Streaminganbieter Krise bei Cliq Digital löst Kurssturz aus

Streaming auf dem Smartphone ist beliebt Quelle: imago images

Anleger des Streamingdienstes Cliq Digital müssen erneut schlechte Nachrichten verdauen. Nachdem bereits die Dividende zusammengestrichen wurde, gibt das Unternehmen nun eine Gewinnwarnung heraus.

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Zwei Tage vor der Präsentation der Finanzdaten für das erste Quartal 2024 sorgt der deutsche Streaminganbieter Cliq Digital für Unruhe unter den Aktionären. Am 6. Mai teilte das Unternehmen mit, dass die Prognosen für die ersten drei Monate und auch für das gesamte Jahr wohl deutlich verfehlt werden. Innerhalb weniger Stunden brach der Aktienkurs um mehr als 30 Prozent ein. Wurde das Papier am am Morgen noch zu 16,50 Euro gehandelt, stürzte der Kurs innerhalb weniger Stunden auf etwa zehn Euro ab.

Zuvor erklärte Cliq Digital in einer Ad-hoc-Nachricht, dass man für das Jahr 2024 nicht mehr mit einem Umsatz zwischen 360 und 380 Millionen Euro rechne. „Die neue Prognose lautet: Umsatzerlöse zwischen 300 und 330 Millionen Euro“, heißt es in der Meldung. Beim erwarteten Ebitda für dieses Jahr ist die Abweichung noch deutlicher. Beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen kalkuliert Cliq Digital nicht mehr mit 52 bis 58 Millionen Euro, sondern nur noch mit 26 bis 30 Millionen Euro – also einem Rückgang um etwa 50 Prozent. 

Was auffällt: Für das erste Quartal 2024 rechnet das Unternehmen nur noch mit einem Ebitda in Höhe von 5,3 Millionen Euro. Grund dafür seien „Sonderfaktoren im Zusammenhang mit dem konzernweiten Transformations- sowie Steueroptimierungsprogramm“, teilt das Unternehmen mit. Details, die Investoren interessieren würden, lässt Cliq Digital offen.

Das Geschäftsmodell des Streamingdienstes steht schon länger in der Kritik. Das Unternehmen startete Anfang der 2000er-Jahre als Bob Mobile AG und verdiente sein Geld unter anderem mit dem Verkauf von Handyklingeltönen. Schon damals geriet es ins Visier von Verbraucherschützern. Mittlerweile mit neuem Namen am Markt, wirbt das Unternehmen nun als Streaminganbieter um Kunden. Im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern auf dem Streamingmarkt verdient Cliq Digital nach eigenen Angaben damit bisher sogar Geld. Das spiegelte sich lange auch im Aktienkurs wider. 

Im Sommer 2019 wurde die Cliq-Aktie noch zu 2,30 Euro gehandelt, knapp zwei Jahre später erreichte der Kurs ein Allzeithoch von 39 Euro. Eine Aktienerfolgsstory Made in Germany, die allerdings schon länger Zweifel aufkommen lässt. Denn Cliq Digital verdient sein Geld keineswegs nur mit zufriedenen Kunden. Das Angebot ist mäßig, zudem gibt es massenhaft Beschwerden zu zweifelhaften Internetseiten.

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Hohe Marketingkosten

Besonders vor der Streamingseite Pulsler.com, für die eine britische Tochterfirma von Cliq Digital zahlreiche Google-Anzeigen buchte, wurde zuletzt im Netz gewarnt. Fast täglich gingen auf dem Portal Trustpilot neue Beschwerden ein. Ein Kunde aus Italien berichtete, dass er während der Registrierung eines Druckers ungewollt auf die Seite von Pulsler geleitet wurde. Weil er glaubte, dass er ein Formular des Druckerbauers ausfüllt, gab er seine Daten ein. „Das war der Beginn eines teuren Abonnements“, schrieb er. 49 Euro pro Monat sollte er für ein Streamingangebot zahlen, das er nie wollte. Eine Französin schloss nach eigener Aussage ein unfreiwilliges Abo bei Pulsler ab, als sie Theaterkarten kaufte. 

Cliq Digital erklärte im Dezember 2023 zu den Vorwürfen, dass sich 7,5 Millionen Menschen bei Pulsler registriert und „lediglich 325 bzw. 0,0043 Prozent den Dienst mit einem Stern bei Trustpilot bewertet“ haben. Proportional gesehen sei dies eine recht geringe Zahl. Zudem heißt es, dass man „immer ein kostenloses Probeabonnement und eine unkomplizierte Kündigungspolitik“ anbiete und dass neue Mitglieder „immer klar über alle Abonnementschritte“ informiert würden.

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Wer näher hinschaut, bekommt nicht den Eindruck, dass das Geschäftsmodell besonders nachhaltig ist. Immer wieder ruft die Firma ähnlich aussehende Internetseiten ins Leben. Bestandskunden, die ein Abo abgeschlossen haben, bleiben im Schnitt nur acht Monate. Deshalb müssen immer wieder neue Kunden her. Dafür rollt die Marketingmaschine an – und das kostet: Waren es 2020 noch 34 Millionen Euro, gab das Unternehmen 2023 über 120 Millionen Euro für Marketing aus, also mehr als ein Drittel des Gesamtumsatzes. Es sei „der Treibstoff, der benötigt wird, um die Marketingmaschine namens Cliq anzutreiben“, so das Unternehmen. Teurer Treibstoff, gemessen an Mitbewerbern: Branchenprimus Netflix etwa investierte im dritten Quartal 2023 nur sieben Prozent des Umsatzes in Marketing.

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Mittlerweile fährt auch Cliq Digital die Marketingkosten zurück. Im ersten Quartal wollte man 35,4 Millionen Euro in Kundenakquisition investieren. Stattdessen gab man nur 29,3 Millionen Euro für das Marketing aus. Ob strategische Gründe oder eine angespannte Finanzlage hinter den Kürzungen stecken, ist unklar.

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Stark gekürzte Dividende

Immerhin: Wer früh bei Cliq Digital eingestiegen ist, konnte sich lange Zeit nicht nur über einen Kursgewinn freuen. „Wir zahlen jedes Jahr Dividenden. Was will man mehr?“, fragte Vorstand Luc Voncken Ende vergangenen Jahres noch stolz in einem Interview, das auch auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlicht wurde. 14 Cent pro Aktie schüttete der Streamingdienst 2020 an die Aktionäre aus, ein Jahr später waren es schon 46 Cent. Über 1,10 Euro stieg die Dividende bis 2023 auf stolze 1,79 Euro, was zum damaligen Kurs einer Dividendenrendite von etwa zehn Prozent entsprach. 

Zuletzt gab das Unternehmen indes bekannt, die Ausschüttung zu streichen. Stattdessen sollte es ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von bis zu 13 Millionen Euro geben. Auf der Hauptversammlung kam es zu einer Kehrtvolte: Immerhin vier Cent pro Aktie spendierte Cliq Digital den Aktionären dann doch noch, was einer Gesamtsumme von etwa 258.000 Euro entspricht.

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Kritische Anleger sahen damals schon dunkle Wolken aufziehen. Spannend wird, wie die Vorstände Ben Bos und Luc Voncken, deren Verträge vom Aufsichtsrat zuletzt für weitere fünf Jahre verlängert wurden, den Anlegern die aktuelle Lage erklären werden. Gelegenheit dazu haben sie am 8. Mai, wenn sie Investoren bei einem Earnings Call Rede und Antwort stehen.

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