Großrazzia bei Adler Real Estate Diese Deals könnten zum Verhängnis werden

Hausdurchsuchung bei der Adler Group Quelle: imago images

Die Staatsanwaltschaft prüft, ob die Bilanzen des Immobilienkonzerns zwischen 2018 und 2020 manipuliert wurden. Vor allem zwei Transaktionen könnten von Interesse sein.

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175 Ermittler der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und des Bundeskriminalamts (BKA) durchsuchen seit Mittwochvormittag unter anderem das Berliner Hauptquartier der Adler Real Estate AG. Auch bei Cevdet Caner, der jahrelang die Strippen bei Adler zog, sind die Ermittler angerückt. Das Handelsblatt hat hierüber zuerst berichtet. Ein Sprecher der Adler Group hat die Durchsuchungen mittlerweile bestätigt. 

Die Staatsanwaltschaft geht unter anderem der Frage nach, ob ehemalige Vorstände die Bilanzen des Unternehmens zwischen 2018 und 2020 falsch dargestellt haben. Indizien, dass die Zahlen aufgehübscht wurden, gibt es genug. Die WirtschaftsWoche hatte mehrfach darüber berichtet. Vor allem zwei Transaktionen zwischen 2018 und 2020 werfen Fragen auf.

Aber von vorn.

Die Unternehmensgeschichte der Adler Group war über Jahre hinweg fast zu schön, um wahr zu sein. 2012 wurde die bis dahin brach liegende Adler Real Estate AG mit Kapital ausgestattet, kaufte Wohnimmobilien ein und vermietete sie. Das Timing hätte kaum besser sein können – in Deutschland setzte gerade ein regelrechter Immobilienboom ein. Die Banken stellten großzügig Kredite zur Verfügung, die eingekauften Objekte wurden quasi von selbst jedes Jahr wertvoller und das Unternehmen wurde jedes Jahr größer. 2019 kam es dann zum ganz großen Coup. Die Adler Real Estate AG schloss sich mit der deutlich größeren Immobiliengesellschaft Ado Properties und dem Projektentwickler Consus zusammen und formte so die Adler Group, die zeitweise zu den größten Vermietern der Republik aufstieg.

Nur hatte die Erfolgsgeschichte  von vornherein einen Haken.

Geschäftsmann Cevdet Caner mischte bei Adler mit

Wie die WirtschaftsWoche bereits 2015 berichtete, mischte bei Adler von Beginn an eine bekannte Persönlichkeit aus dem Immobiliensektor mit: der österreichische Geschäftsmann Cevdet Caner. Er hatte einst die Gesellschaft Level One gegründet, die vollgepumpt mit Krediten und ohne nennenswertes Eigenkapital klammen Kommunen ihre Mietwohnungen abkaufte – bis ihn in der Finanzkrise die Banken stoppten.

2008 legte Caner die nach dem Fall Jürgen Schneider wohl zweitgrößte Immobilienpleite in Deutschland hin. Danach trat er lange Zeit nicht mehr offiziell am deutschen Immobilienmarkt auf. Insidern und Kennern der Branche zufolge lenkte er jedoch die Geschicke bei Adler mit, auch wenn sein Name in keinem Organigramm und keinem Handelsregister auftauchte. Die Firma hatte dies lange bestritten beziehungsweise Caners Engagement klein geredet. Erst 2021 räumten die Beteiligten ein, dass Caner umfangreich mitmischte.

Das allein wäre nicht weiter schlimm gewesen. Nur fiel auf, dass Adler ziemlich viele Geschäfte mit Personen aus Caners Dunstkreis abwickelte, und über die Jahre türmten sich auch die Indizien, dass es bei den Unternehmen, die heute zur Adler Group gehören, zu fragwürdigen Geschäften kam. 

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt befasst sich nun aber nicht mit allen zweifelhaften Geschäften, sondern nur mit den Transaktionen, die 2018, 2019 und 2020 stattfanden. Zwei Deals waren in diesem Zeitraum besonders auffällig.

Seltsame Wertsteigerung

Das Glasmacherviertel im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim ist mit 32 Hektar eine der größten Flächen in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, die für ein neues Quartier zur Verfügung stehen. Seit bald zehn Jahren sollen dort schon neue Wohnungen entstehen. Geschehen ist bis heute jedoch nicht sehr viel. Mehrfach wechselten die Eigentümer. 2017 übernahm eine spätere Adler-Tochter das Projekt für 142 Millionen Euro. Etwa zwei Jahre später verkaufte Adler 75 Prozent der Gesellschaft, die das Bauprojekt besaß, dann an Caners Schwager, auf Basis eines Projektwerts von 375 Millionen Euro.

Der Wert des Vorhabens sollte sich also innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt haben. Man hätte Adler zu diesem genialen Deal gratulieren können, wäre das Geld tatsächlich geflossen. Es floss aber nur eine Rate von 36 Millionen Euro  und selbst diese Rate zahlte Adler genau genommen teilweise selbst. Denn Caners Schwager zog das Geld nicht aus der eigenen Tasche. Vielmehr hatte die Gesellschaft, die das Bauprojekt besaß und in die er sich eingekauft hatte, ein Darlehen aufgenommen, von dem dann die Kaufpreisrate beglichen wurde. Der restliche Kaufpreis floss nie. Vielmehr wurde die ganze Transaktion später rückabgewickelt.

Das Landgericht Berlin hat einem Antrag von Aktionärsschützern teilweise stattgegeben. Eine Kölner Kanzlei soll untersuchen, ob der Österreicher Cevdet Caner faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft war.
von Melanie Bergermann

Die ganze Aktion wirkt ziemlich eigenartig, was auch die Forensiker der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG festhielten, die später ins Unternehmen geholt wurden. Im Abschlussbericht der Prüfer heißt es: „Der vereinbarte Kaufpreis lag rund 80 Prozent über dem intern kalkulierten Wert. Eine nachvollziehbare Begründung für den höheren Kaufpreis konnte uns nicht vorgelegt werden.“ Zwei Monate nach dem Verkauf sei vielmehr ein Gutachten eingeholt worden, wonach das Grundstück selbst „unter der besonderen Annahme der zeitnahen Baurechtsschaffung“ nur 220 Millionen Euro wert sein sollte.

Wer sich nun fragt, was so ein Deal für einen Sinn ergibt, wenn er doch  letztlich nur auf dem Papier stand und so nie durchgezogen wurde, ist wahrscheinlich auf der richtigen Spur. KPMG hält jedenfalls fest, dass die Transaktion zu einer „nach Auffassung von KPMG nicht sachgerechten Entlastung des LTV“ der Adler geführt habe. Mit anderen Worten: Durch den Deal könnte die Bilanz unrechtmäßig aufgehübscht worden sein.

Der Gerresheim-Deal

LTV steht für Loan-to-Value und ist in der Immobilienbranche eine wichtige Größe, um zu bemessen, wie solide ein Unternehmen ist. Bei der Berechnung dieser Verschuldungsquote sollte eigentlich nur das Immobilienvermögen ins Verhältnis zu den Schulden (abzüglich vorhandener Barmittel) eines Unternehmens gesetzt werden. Die Adler-Vorstände  haben aber nicht nur die vorhandenen Barmittel von den Schulden des Unternehmens abgezogen, sondern auch Forderungen. Das heißt: Der LTV verbesserte sich durch den Verkauf eines Objekts nicht erst, wenn er vollzogen und das Geld in der Kasse war – sondern bereits wenn der Verkauf eines Objekts vereinbart war.

Dadurch wurde die Möglichkeit geschaffen, auch mit Scheingeschäften – die also nur vereinbart, aber nie vollzogen wurden  – die Schuldenquote deutlich aufzuhübschen. In Bezug auf Gerresheim kommt hinzu, dass Adler nur 75 Prozent des Projekts verkauft hat. 25 Prozent blieben beim Unternehmen – und wurden durch den Verkauf der 75 Prozent zu einem wahnsinnig hohen Preis plötzlich viel mehr wert, auch wenn dieser Verkauf nur auf dem Papier stand. Das hat die Verschuldungsquote ebenfalls positiv beeinflusst. Adler konnte also durch den Gerresheim-Deal in einem besseren Licht erscheinen, als es eigentlich angemessen war.

Daniel Bauer, der Vorstandsvorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sagt: „Wir haben damit gerechnet, dass die Ergebnisse der KPMG-Untersuchung zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen führen.“ Die Hausdurchsuchungen seien zu begrüßen. „Die Maßnahme zeigt, dass der Kapitalmarkt kein rechtsfreier Raum ist.“

Der LTV wurde aber auch noch durch einen zweiten Vorgang positiv beeinflusst, der ziemlich zweifelhaft war.

Adler hätte jeden Euro gut gebrauchen können

Adler besaß Anteile an einer anderen börsennotierten Immobiliengesellschaft namens Accentro. 2017 verkaufte sie rund 80 Prozent an eine Firma, die laut mehreren Stimmrechtsmitteilungen von dem Londoner Geschäftsmann Natig Ganiyev beherrscht wurde. Ein wesentlicher Teil des Kaufpreises wurde zwar beglichen. Aber noch Ende 2021 – also mehr als vier Jahre später – schuldete die von Ganiyev beherrschte Firma Adler noch immer fast 60 Millionen Euro. Geplant war das so nicht. Immer wieder verstrichen Zahlungsfristen. KPMG zufolge wurden die Accentro-Aktien vom Käufer sogar zur Besicherung einer Finanzierung genutzt, obwohl sie ja eigentlich der Adler als Sicherheit dienen sollten.

Zu einer Wertberichtigung der Forderung kam es trotzdem erst einmal nicht. Warum der Vorstand die Summe nicht eintrieb, obwohl Adler ja jeden Euro gut gebrauchen konnte und sich im Zuge des Immobilienbooms sicher auch ein anderer Käufer hätte finden lassen, ist unklar. Klar ist nur: Der Deal taugte immerhin dazu, die offiziell ausgewiesene Verschuldungsquote der Adler Real Estate zu drücken.

Zur Erinnerung: Der Adler-Vorstand hübschte die Schuldenquote des Unternehmens auf, indem er Forderungen – so eben auch die gegenüber Ganiyev – von den Finanzverbindlichkeiten abzog. So verbesserte auch der Deal mit Ganiyev die Schuldenquote, obwohl kein Geld floss.

Ob diese Deals darauf zurückzuführen sind, dass Vorstände sich ein bisschen verschätzt haben, die Adler-Zahlen ein wenig pimpen wollten oder ob sich Dritte bereicherten, wollte KPMG gern raus finden. Die Prüfer stießen aber an ihre Grenzen. Nach eigenen Angaben wurden ihnen viele Unterlagen vorenthalten. Deshalb blieb trotz monatelanger Arbeit vieles im Unklaren.

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Die Frankfurter Staatsanwälte dürften nun wohl Zugriff auf jene Unterlagen bekommen und endgültig klären können, ob es stimmt, was Adlers Verwaltungsratschef Stefan Kirsten immer wieder beteuert hat: Dass unter Governance-Gesichtspunkten einiges bei Adler bedenklich gewesen sei, dass es jedoch keine Hinweise auf strafrechtliche Vergehen gebe. 

Lesen Sie auch: Der Adler-Eklat ist erst der Anfang

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