Gründerszene Wie Mittelstand und Start-ups zueinander finden

Quelle: imago images

Die Zeiten niedriger Zinsen sind vorbei, das spürt auch die Start-up-Szene. Könnte der Mittelstand dort einspringen, wo klassische Kapitalgeber ausfallen? Wir haben nachgefragt.

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Deutschland gilt nicht gerade als Start-up-Nation. Wirtschaftsflaute und Zinswende machen diesen Zustand nicht besser: 2023 ist die Zahl der Neugründungen laut des Start-up-Verbands um fünf Prozent zurückgegangen. Potenzielle Geldgeber halten ihr Kapital zusammen. Die Rettung könnte aus dem deutschen Mittelstand kommen.

Fragt man Kerstin Hochmüller, Geschäftsführerin des Garagentorantriebsherstellers Marantec, und Helen Tacke, Gründerin des Klimacontrolling-Start-ups Cozero, ist die Antwort klar: In der Zusammenarbeit zwischen den Leistungsträgern der deutschen Wirtschaft und den Hoffnungsträgern der Zukunft liegt ein großes Potenzial. Doch es kommt auf die richtige Einstellung an.

„Es ist meine Überzeugung, dass gerade bei Themen, die mit Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu tun haben, Start-ups sehr gute Ansprechpartner sind“, sagt Hochmüller. Sie ist überzeugt, dass Menschen, die ihren Sinn in einer Aufgabe sehen, Probleme besser lösen können als solche, „die reflexartig sagen: Was ist das für ein schreckliches Problem – und dann erst an Lösungen denken“.

Die Mittelständlerin ist also angetan von der Motivation, mit der die Jungunternehmer an ihre Aufgaben herangehen. So klar, so verständlich. Doch warum sollten Start-ups ihre Hoffnung auf eine große Portion Risikokapital gegen eine solche Kooperation eintauschen?

Kooperation statt Kämmerlein

Es macht einen Unterschied, räumt Tacke ein, aber den sieht sie positiv: „Dadurch, dass wir keine Millionen von Risikokapitalgebern genommen haben, sind wir davon abhängig, dass wir uns auf Lösungen konzentrieren und für Unternehmen bauen, die einen klaren Wert generieren und für die eine Zahlungsbereitschaft existiert. Darauf basiert unser Geschäftsmodell.“

Dennoch dürften die Partner keine Wunder erwarten: „Natürlich können wir als Start-up nicht auf allen Gebieten mit großen, etablierten Unternehmen mithalten“, sagt sie. „In der Zusammenarbeit mit einem Start-up muss ein Kunde auch Abstriche machen“. Beispielsweise müsse die Bereitschaft da sein, mit nicht final entwickelten Produkten zu arbeiten. Dafür entwickeln Start-ups Technik ihren Worten nach schneller weiter.

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Die Gründerin, die ursprünglich aus der Finanzwelt kommt, ist überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit dem Mittelstand vor allem dann Sinn ergibt, wenn die etablierten Partner zur anvisierten Kundengruppe gehören. Das Stichwort: Co-Creation, also „die Entwicklung der Plattform in enger Zusammenarbeit mit den Kunden“. Das hält Tacke für zielführender, als mit viel Risikokapital im stillen Kämmerlein eine Lösung zu entwickeln.

Und das Ergebnis überzeugt: „Aus meiner Erfahrung sind die Lösungen, die Start-ups anbieten, besser, einfacher und handhabbarer. Zwischen einer Cozero-Plattform und SAP liegen Welten“, sagt die Marantec-Chefin.

Die Vorurteile sind real

Hochmüller macht jedoch im selben Atemzug klar: Die Berührungsängste im Mittelstand gegenüber Start-ups sind kein Klischee. „Meinem Empfinden nach ist das so.“ Beide Unternehmerinnen sind sich einig, dass es sowohl auf Seiten der etablierten Unternehmen als auch auf Seiten der Start-ups viele Vorurteile gibt.

„Allein die Fragen, die mir gestellt werden“, erzählt Hochmüller. Es gehe um Geheimhaltung, Absicherung und die Frage, ob das Start-up überhaupt überlebt. Auf Gründerseite weiß Tacke daher, was sie an ihrem Partner hat: „Dass uns hier ein Vertrauensvorschuss gewährt wird, sehe ich als riesige Chance für die Zusammenarbeit.“

Gleichzeitig appelliert sie an ihre Gründerkollegen, transparent mit den eigenen Schwächen umzugehen. „Unsere Strategie ist, viele Dinge offenzulegen, eine gewisse Ehrlichkeit an den Tag zu legen und Erwartungsmanagement zu betreiben. Dazu gehört auch, dass es Dinge gibt, die nicht zu 100 Prozent zu lösen sind.“ Das sei der beste Weg, um Vertrauen aufzubauen.

Letztlich, so die Marantec-Chefin, müssten Mittelständler aber vor allem bereit sein, auch bei kritischen Themen über ihren Schatten zu springen. „Was das Thema Datensicherheit angeht, geben wir Verträge natürlich auch in die IT und lassen das prüfen.“ Blauäugig geht sie also trotz der Vertrauensbasis nicht an die Sache heran. „Der Unterschied ist, ob man das in den Fokus stellt, weil man nach Gründen sucht, wieso die Zusammenarbeit nicht funktioniert.“
Wie schmal der Grat sein kann, der über Erfolg oder Misserfolg einer Kooperation entscheidet, zeigt sich auch an anderer Stelle. „Vor Kurzem war ich bei einer Veranstaltung, da wurde gefordert, Start-ups sollten bestimmte Worte wie ,Summit' nicht benutzen, damit der Mittelstand sie verstehen kann“, berichtet Hochmüller.

Bedenken, Vorurteile und Stilfragen – wollen Mittelstand und Gründerszene zusammenarbeiten gilt es, eine gemeinsame Basis zu finden. Tacke und Hochmüller haben für sich bereits einen gemeinsamen Nenner gefunden: Die unternehmerische Identität, die Größe ihres Betriebs ist für die beiden hier zweitrangig, sie begegnen sich auf Augenhöhe.

Wer sucht, der findet

Und wie finden Mittelständler und Start-ups zueinander? Das muss gar nicht schwierig sein: „Wenn Mittelständler den Kontakt zu Start-ups suchen, gibt es viele Events, zu denen man gehen kann, um sich kennenzulernen“, beschreibt Hochmüller den herkömmlichen Weg zur Anbahnung. Es sei aber auch sinnvoll, proaktiv bei bekannten Start-ups anzufragen, ob sie nicht helfen können. „Einfach weil Start-ups sich natürlich auch in ihrer Welt auskennen, wie ein Mittelständler in seiner Branche“, sagt sie.

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