Angriffe auf Containerschiffe Was die Huthi-Attacken wirtschaftlich bedeuten

Huthi-Kämpfer veranstalten eine Kundgebung gegen die Angriffe der USA und Großbritanniens auf von den Huthis betriebene militärische Einrichtungen. Quelle: dpa

Der Beschuss von Schiffen durch Huthi-Rebellen hat die Weltgemeinschaft alarmiert. Die Schäden sind überschaubar. Doch es gibt noch einige Unwägbarkeiten. Ein Gastbeitrag.

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Im November 2023 begannen Huthi-Rebellen mit Angriffen auf Containerschiffe im Roten Meer — laut eigenen Angaben als Reaktion auf Israels Intervention in Gaza seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023. Die Attacken auf den Seehandel intensivierten sich im Dezember 2023. Trotz wiederholter Warnungen und einer inzwischen militärischen Antwort der USA und ihrer Verbündeten setzen die Huthi ihre Angriffe fort.

Viele Reedereien verlegen ihre Routen um das Kap der Guten Hoffnung, was zu erheblichen Verzögerungen und damit verbundenen wirtschaftlichen Effekten im Seehandel führt. Zusammen mit dem Suezkanal bildet das Rote Meer einen geoökonomischen Knotenpunkt als kürzeste Seeroute zwischen Europa und Asien. Die Huthi nutzen nun ihren Zugriff darauf, um ihre politischen Ziele durchzusetzen.

Trotz der Bedeutung für den Welthandel sollten sich die globalen wirtschaftlichen Folgen der Ereignisse im Rahmen halten. Dass ausgerechnet die USA und Großbritannien, nicht aber China, Indien und nur bedingt die EU politisch und militärisch einschreiten, verwundert. Schiffe, die von Europa nach Asien oder umgekehrt reisen, können durch das Rote Meer die erforderliche Strecke erheblich abkürzen, sodass bis zu 15 Prozent des Welthandels die Route nutzen. Gegenüber der alternativen Route rund um Afrika kommt es zu erheblicher Zeit- und Treibstoffersparnis, so dauert die Route von Ostasien nach Nordwesteuropa durchschnittlich 40 Tage, gegenüber circa 52 Tagen auf der südlichen Strecke um das Kap der Guten Hoffnung.

Auch Öl- und Gasexporte aus dem Persischen Golf kommen über diese Strecke nach Europa. Darüber hinaus spielt das Rote Meer eine wichtige Rolle im Rahmen der von China initiierten „Belt and Road Initiative“ (BRI). Gemeinsam mit dem Suezkanal bilden sie ein Teilstück der „maritimen Seidenstraße“, die von der chinesischen Küste bis ins italienische Triest reicht. Aufgrund der deutlich niedrigeren Kosten für den maritimen Containertransport wird der Hauptanteil des Handels entlang der Seidenstraße nach wie vor über den Seeweg abgewickelt — über 70  Prozent  der chinesischen Exporte in BRI-Länder und über 50  Prozent  der Importe aus BRI-Ländern gelangen per Schiff ans Ziel.

Der längere Seeweg hat natürlich direkte wirtschaftliche Effekte. Das Tesla-Werk südöstlich von Berlin musste die Produktion für zwei Wochen pausieren und auch Lieferketten von IKEA und Aldi sind betroffen. Der Frachtraten-Index FBX 11, der Spot-Preise für 40-Fuß-Container auf der Strecke von China nach Nordeuropa aggregiert, stieg sprunghaft von unter 2000 US-Dollar im November auf über 5000 US-Dollar Mitte Januar.

Dennoch dürften Verbraucher die Effekte kaum spüren. Gesamtwirtschaftlich decken Importe rund ein Drittel der Nachfrage. Bis zu geschätzten 15 Prozent  der nach Deutschland importierten Güter könnten von einer Umleitung der Containerschiffe betroffen sein. Handelskosten betragen im Durchschnitt (mit erheblichen Variationen für bestimmte Güter) nur circa ein Prozent des Endverbraucherpreises, daher erzeugt ein starker kurzfristiger Anstieg der Frachtraten nur einen eingeschränkten Preiseffekt für Konsumenten. Das Gros der Effekte wird vermutlich kurzfristiger Natur sein — bis sich Unternehmen auf die längere Strecke rund um Afrika eingestellt haben.

Schneller schlau: Huthi-Rebellen

Seit Mitte Januar hat sich die Anzahl der in Hamburg, Bremen, Antwerpen und Rotterdam ankommenden Containerschiffe um 25 Prozent reduziert; seit Anfang Februar normalisiert sich die Lage wieder. Unternehmen mit bestehender Lagerhaltung konnten diese Zeit überbrücken. Inzwischen fällt auch der Frachtraten-Index FBX 11 wieder und ist Anfang Februar unter 5000 US-Dollar gesunken. Da zeitkritische Güter ohnehin selten per Frachtschiff transportiert werden, deutet viel darauf hin, dass die geoökonomische Macht, die die Huthis ausspielen wollten, nur von kurzer Dauer war.

Die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer haben weltweit Besorgnis ausgelöst, was am 11. Januar 2024 zu einer Forderung des UN-Sicherheitsrats nach einem sofortigen Ende der Attacken führte. Elf Länder stimmten dafür, während Russland, China, Algerien und Mosambik sich enthielten. Am 12. Januar griffen dann die USA und Großbritannien Stellungen der Huthi-Miliz im Jemen an. Am 8. Februar beschloss die EU, sich mit einer Militärmission an Bemühungen zur Sicherung der Handelsschifffahrt zu beteiligen.

Verwunderlich ist die scheinbare Abwesenheit Chinas. Geschätzte 60 Prozent der Exporte Chinas nach Europa nutzen die Route und auch chinesische Schiffe sind Ziel der Raketenangriffe geworden.

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Die Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer unterstreichen die Fragilität globaler Handelswege und die Verwundbarkeit geoökonomisch wichtiger Knotenpunkte. Während die kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen begrenzt bleiben dürften, offenbart die Krise tieferliegende Fragen der internationalen Sicherheitspolitik und der globalen Handelsordnung. Das Ausbleiben einer einhelligen Reaktion der internationalen Gemeinschaft, insbesondere die Zurückhaltung Chinas, wirft Fragen in Bezug auf die geopolitischen und geoökonomischen Prioritäten auf. Ähnlich wie während der Coronapandemie zeigt sich, dass die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und resiliente Lieferketten von entscheidender Bedeutung sind.

Der Beitrag ist eine Übernahme aus "Wirtschaftsdienst-Zeitschrift für Wirtschaftspolitik“, Ausgabe 2/2024. 

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