stattfinden, und dort erwarten gerade jüngere, onlineaffine Kunden Kompetenz. Laut Tanja Liepolt fiel es manchen Unternehmen schwer, der Verschiebung ins Digitale gerecht zu werden: „Corona hat den Innovationsdruck enorm verstärkt“, sagt Liepolt. Ältere Kunden seien von dieser Umstellung verwirrt: „Durch die zunehmende Vielzahl der möglichen Kommunikationskanäle ist es für den Kunden schwierig, den für ihn passenden Kanal zu wählen“, sagt Liepolt. Vor allem Ältere waren mit der Kommunikation über Chatbots und Kontaktformulare überfordert.

Matthias Riveiro, Experte für Kundenkontakt bei der Beratung PwC, führt den Abwärtstrend in den Bewertungen auf Fachkräftemangel und Personalkostensteigerungen zurück. „Unternehmen müssen sich fragen: Was kann ich mir leisten? Was will ich für den Kundenservice aufbringen?“, sagt der Berater.

Großes Investment, hoher Anspruch

Über die Jahre zeichnet sich in der Umfrage ein weiterer Trend ab: Hersteller und Händler von Lebensmitteln wie Süßwaren sowie Drogerieläden führen das Ranking mit guten Noten an. Hersteller und Händler von Elektro- und Haushaltsgeräten bilden das Mittelfeld. Durchschnittlich am schlechtesten bewertet werden Dienstleister, etwa Versicherungen und Mobilitätsanbieter.

Im Süßwarengeschäft biete das Produkt wenig Variabilität für Fehler, erklärt Beraterin Liepolt. „Wenn ich einen Produktionsfehler beim Gummibärchen habe, dann kann der Hersteller ja eine neue Kiste schicken, um das wieder gut zu machen.“ Die Anliegen seien bei Dienstleistern dagegen komplexer. Bei Mobilitätsanbietern etwa melde sich der Kunde vor allem dann, wenn etwas schiefgeht: „Bei Flugausfällen verpasse ich einen wichtigen Termin oder möchte in den Urlaub“, sagt Berater Matthias Riveiro. „Da ist der Servicevorfall häufig schon emotional vorbelastet.“
Bei Elektro und Haushalt schlägt sich BSH Hausgeräte dabei im Branchenvergleich gut. BSH-Mann Döge führt das auf die sorgfältige Auswertung von Kundenfeedback zurück. „Manchmal unterstellt man den Kunden eine bestimmte Erwartungshaltung. Und wenn man sie dann befragt, ist es ganz anders“, sagt er.

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Die Digitalisierung ist dabei ein zwiespältiger Trend. Einerseits bietet sie viele Möglichkeiten für innovative Arten des Kundenservice. Zugleich wird sie aber gern genutzt, um die Kosten für den Service zu drücken. Oliver Esch, Leiter des Kundenservice bei Fielmann, kennt diesen Vorwurf. Er bestätigt, dass auch seine Arbeit immer digitaler wird. Das aber nutze den Kunden, die „jeden Schritt ihres Einkaufs bei uns entweder online oder offline in einer unserer Niederlassungen absolvieren“, so Esch. Das Ranking gibt ihm recht, Fielmann schneidet hier besonders gut ab.
Bei BSH Hausgeräte können Kunden ihr Anliegen in einer App zunehmend selbstständig bearbeiten. Die App speichert Daten über das Gerät, lädt neue Updates und kann Fehlermeldungen analysieren. „Wir können viel individueller mit dem Kunden arbeiten, weil wir viele Dinge wissen, die man am Telefon gar nicht aufnehmen kann“, sagt Döge. Trotzdem werde so bald nicht alles digital laufen: „Wir lassen auch alle anderen Kanäle offen, auch das Telefon.“

Hier finden Sie die Tabellen mit den besten und top-platzierten Unternehmen des Rankings, unterteilt nach Verbraucherservice (Lebensmittelhersteller) und Zentraler Kundenservice (Hersteller und Händler von Ver- bzw. Gebrauchsgütern und Dienstleister)




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