Verkehrte (Finanz-)welt Warum Finanzkompetenz für die Bewältigung aktueller Herausforderungen so wichtig ist

Was ihre Finanzen angeht, ist die Bildung der meisten Menschen dürftig. Quelle: imago images

Umfragen legen nahe: Deutschland ist im OECD-Vergleich ein Spitzenreiter beim Thema Finanzbildung. Doch: Ist dies tatsächlich so? Eine Kolumne.

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Einige der wesentlichen Herausforderungen der heutigen Zeit – Inflation, Finanzierung des Klimawandels, private Altersvorsorge – erfordern zumindest Grundkenntnisse im Bereich finanzielle Bildung. Je früher man diese Kompetenz erlangt, desto besser.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert „Financial Literacy“ wie folgt: „Eine Kombination aus Bewusstsein, Wissen, Fähigkeiten, Einstellung und Verhalten, die notwendig ist, um fundierte finanzielle Entscheidungen zu treffen und schlussendlich die individuellen finanziellen Ziele zu erreichen“. Es geht also nicht allein um theoretische Wissensgewinnung, sondern vielmehr um die Möglichkeit und Fähigkeit, Gelerntes im täglichen Leben anzuwenden.

Wie gut ist die Finanzbildung in Deutschland?

Eine statistisch valide und international vergleichbare Messung des Grades der Finanzbildung von Erwachsenen und Jugendlichen erfolgt seit dem Jahr 2000 regelmäßig durch die OECD (bei Erwachsenen in eigens dafür konzipierten Umfragen, bei Jugendlichen als Beiprodukt der PISA-Studien).

Aus den letzten beiden Untersuchungen, die im Jahr 2020 und 2022 durch die OECD beziehungsweise in deren Auftrag durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) durchgeführt wurden, ergeben sich widersprüchliche Signale: Folgt man den Ergebnissen, hat Deutschland den höchsten Wissensstand aller teilgenommenen OECD Länder.

Indes: Nur 21 Prozent aller deutschen Teilnehmer und Teilnehmerinnen konnten die zehn Basis-Fragen, die sich etwa auf Zinsen, Geldanlage und Inflation beziehen, richtig beantworten. Zudem schätzen 72 Prozent der Deutschen ihren eigenen Wissensstand lediglich als durchschnittlich oder sogar als nicht gut ein.



Der vermeintlich „OECD-Klassenbeste“ sollte sich daher bei der Förderung von Finanzbildung keinesfalls ausruhen.

So wird Finanzkompetenz vermittelt

Die Möglichkeiten für Erwachsene, sich finanziell weiterzubilden, sind in Deutschland primär auf Eigeninitiative zurückzuführen. Für Kinder und Jugendliche sind nachweislich die Eltern die wichtigste Bildungsquelle – und nicht die Schule. Die Gründe liegen nicht in der fehlenden Nachfrage, eher in den Angeboten: Da das Schulfach Finanzen deutschlandweit weder verpflichtend noch mit einer Mindeststundenzahl (eines vollwertigen Nebenfachs) ausgestattet ist, gibt es große regionale Unterschiede. So lassen die Ergebnisse einer Studie der Flossbach von Storch Stiftung vermuten: Kinder und Jugendliche erhalten bis zur 10. Klasse beispielsweise in Nordrhein-Westfalen und Hessen zwar fünfmal (!) so viel Unterricht in finanzieller Bildung wie in Berlin oder Thüringen, allerdings absolut nur mit 75 Prozent der Stundenzahl eines vollwertigen Nebenfachs.

Externe Finanzexperten verschiedener Organisationen spielen daher darüber hinaus eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Finanzwissen, etwa

  • im Rahmen der von der OECD jährlich veranstalteten Global Money Week (nächster Termin in Deutschland: 17.-25. März 2025)

  • durch Vorschläge für Schulmaterialien für die Unterrichtsgestaltung (z.B. Bundesbank)

  • durch gezielte Lehrerfortbildungen (z.B. diverse Hochschulen)

  • im Rahmen von Verbandstätigkeiten und Arbeitsgruppen zur Finanzausbildung (etwa Zusammenarbeit mit Universitäten und Schulen der CFA Society Germany)

  • durch individuell mit Lehrkräften abgestimmte Vorträge im Rahmen des Unterrichts.

Neben zahlreichen Büchern und Zeitschriften werden finanzielle Themen zudem immer stärker in den sozialen Medien durch sogenannte „Finfluencer“ beworben. Da deren Zielgruppen auch Jugendliche sind, sollten bereitgestellte Informationen kritisch konsumiert werden.

Nationale Strategie

Trotz vieler Einzelprojekte fehlte in Deutschland bislang eine nationale Finanzbildungsstrategie. Die „Initiative zur Finanziellen Bildung“ der Bundesregierung (federführend sind das Bundesfinanzministerium und das Bundesministerium für Bildung und Forschung) soll dies in Zusammenarbeit mit der OECD beheben. Per Ende Dezember 2023 wurde mit der Schaffung des Finanzbildungsportals „Mit Geld und Verstand“, auf der alle Angebote einheitlich gebündelt werden, ein Meilenstein erreicht. Ebenso wurde eine Förderrichtlinie für zusätzliche Forschung verabschiedet.



Die OECD hat bereits in vielen Ländern die Erarbeitung nationaler Finanzbildungsstrategien begleitet. Wie die Umsetzung in der Praxis aussehen könnte, kann man am Beispiel Österreichs nachvollziehen. Dort startete die nationale Finanzbildungsstrategie im Jahr 2021. Positive Effekte mit Blick auf Finanzwissen und Finanzverhalten lassen sich – hauptsächlich auf Sparverhalten und Budgetierung, noch nicht ausreichend auf Verschuldungsverhalten – bereits nachweisen, so eine Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Ausblick

Es besteht ein erhebliches strukturelles Angebotsdefizit in der staatlichen Bereitstellung von qualitativ hochwertiger Finanzbildung in Deutschland. Der Umsetzungsstart der deutschen Finanzbildungsstrategie ist somit eindeutig zu begrüßen. Insbesondere die aus der Taufe gehobene zentrale Finanzbildungsplattform sollte, sofern sie von allen Stakeholdern angenommen und mit Leben gefüllt wird, eine passende Zusammenführung zwischen Angebot und Nachfrage herstellen. Die gute Implementierung des Themas Finanzbildung in das föderalistische Bildungssystem erfordert in Deutschland eine erhebliche Umsetzungsbereitschaft bei Bund und Ländern gleichermaßen.

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Da es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die Finanzbildung zu verbessern, sollten auch externe Finanzexperten von Hochschulen beziehungsweise der öffentlichen und privaten Finanzindustrie in diesen Prozess eingebunden werden beziehungsweise sich aktiv einbringen.

Die Kolumne „Verkehrte Finanzwelt“ entsteht in Zusammenarbeit mit der CFA Society Germany.

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