Neue Umfrage „Eklatante Nachfrageschwäche“: Handwerkssektor in der Krise

Die Geschäftserwartungen für das laufende Quartal lassen keine Konjunkturerholung im Gesamthandwerk erwarten. Quelle: dpa

Im deutschen Handwerk trübt sich die Geschäftslage ein. Besonders betroffen ist der Wohnungsbau. Der ZDH fordert dringend Wachstumsimpulse von der Politik. Was bedeutet das für Kunden?

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Viele Handwerksbetriebe in Deutschland stecken in einer schwierigen Lage. „Von einer konjunkturellen Entspannung im Gesamthandwerk kann keine Rede sein“, sagte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), der Deutschen Presse-Agentur. Weiter in der Krise ist vor allem der Wohnungsbau. Weil es dort deutlich weniger Neuaufträge gebe, dürften die Wartezeiten auf einen Handwerker hier laut ZDH weiter abnehmen.

Neue Konjunkturumfrage

Die Geschäftslage im Handwerk hat sich im ersten Quartal 2024 spürbar eingetrübt, wie eine neue Umfrage ergab. Grund sei insbesondere die schwächelnde Baukonjunktur und die schwache Nachfrage der Industrie. Insgesamt hätten nur noch 43 Prozent der Betriebe eine gute Geschäftslage gemeldet.

Die Geschäftserwartungen ließen für das laufende Quartal keine Konjunkturerholung im Gesamthandwerk erwarten. Allerdings sei die Lage zweigeteilt. Die Baukonjunktur leide unter dem schwachen Wohnungsbau und Verzögerungen bei der Energie- und Klimatransformation. Der Hochbau zeige eine „eklatante Nachfrageschwäche“, die sich insbesondere im Wohnungsbau zeige, hieß es. Die Order seien am Tiefpunkt einer Talsohle angekommen. Der Wohnungsbau wird seit längerem von gestiegenen Zinsen und Baukosten belastet. 

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Industriezulieferer würden von den schwachen Exporten der deutschen Wirtschaft belastet, hieß es weiter. Auf der anderen Seite scheine sich der Konsum zu erholen, wovon die übrigen Handwerksbranchen mehr oder weniger stark profitierten. Aufgrund des großen Gewichts der Bau- und Ausbaugewerke am Gesamthandwerk sei für das Gesamtjahr aber damit zu rechnen, dass die Umsätze real erneut sinken.

Wartezeiten und Preise

Termine bei Handwerksbetrieben seien aktuell sicherlich schneller verfügbar als noch vor einem Jahr, so der ZDH. „Aber gleich am nächsten Tag werden diese auch weiter nicht zu bekommen sein, außer es handelt sich um Notfälle. In den Bauhandwerken werden noch immer Auftragsbestände aus den Vorjahren abgearbeitet, auch wenn diese Auftragspolster abnehmen und absehbar auslaufen werden.“ Während Wartezeiten auf Handwerker im Wohnungsbau weiter abnehmen, sieht es bei energetischen Sanierungen anders aus. Die Nachfrage bleibt laut ZDH hoch, womit die Wartezeiten auf einem hohen Niveau verbleiben dürften. 

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Zur Entwicklung der Preise hieß es, höhere Ausgaben für Material, Energie und Löhne ließen sich nicht stemmen, ohne die Preise anzupassen. Dazu kämen hohe Lasten aus Berichts- und Nachweispflichten, die Personalkapazitäten im Betrieb binden und auch durch Aufträge „verdient“ werden müssten.

Handwerk hält Wachstumsimpulse für nötig

Der Handlungsdruck für die Politik habe in keiner Weise nachgelassen, so Dittrich. „Wenn die Handwerksbetriebe, die vor Ort täglich ihre Geschäfte betreiben, in großer Zahl davon berichten, dass ihre Aufträge zurückgehen, ihre Umsätze sinken, sich die Beschäftigtenzahl verringert und sie Investitionen wegen zu großer Unsicherheiten und fehlender verlässlicher Planungs- und Förderbedingungen nicht tätigen, dann sind das Fakten und kein Schlechtreden der Situation“. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte wiederholt davor gewarnt, den Standort schlechtzureden.

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 Der Handwerkspräsident nannte eine hohe Steuer- und Abgabenlast, die den Mittelstand in der Fläche treffe. „Gleiches gilt bei der Bürokratie, die das Handwerk vor allem aufgrund seiner verhältnismäßig kleinen Betriebsgröße besonders belastet: Im Handwerk liegen die Dokumentations-, Berichts- und Nachweispflichten in den meisten Fällen allein auf dem Schreibtisch der Betriebsinhaberin oder des Betriebsinhabers. Im Unterschied zu vielen großen Konzernen können sie sich eigene Abteilungen nur zur Bewältigung der Bürokratie schlicht nicht leisten.“ 

Dittrich forderte ein „mutiges, mittelstandsorientiertes Wachstumspaket“. Bei den anstehenden Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025 müsse die Regierung Zukunftsinvestitionen Vorrang einräumen, also mehr Bildung und Maßnahmen, die Deutschland im Wettbewerb stärken.

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