Thyssenkrupps Stahlsparte Kretinskys Einstieg lässt entscheidende Fragen offen

Daniel Kretinsky im Frühjahr 2023 in einem Pariser Hotel Quelle: imago images

Der Einstieg des tschechischen Investors Daniel Kretinsky bei der Stahlsparte von Thyssenkrupp lässt entscheidende Fragen offen. Sicher ist vorerst nur: Kretinsky ist jetzt der starke Mann in Duisburg. Ein Kommentar.

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Hat Thyssenkrupp-Chef Miguel López es jetzt allen gezeigt, die ihn als „Ankündigungsweltmeister“ oder als „Trommler“ bezeichnet haben?

Hat er, wider alle Kritik, jetzt mit dem 20-Prozent-Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky für einen echten Durchbruch beim Stahl von Thyssenkrupp gesorgt, endlich?

Und hat er so die Basis für eine verbesserte Dividendenfähigkeit des Konzerns gelegt?

Kretinsky ist jetzt Stahlbaron

Diesen Anschein erweckt der Deal, den López und Kretinskys Holding EPCG am Freitagvormittag vorgestellt haben. López hatte schon für das vergangene Jahr vorschnell eine 50:50-Joint-Venture mit dem Tschechen angekündigt. Jetzt ist es ein Anteil von nur 20 Prozent, den Kretinsky erwirbt.

Zumindest einen Teil seines Versprechens also hat López erfüllt. Der Aktienkurs hat das am Freitag belohnt.

Ein erster Schritt Richtung Loslösung ist also tatsächlich gemacht. Ab jetzt sitzt Kretinsky bei allen Restrukturierungsdiskussionen zum Stahl mit am Tisch. Er ist jetzt Stahlbaron – und ein mächtiger Mann in Duisburg. Bernhard Osburg, der Stahlchef, muss demnächst einen Business-Plan vorlegen. Der soll ausbuchstabieren, was es denn nun für Hochöfen, Walzwerke, Standorte und vor allem die Belegschaft heißt, dass die Rohstahl-Produktionskapazität in Duisburg von 11,5 auf 9 bis 9,5 Millionen Tonnen im Jahr gesenkt werden soll. Wie viele Stellen sollen gestrichen werden?

Kretinskys Leute werden bei allen elementaren Fragen mitreden. Das kann nützlich sein. Kretinsky mag sich mit dem Stahlgeschäft selbst nicht auskennen. Aber er ist Vollprofi, hat sich bei seinen Engagements stets kompetente Leute geholt – und dürfte wissen, dass eine simple Zerschlagung der Sparte politisch kaum geduldet würde. Zwei Milliarden Euro haben Bund und Land Nordrhein-Westfalen in die Direktreduktionsanlage bei Thyssenkrupp investiert. Auch Berlin und Düsseldorf mischen kräftig mit.

Andererseits: Einen Investor mit vergleichbarer Macht gibt es nun im ganzen Land kaum. Kretinsky ist in Ostdeutschland mit der LEAG an Kohleausstieg und Energiewende beteiligt – dort wird übrigens immer noch auf das grüne Licht aus Brüssel für die Zahlung der Entschädigungssumme von 1,7 Milliarden Euro gewartet. Und tief im Westen ist er jetzt in entscheidender Position bei der Transformation der Stahlbranche.

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von Florian Güßgen

Kretinsky hat alle Optionen

Kretinskys mächtige Rolle ist aber auch schon das Einzige, was bei dem Deal eindeutig ist. Bei für die Bewertung entscheidenden Punkten herrscht Unklarheit. Über den Kaufpreis wird geschwiegen. Es ist offen, was Kretinsky für den Einstieg bezahlt hat, wie hoch der Abschlag vom Buchwert ist, den López akzeptiert hat, akzeptieren musste. Es ist deshalb nicht erkennbar, wie sehr, wenn überhaupt, Kretinsky mit seinem Schnupper-Einstieg beim Stahl ins Risiko geht. Dass López die Existenz einer Ausstiegsklausel nach einem halben Jahr nicht verneint, zeigt, dass es für Kretinsky durchaus noch Fluchtmöglichkeiten gibt.

Gut möglich, dass López so sehr unter Druck stand, eine Erfolgsmeldung zu produzieren, dass er vorerst nur Scheinsieger ist – und dass Kretinsky den deutlich besseren Deal verhandelt hat. Er hat jedenfalls noch alle Optionen.

Das Narrativ, dass Kretinskys Firmengruppe mit ihrer Energieerfahrung Thyssenkrupp helfen kann, ist zudem sehr bemüht. Noch produzieren Kretinsky-Unternehmen wie die LEAG nicht den Grünstrom, geschweige denn den Wasserstoff, den Thyssenkrupp braucht. Und es ist völlig unklar, ob der, wenn die Kapazitäten irgendwann existieren, überhaupt besonders günstig an die Duisburger verkauft werden dürfte. Ja, klar, irgendwie kann sich das ergänzen. Und schaden wird die Energieerfahrung auch nicht. Aber das hier zwei zusammenfinden, die zwingend zusammengehören, ist eine Mär.

Ins Stadion geht López nicht

López scheint es zudem nicht zu gelingen, die Arbeitnehmerseite auch nur halbwegs für sich zu gewinnen. Der Aufschrei am Freitagvormittag jedenfalls war groß. Man sei sehr spät, zu spät, informiert worden, schimpfte IG-Metall-Vize Jürgen Kerner. „Das ist kein guter Stil und kein guter Start.“ Dabei sind die Arbeitnehmer seit vergangenem Jahr nicht prinzipiell gegen einen Einstieg Kretinskys. Sie wollen aber ein Konzept sehen. Auch der Versammlung der Stahl-Mitarbeiter im Stadion des MSV Duisburg am nächsten Dienstag bleibt López mit umständlichen Begründungen fern. Der Thyssenkrupp-Chef hat mitunter gute Argumente für den notwendigen Umbau auf seiner Seite. Aber es bleibt rätselhaft, warum er seinen Zwist mit der IG Metall ohne Not vertieft, so ungelenk auftritt.

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Denn um seinen Scheinsieg in einen echten, belastbaren Erfolg zu verwandeln, eine echte Geschäftsperspektive für den Stahl zu schaffen, wird López die Arbeitnehmer brauchen. Ein echter Erfolg setzt einen genauen Plan nicht nur für den Abbau von Produktionskapazitäten voraus, sondern auch für Investitionen. Bei alldem wird die Arbeitnehmerbank mitreden. Aber vielleicht ist es sogar so, dass Kretinsky den Ton hier besser trifft als López.

Lesen Sie auch: Was bedeutet Kretinskys Einstieg für Thyssenkrupps Stahlgeschäft?

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