Gestrichener Sonderurlaub für Väter, Homeoffice-Ärger und Umbauprogramme: Um den Softwarekonzern SAP wird es in diesem Jahr nicht ruhig. Nun berichtet das „Handelsblatt“, dass SAP als Teil seines angekündigten Großumbaus voraussichtlich 2600 Stellen in Deutschland streichen könnte. Zu der konkreten Zahl wollte sich ein Konzernsprecher nach Angaben des „Handelsblatts“ nicht äußern. Bisher war lediglich die Rede von 8000 Stellen, die von der Umstrukturierung betroffen seien. Welche Standorte betroffen sind, war bisher nicht bekannt.
„SAP hat im Januar ein Restrukturierungsprogramm für das ganze Unternehmen gestartet, um sich auf strategische Wachstumsfelder wie Business AI zu konzentrieren“, teilte der Sprecher mit. AI steht für Artificial Intelligence (Künstliche Intelligenz). „Diese Restrukturierung betrifft 8000 Arbeitsplätze. Wir behandeln die betroffenen Mitarbeiter mit größter Sorgfalt und Einfühlungsvermögen, indem wir ihnen unter anderem interne Stellenalternativen oder Freiwilligenprogramme anbieten.“ Dabei gebe es enge Kooperationen mit den Sozialpartnern in den jeweiligen Regionen. Die meisten betroffenen Mitarbeiter werden demnach in den nächsten Wochen benachrichtigt.
Das „Handelsblatt“ bezog sich auf eine interne E-Mail des europäischen Betriebsrats von SAP. Darin heißt es, dass auf Deutschland ein Schwerpunkt bei dem Stellenabbau lege. In der Mail kritisiert das Gremium den Großumbau, da dieser in erster Linie zur Kostensenkung gedacht sei.
Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken
Mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren erkunden die Maschinen ihre Umwelt. Sie speichern Bilder, Töne, Sprache, Lichtverhältnisse, Wetterbedingungen, erkennen Menschen und hören Anweisungen. Alles Voraussetzungen, um etwa ein Auto autonom zu steuern.
Neuronale Netze, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, analysieren und bewerten die Informationen. Sie greifen dabei auf einen internen Wissensspeicher zurück, der Milliarden Daten enthält, etwa über Personen, Orte, Produkte, und der immer weiter aufgefüllt wird. Die Software ist darauf trainiert, selbstständig Muster und Zusammenhänge bis hin zu subtilsten Merkmalen zu erkennen und so der Welt um sie herum einen Sinn zuzuordnen. Der Autopilot eines selbstfahrenden Autos würde aus dem Auftauchen lauter gelber Streifen und orangefarbener Hütchen zum Beispiel schließen, dass der Wagen sich einer Baustelle nähert.
Ist das System zu einer abschließenden Bewertung gekommen, leitet es daraus Handlungen, Entscheidungen und Empfehlungen ab – es bremst etwa das Auto ab. Beim sogenannten Deep Learning, der fortschrittlichsten Anwendung künstlicher Intelligenz, fließen die Erfahrungen aus den eigenen Reaktionen zurück ins System. Es lernt zum Beispiel, dass es zu abrupt gebremst hat und wird dies beim nächsten Mal anpassen.
Auch andere europäische Länder betroffen
Weiter heiße es, „dass das Management die geschäftliche Logik nicht ausreichend begründet und keine präzisen Informationen über Ineffizienzen vorgelegt habe“, schreibt die Zeitung. Der Programmname „Next Level Transformation“ sei eine beschönigende Umschreibung für Personalabbau.
Anfang Januar kassierte der Konzern bereits einige interne Regelungen ein. So verpflichtete das Management die Beschäftigten wieder zu drei Bürotagen pro Woche. Kurz zuvor machte die Konzernspitze auch bei der bezahlten Freistellung von Vätern einen Rückzieher. Heißt: Der sechswöchige Sonderurlaub für Väter wurde gestrichen. Als Grund nannte der Konzern damals das Scheitern von Plänen der Bundesregierung. Im September 2023 plante Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) eine sogenannte Familienstartzeit. Partnerinnen und Partner sollten nach der Geburt eines Kindes zwei Wochen frei bekommen. Ohne den Rechtsrahmen eines verabschiedeten Gesetzes sei die Rechtslage zur Umsetzung jedoch schwierig, hieß es aus dem Konzern.
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Neben den Stellenabbau in Deutschland sollen laut dem Bericht auch in anderen europäischen Ländern Personal eingestampft werden. Im Verantwortungsbereich des europäischen Betriebsrats sollten rund 4100 Stellen entfallen.
Unter den Beschäftigten stößt das auf Ratlosigkeit. Denn der Konzern erwartet im Geschäftsjahr 2024 wachsende Gewinne: Laut des veröffentlichten Finanzausblicks soll das Betriebsergebnis währungsbereinigt zwischen 17 und 21 Prozent ansteigen. Bei der für den Konzern wichtigen Cloud-Lösung wird ein Wachstum von 24 bis 27 Prozent erwartet. Das wäre ein Plus von 17 bis 17,3 Milliarden Euro. Hinzukommt, dass der Anteil besser planbarer Umsätze sich vorrausichtlich auf 82 Prozent erhöht. Bis 2025 könnten es sogar 86 Prozent werden. Damit erreicht das Softwareunternehmen seine gesetzten Ziele von dem Umbauprogramm 2020.
Ende 2020 ließ eine Gewinnwarnung den Börsenwert um rund 30 Milliarden Euro einkrachen. Der Marktwert von SAP wurde zwischenzeitlich auf unter 100 Milliarden Euro gedrückt. Christian Klein war damals nach dem Abgang der Co-Chefin Jennifer Morgan erst ein halbes Jahr alleiniger Vorstandschef. Und leitete daraufhin den ersten Umbau ein. Seitdem sei der CEO geradezu besessen davon, die Prognosen des Softwarekonzerns einzuhalten und die Erwartungen der Börse zu erfüllen, berichten enge Mitarbeiter Kleins.
Der Zeitplan
Wie der SAP-Sprecher mitteilte, plant Europas größter Softwarehersteller, den gesamten Restrukturierungsprozess bis Ende des ersten Quartals 2025 weltweit abzuschließen. „Gleichzeitig werden wir weiterhin in wichtige Wachstumsbereiche investieren und erwarten, dass wir das Jahr 2024 mit stabilen Mitarbeiterzahlen beenden.“
Der Hype um Künstliche Intelligenz in der Softwarebranche hatte sich im vorvergangenen Jahr an der Veröffentlichung des Dialogsystems ChatGPT entzündet. Seither möchten alle Softwarekonzerne ein Stück vom erhofft großen Kuchen abhaben und stecken viel Geld in die Technologie.
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