Fangen neue Mitarbeiter in der Kölner Marketingagentur Linn Media an, müssen sie als eine der ersten Amtshandlungen einen Fragebogen ausfüllen. Keine Fragen zum Geburtstort oder dem Lieblingsessen wie bei manch anderen jungen Tech-Unternehmen, sondern zu Präferenzen in der Kommunikation. Die Idee ist eine Art Bedienungsanleitung für die künftigen Kollegen. Geschäftsführerin Linn Marie Wandrowsky nennt das „How to handle me“; auf Deutsch: „Wie man am besten mit mir umgeht“.
Als die Kölner Agenturinhaberin Anfang April im Karrierenetzwerk Linkedin von ihrem Fragebogen berichtet, reagieren weit über Tausend Personen darauf. Die meisten sind neugierig. „Mein Ziel ist es, Missverständnisse im Team zu vermeiden, die Kommunikation untereinander zu fördern und dem Einzelnen Gehör zu geben“, erzählt Wandrowsky im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Oft gehe man davon aus, dass Gesprächspartner ähnlich wie man selbst denke. Oder ordne ein Verhalten fälschlicherweise anders ein. Diesen Trugschlüssen soll die Anleitung Abhilfe schaffen. „Das stärkt schlussendlich auch die Produktivität und alle können maximal effizient an ihren Aufgaben arbeiten.“
Die 28-Jährige unterstützt mit ihrer Agentur Kunden wie den Händler Fahrrad XXL und die Krankenkasse DAK beim Social-Media-Marketing. Seit 2020 führt Wandrowsky das kleine Unternehmen, vorher arbeitete die studierte Ingenieurin im Bauwesen. Den Fragebogen für ihr Team habe sie vor etwa einem Jahr eingeführt. Ein US-amerikanischer CEO habe in den sozialen Netzwerken ein Videoclip geteilt, in dem er eine Bedienungsanleitung über sich selbst vorstellte. Das habe die Kölner Marketingexpertin inspiriert.
Im Internet seien Dutzende Versionen verfügbar, die Coaches für Teambuilding-Maßnahmen oder Partnerschaften empfehlen. Aus dieser Fülle an Fragen habe sie ihren eigenen Leitfaden erstellt. Sowohl ihre bestehenden sechs Angestellten als auch drei neue Kollegen haben das „How to handle me“-Schriftstück ausgefüllt. Wandrowsky hat dafür eine Vorlage erstellt mit 16 Beispielfragen, weitere zwölf für Führungskräfte. Dort heißt es etwa: Wie möchtest du Feedback erhalten? Beginnst du Gespräche lieber mit Smalltalk oder kommst du direkt zur Sache? Was frustriert dich? Wie sollen deine Teammitglieder Entscheidungen treffen: gemeinsam oder allein?
Hilfe bei Vertrauensbasis
„Die Fragen dienen als Orientierung, am Ende schreibt jeder seine eigene Anleitung. Manche geben sich richtig Mühe und erstellen eine Präsentation, andere machen nur Stichpunkte“, erläutert die Geschäftsführerin. „Wenn man keine Antwort hat oder sich damit nicht wohl fühlt, muss nicht jede Frage beantwortet werden.“ Im Anschluss spricht Wandrowsky mit den Angestellten noch einmal persönlich darüber und stellt ihnen frei, ihre Persönlichkeitsanalyse im Team-Meeting vorzustellen und dort gegebenenfalls weitere Fragen zu beantworten. Das Dokument wird zudem für alle in einem Ordner gespeichert.
Nach anfänglicher Skepsis ihres Teams habe sie nur positive Erfahrungen mit dem Fragebogen gemacht, berichtet die Kölner Marketingchefin. Ihrer Meinung nach schafft dieses Vorgehen von Anfang an eine Vertrauensbasis. Haben Mitarbeiter einen schlechten Tag, würden sie mitunter auf ihr „How to handle me“-Dokument verweisen, um ihre Gegenüber nicht zu irritieren, berichtet Wandrowsky.
Zuspruch von Personalexperten
„Ein Vorteil, den solche Bedienungsanleitungen mit sich bringen, ist die niedrige Hemmschwelle, die eigenen Präferenzen und Bedürfnisse mitzuteilen. Manche Mitarbeitenden tun sich schwer so etwas in einem direkten Gespräch erst zu erfragen oder zu artikulieren“, meint Frank Kohl-Boas, Vizepräsident des Bundesverband der Personalmanager*innen und Personalverantwortlicher bei der Zeit Verlagsgruppe. Eine solche Erklärung könne definitiv bei der Zusammenarbeit helfen, glaubt er.
Die unterschiedlichen Typen eines Teams
Er übernimmt gerne die Vorbildfunktion, hält das Team zusammen und spornt die anderen an. Außerdem spricht er Bedenken an und präsentiert Lösungen für Probleme. Um ihn zu motivieren, kann der Chef ihm zusätzliche Verantwortung übertragen – sowohl hinsichtlich inhaltlicher Entscheidungen als auch beim Führen der restlichen Mannschaft. Sich immer wieder neu zu beweisen, ist seine zentrale Motivation.
Er kann ständig Höchstleistungen abrufen, liebt Herausforderungen und reagiert schnell auf neue Anforderungen – auch unter Druck. Der Top-Performer erwartet regelmäßige Belohnungen für Erfolge. Diese können sowohl materieller Natur sein, aber auch Lob und Aufstiegschancen motivieren ihn.
Er ist neutral und fair gegenüber allen Beteiligten, egal ob Kollegen, Kunden oder Lieferanten. Er hat die Gabe Emotionen und Fakten zu trennen. Dieser Typ fühlt sich besonders in Abteilungen beziehungsweise Betrieben wohl, die ihr Handeln an Unternehmenswerten ausrichten. Auch ihn motiviert eine gewisse Entscheidungsfreiheit, allerdings braucht er Richtlinien, an denen er sich orientieren kann.
Er ist ein langjähriger Mitarbeiter, auf dessen Leistung man sich verlassen kann. Außerdem teilt er sein Wissen gerne, bringt so das gesamte Team voran. Auch der Profi will durch neue Aufgaben gefordert und gefördert werden. Motivieren Sie ihn, in dem Sie ihn als Mentor für neue Mitarbeiter oder Verbindungsmann zwischen verschiedenen Abteilungen einsetzen. Das zeigt, wie sehr Sie seine Erfahrung schätzen.
Die meisten Neuen wollen schnell lernen und sich im Team einfügen. Sie bringen neue Ideen und wertvolles Wissen mit. Mit einem Einarbeitungsplan könnte der Vorgesetzte den Neuankömmling motivieren. Seine Rolle sollte darin ebenso geklärt werden, wie die übergeordneten Geschäftsziele. Regelmäßiges Feedback sind besonders für die Neuen wichtig.
„Allerdings darf mit der Bedienungsanleitung nicht die Erwartung einhergehen, dass sich jeder ohne Wenn und Aber genauso verhält, um den Präferenzen zu entsprechen.“ Die Team-Mitglieder sollten trotz des Schriftstücks flexibel bleiben und bei Missverständnissen keinen Anspruch für ihr Verhalten erheben können. Der Personalexperte kritisiert zudem, dass neue Kollegen die Fragen gemäß den Erwartungen des Unternehmens beantworten würden.
Lesen Sie auch: So erreichen Chefs ihre Belegschaft wirklich
Die Kölner Agenturinhaberin Wandrowsky ist sich dieser Kritik bewusst. Aufgrund der flachen Hierarchien in ihrer kleinen Firma antworten ihrer Erfahrung nach alle ehrlich auf die Fragen. Auch, weil sie als Geschäftsführerin selbst ihre Schwächen und Präferenzen niedergeschrieben hat.
Mit Blick auf ihre frühere Laufbahn im Bauingenieurswesen fügt die 28-Jährige außerdem hinzu: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch in großen Organisationen funktioniert. Dort würde man die Fragebogen dann in den kleineren internen Teams umsetzen.“ Die Voraussetzung sei, dass eine Person dieses Experiment anleitet. „Der erste Impuls muss aus der HR-Abteilung kommen.“
Kohl-Boas vom Bundesverband der Personalmanager*innen sind keine weiteren Unternehmen bekannt, die systematisch mit einer solchen Anleitung arbeiten. Ganz neu ist dieses Instrument für ihn aber nicht: „Ich kenne Mitarbeitende in verschiedenen Unternehmen, die sich selbst eine Bedienungsanleitung gegeben haben.“
Lesen Sie auch: Das können können Führungskräfte tun, wenn sie in der Kritik stehen