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Der Zinsabwärtstrend der letzten 40 Jahre, der 2022 sein vorläufiges Ende fand, kommt wohl so schnell nicht wieder. Quelle: imago images

Das sind die Eckpfeiler für die Kapitalmärkte in 2024

Zum Jahresende liegt es nahe, Eckpfeiler zu adressieren, die auch 2024 die Kapitalmärkte beeinflussen dürften. Langfristige Trends wie der zunehmende Einfluss der Geopolitik in einer multipolaren Welt gehören dazu. Eine Kolumne.

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Ohne Frage dürfte auch 2024 von der Geopolitik mitgeprägt sein. Nachdem der US-Kapitalmarkt gemessen an der Marktkapitalisierung nahezu die Hälfte des Weltkapitalmarktes ausmacht, ist der Ausgang der US-amerikanischen Wahlen im November ein bedeutendes und auch einflussreiches Ereignis. Der Krieg zwischen Russland und Ukraine geht in das dritte Jahr und die Frage ist zu stellen: dauert er länger als der Koreakrieg oder kommt es zu einem Ende? Eine ähnliche Frage dürfte sich, unter anderem Vorzeichen, für den Nahen Osten stellen: Ende oder aber Ausweitung und Verlängerung des bewaffneten Konfliktes. In Europa sollte, falls die Europawahlen ihrem Ruf einer Protestwahl erneut gerecht werden, die aktuelle Zerrissenheit des Projektes Europa noch offenkundiger werden.

Ein politischer Meilenstein sind für die Kapitalmärkte die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November 2024. Die Vorwahlperiode hat noch nicht begonnen, und dennoch scheinen die beiden Hauptkandidaten bereits gesetzt zu sein, der ehemalige Präsident Donald Trump und der aktuelle Präsident Joe Biden. Trump führt das Kandidatenfeld der Republikaner derzeit mit über 60 Prozent Zustimmung an, und kann es sich sogar leisten, die internen Vorwahldebatten zu verweigern.

Biden ist vom Democratic National Committee (DNC) mit so vielen günstigen Regeln zur Nominierung beglückt worden, dass sein größter innerparteilicher Rivale Robert Kennedy Jr. beschlossen hat, als Unabhängiger zu kandidieren. Verhindern die Gerichte nicht die Kandidatur Trumps und die Gesundheit nicht die Kandidatur Bidens, dann sollte es zu einer Neuauflage des Duells von vor vier Jahren kommen. Derzeit sprechen die Wahlumfragen eine recht eindeutige Sprache und favorisieren Donald Trump, aber und gerade bei Meinungsumfragen ist ein Vorlauf von 12 Monaten eine lange Zeit. Für die Märkte dominiert eher die Wirtschafts- denn die Außenpolitik. Falls die Wirtschaftspolitik der jeweilig ersten Amtszeit wiederholt werden sollte, ist bei den Republikanern eher mit Deregulierung und Steuersenkungen, bei den Demokraten eher mit höheren Staatsausgaben und voraussichtlich auch höheren Steuern zu rechnen.

Der Krieg in der Ukraine zeigt derzeit keine Anzeichen, beendet werden zu können. Nach Aussagen des Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte, Zaluhznyi, zitiert im britischen Wirtschaftsmagazin Economist, befindet sich der Konflikt in einem „Stalemate“, in einem festgefahrenen Stellungskrieg, Time Magazine, WSJ sowie Washington Post haben zuletzt ein für die Ukraine noch düsteres Bild gezeichnet. Aktuell ist davon auszugehen, dass dieser Krieg in ein drittes Jahr eintreten wird und dass die tragischen, mit diesem Krieg verbundenen Ereignisse gerade im bevorstehenden Winter noch dramatischer werden dürften, voraussichtlich aber nicht der Einfluss auf die Kapitalmärkte.

Selbst wenn sich im Laufe des Jahres 2024 eine Verhandlungslösung abzeichnen sollte, kann ich mir aufgrund der tiefen politischen Gräben und des hohen Misstrauens nicht vorstellen, dass diese dann zu einem Tauwetter zwischen Russland und den G7 führen könnte oder die Aufhebung der westlichen Sanktionen auslösen würde.

Auch der Kapitalmarkteinfluss der jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten sollte begrenzt bleiben. Vom Krieg zwischen Israel und der Hamas in Gaza waren die globalen Kapitalmärkte zunächst nicht betroffen. Das würde wohl auch bei einer Ausweitung des kriegerischen Konflikts auf das Westjordanland oder den Libanon gelten. Der Kapitalmarktimpuls wäre aber dann höher und käme über die Energiepreise, wenn eine potentielle Ausweitung die USA und Iran miteinbeziehen würde. Das ist gegenwärtig nicht unsere Erwartung, wohl aber ein aufmerksam zu beobachtendes Risiko, das steigen dürfte, je länger der Krieg andauert.

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Der Übergang von einer unipolaren Welt nach dem Fall der Berliner Mauer zu einer multipolaren Welt, in der neben die G7 die BRICS+ und andere regionale Bündnisse treten, hat zusammen mit den Erfahrungen des Krieges in der Ukraine und der Coronapandemie einen Trend zur Fragmentierung in der Weltwirtschaft ausgelöst, den ich an dieser Stelle schon verschiedentlich adressiert habe und der in der Essenz für sich alleine genommen wachstumsdämpfend und inflationssteigernd wirkt. Das ist ein von den aktuellen bewaffneten geopolitischen Konflikten unabhängiger, genereller Trend, der 2024 anhalten wird, aber nicht die entscheidenden Weichenstellungen für ein einzelnes Jahr setzen sollte.

Losgelöst vom Trend zur Fragmentierung gilt: Die Inflation ist da, und wird wohl auch nicht mehr so schnell gehen, und das bringt uns in eine eigentlich „normale“ Zeit zurück. Vergessen scheint manchmal die Sorge vor Deflation und japanischen Verhältnissen im vergangenen Jahrzehnt. Bereits im Sommer 2022 hatte ich notiert, das Biest der Inflation ist frei und sie hat Höhen erreicht, die zuletzt vor 40 Jahren gesehen wurden.

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Dass die Jahresraten der Inflation in diesem Jahr zurückgehen würden, war allgemein erwartet worden, schon allein technisch bedingt – schließlich hätte es einen neuen Energiepreisschocks bedurft, um den dämpfenden Effekt des Herausfallens der initialen Energiepreisschocks aus der 12-Monatsbetrachtung bei der Inflation zu verhindern. Umgekehrt hat aber bereits zur Jahresmitte 2023 die Kerninflation, d.h. die Inflation ohne die Preisentwicklungen bei Nahrungsmitteln und Energie, die Gesamtinflation überschritten.

2024 verspricht daher ein zentrales Jahr für die Bedeutung der Inflation für die künftige Entwicklung der Märkte zu werden. Unabhängig von Energie und Nahrungsmitteln muss sich zeigen, wie der Inflationsschock die Erwartungen und das Verhalten der Preissetzung beeinflussen wird. Dämpfend wird dabei sicher zu beachten sein, dass China eher Disinflation exportieren wird und die Wirtschaftsaussichten nicht für einen Nachfrageimpuls in Richtung höherer Inflation sprechen. Aber das Verhalten der Menschen ist in Bewegung geraten, die Risiken für eine längerfristige Neuausrichtung der Inflationserwartungen an höhere Niveaus sind da. Selbst bei einem weiteren Rückgang der Inflation spricht vieles dafür, dass im Westen die von Notenbanken proklamierten Ziele 2024 noch nicht erreicht werden. Damit dürften, selbst wenn der positive Trend weiter anhält, die Niveaus der Inflationsraten nur kleinere Notenbankschritte nach unten ermöglichen, und, da sind wir leider wieder bei der Geopolitik, die Risiken sind über die Energiepreise asymmetrisch zu bewerten.

Mit Blick auf die langen Zinsen kommt neben dem limitierten Notenbankspielraum und geschilderten Inflationsbild noch hinzu, dass als Folge der multipolaren Welt die Exporterlöse des „Global South“ nicht notwendigerweise überwiegend in US-Treasuries konvertiert werden müssen und insofern die in den Developed Markets gewachsene öffentliche Gesamtverschuldung ebenfalls den Zinsdruck aufrechterhalten wird.

Aus meiner Sicht ist klar: Der Zinsabwärtstrend der letzten 40 Jahre, der 2022 sein vorläufiges Ende fand, kommt so schnell nicht wieder. Die Botschaft für Kapitalmärkte ist auf jeden Fall: Nicht nur die Niedrigzinsphase ist vorbei, sondern auch der „There Is No Alternative“-Trade, das heißt die erzwungene Notwendigkeit immer mehr in risikoreichere Assets zu investieren. Denn es wird in den meisten etablierten Kapitalmärkten zwei attraktive Alternativen geben: Cash und Staatsanleihen, wobei je nach Erwartung des Inflationsverlaufes das eine oder das andere die bessere Alternative sein wird - risikoreichere Assets herausfordern werden aber beide.

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Und daraus schlussfolgere ich: Die längerfristigen Trends sprechen damit gegen einen übertriebenen Optimismus und eine generelle Attraktivität über alle Assets. Vielmehr wird die Selektivität steigen: Jede Assetklasse muss in puncto Bewertungen und Zukunftsperspektiven in der Evaluation positiv überzeugen.

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