CDU-Parteitag Wohin steuert die CDU unter Friedrich Merz?

Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, hält seinen Blumenstrauss nach der Wahl zum Bundesvorsitzenden beim CDU-Bundesparteitag hoch. Beim Parteitag der Union wird die Führungsspitze neu gewählt und ein neues Grundsatzprogramm beschlossen. Quelle: Carsten Koall/dpa

Vor der Wiederwahl von CDU-Chef Merz werben mehrere Ministerpräsidenten der Union für den Parteivorsitzenden. Mit Erfolg, wie das Ergebnis der Abstimmung beim Bundesparteitag zeigt.

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Tag der Wahrheit für Friedrich Merz: Mit einer Rede des Parteichefs startet die CDU an diesem Montag in ihren Bundesparteitag. Die 1001 Delegierten wollen auf dem dreitägigen Konvent die Parteiführung neu wählen, ein neues Grundsatzprogramm diskutieren und den Startschuss für den Europawahlkampf geben.

Bei dem Parteitag unter dem Motto „Zukunft gemeinsam gewinnen“ wollen sich die Christdemokraten fünf Wochen vor der Europawahl als Gegenmodell zur Ampel-Koalition präsentieren. Für Aufsehen hatte unmittelbar vor Beginn des dreitägigen Treffens ein Vorstoß des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther gesorgt, die CDU solle sich wieder mehr an der Politik der früheren CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel orientieren. Generalsekretär Carsten Linnemann erwartet eine kontroverse Debatte am ehesten über das Thema Wehrpflicht und Gesellschaftsjahr.

Möglicherweise auch um das Streitpotenzial von vorneherein gering zu halten, hatte Merz schon gestern Abend vor Journalisten erklärt, es werde keinen internen Streit auf dem Parteitag geben: „Wir streiten nicht und sie werden von uns keinen Streit hören, keinen Streit sehen, sondern sie werden eine sehr geschlossene Partei CDU Deutschland sehen.“ Er erwarte, dass es ein großes Maß an Geschlossenheit gebe in der Partei und auch ein Signal des Aufbruchs.

Zum Auftakt des CDU-Parteitags gibt Friedrich Merz den nachdenklichen Vorsitzenden, der seiner zerrüttenden Partei wieder Orientierung geben will. Ein wenig mehr Offensive hätte nicht geschadet. Ein Kommentar.
von Daniel Goffart

Wiederwahl der CDU-Parteiführung

Im Mittelpunkt des ersten Tages des Delegiertentreffens in Berlin steht am Montag die erste Wiederwahl des 68 Jahre alten Sauerländers Merz, der auch Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag ist. Auf den 68-Jährigen entfielen 873 der 972 gültigen Stimmen. Es gab 99 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen. Die CDU, die anders als andere Parteien Enthaltungen nicht wertet, errechnete daraus ein Ergebnis von 89,81 Prozent. Enthaltungen mitgerechnet, betrug das Ergebnis 88,99 Prozent. Merz bedankte sich „für das großartige Vertrauensvotum“.

Merz war 2022 erst im dritten Anlauf zum Nachfolger von Angela Merkel gewählt worden, die die Partei bis 2018 geführt hatte. Zunächst scheiterte er gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und später gegen Armin Laschet. Die Neuwahl des Bundesvorstands steht turnusgemäß alle zwei Jahre an. „Ich freue mich auf die Arbeit, die jetzt vor uns liegt in den nächsten zwei Jahren“, sagte Merz. Dies würden harte Jahre, aber die CDU werde sie mit Rückenwind aus diesem Parteitag bestehen.

NRW-Ministerpräsident und CDU-Landeschef Hendrik Wüst sicherten Merz vor der Wahl die geschlossene Unterstützung der Delegierten aus Nordrhein-Westfalen zu. „Friedrich Merz kann sich bei seiner Wiederwahl als Parteivorsitzender auf eine geschlossene Unterstützung aus der Heimat verlassen“, sagte er nach Angaben von Teilnehmern am Rande eines Treffens der NRW-Delegierten. Merz habe es geschafft, der Union nach der verlorenen Bundestagswahl 2021 Stabilität zu geben. Die NRW-CDU stellt knapp ein Drittel – 305 – der 1001 Delegierten.

Richtung der CDU

Schleswig-Holsteins Regierungschef Günther zettelte vor Beginn des Parteitags eine kleine Richtungsdebatte an. „Viele, die unter Merkel CDU gewählt haben, erreichen wir im Moment nicht – aber sie sind nicht unerreichbar“, sagte der CDU-Mann den Zeitungen der Funke Mediengruppe.



Es gebe viele unzufriedene Grünen-Wähler, die wechselbereit wären. „Angela Merkels Kurs der Mitte war ihr Erfolgsrezept.“ Die Ampel habe in der Bevölkerung einen miserablen Ruf. „In einer solchen Lage müsste die Union eigentlich besser dastehen als im Moment.“ In bundesweiten Umfragen erzielt die Union etwa 29 bis 32,5 Prozent. Bei der Wahl 2021 hatte sie nur 24,1 Prozent erreicht.

Merz reagierte darauf gelassen. In der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ sagte er, die Frage, die Günther thematisiert habe, werde von allen in der Union gemeinsam geführt. „Wir ringen um Mehrheiten und wir versuchen, ein Wählerpotenzial zu erreichen und auszuschöpfen, das sich grundsätzlich vorstellen kann, die CDU und in Bayern die CSU zu wählen.“ Da sei man ganz gut vorangekommen, aber noch nicht da, wo man sein wolle.

Generalsekretär Linnemann betonte nach den Beratungen von Bundesvorstand und Präsidium der CDU: „Dass Daniel Günther an der einen oder anderen Stelle sagt, er könnte sich vielleicht hier und da auch einen anderen Kurs vorstellen, ist doch völlig legitim. Deswegen treffen wir uns doch jetzt auf dem Bundesparteitag.“

Auf dem Parteitag hat Merz jedoch zum parteiübergreifenden Kampf gegen die AfD aufgerufen. „Es sind Parteien wie die AfD, die viele unserer Werte, aber eben auch unser Europa ablehnen, verspotten und von innen zerstören wollen“, sagte er am Montag beim CDU-Parteitag. „Alle demokratischen Parteien müssen sich die Frage gefallen lassen, warum wir an Vertrauen verloren haben.“ Denn dies sei der Nährboden der AfD, nicht deren eigene Inhalte.

Nach einem zähen Comeback steht Friedrich Merz auf dem Höhepunkt seiner innerparteilichen Karriere. Er hat die CDU neu aufgestellt und hält seine Gegner in Schach. Auch für die Zeit nach der Wahl hat er schon einen Plan.
von Daniel Goffart

Das Vertrauen gewinne man nur zurück, wenn man Lösungen anbiete, Probleme des Landes und der EU wirklich löse und keinen Zweifel daran lasse, „dass wir mit den Parteien des linken Populismus genauso wenig zusammenarbeiten wie mit den Parteien des rechten Populismus“, sagte Merz. „Es gibt diese Zusammenarbeit mit uns nicht.“ Die CDU sage allen den Kampf an, die Europa und die Demokratie zerstören wollten. „Sie stoßen auf den erbitterten Widerstand dieser Partei.“

Grüne als mögliche Koalitionspartner

Linnemann sagte der „Bild am Sonntag“, grundsätzlich müsse die CDU zwar mit allen können, aber: „Mit diesen Grünen hätte es nie einen Koalitionsvertrag mit der CDU gegeben. Sie verunsichern einfach das komplette Land.“ Merz hat dagegen nicht ausgeschlossen, nach der nächsten Bundestagswahl auch mit den Grünen Gespräche über eine Koalition zu führen - anders als CSU-Chef Markus Söder.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte in der „Augsburger Allgemeinen“ noch einmal davor, mit den Grünen zu liebäugeln. „Die Grünen sind doch das Hauptproblem in der Ampel. Die Grünen disqualifizieren sich mit ideologischer Politik, polarisieren die Gesellschaft und spalten“, sagte der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten. „Die Grünen kann ich mir als Partner im Bund nicht vorstellen.“

Dagegen verwies der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf gute Erfahrungen mit den Grünen in seinem Bundesland. „Nordrhein-Westfalen ist ein Beispiel dafür, dass es funktioniert“, sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Laumann will beim Parteitag zum stellvertretenden CDU-Vorsitzenden gewählt werden.

Neues Grundsatzprogramm

Am Dienstag will sich die CDU nach dem Machtverlust von 2021 mit einem neuen Grundsatzprogramm inhaltlich neu aufstellen. Das derzeitige Programm stammt noch aus dem Jahr 2007, der Zeit der 16-jährigen Ära Merkels.

Im knapp 70 Seiten langen Programmentwurf plädiert die CDU für einen „weltoffenen Patriotismus“ und bekennt sich zu einer deutschen „Leitkultur“. Zu dieser gehörten Grund- und Menschenrechte, Respekt und Toleranz, Kenntnisse der Sprache und Geschichte sowie das Anerkennen des Existenzrechts Israels. Nur wer sich zur Leitkultur bekenne, könne Deutscher werden.

Ein Mann plant Kanzler
Unter Beobachtung: Merz und seine innerparteilichen Rivalen Hendrik Wüst und Markus Söder. Quelle: imago images
Oppositionsführer mit außenpolitischen Ambitionen: Merz auf Besuch in der Ukraine. Quelle: imago images
Mehr Wirtschaft, weniger Green Deal: Das verlangt Merz von Ursula von der Leyen in Brüssel Quelle: Getty Images
Außenpolitische Profilierung: Merz bei Israels umstrittenem Regierungschef Benjamin Netanjahu. Quelle: dpa Picture-Alliance

Merz verteidigt Leitkultur im CDU-Grundsatzprogramm

CDU-Chef Friedrich Merz hat die Verankerung des umstrittenen Leitkulturbegriffs im neuen Grundsatzprogramm seiner Partei gegen jegliche Kritik verteidigt. „Der Begriff grenzt nicht aus, sondern ist eine allumfassende Klammer um unsere Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfältigkeit, die einem beständigen Wandel unterworfen ist, ja natürlich, die aber auch eine Reihe von Konstanten“ enthalte, die unverhandelbar seien, sagte er am Montag in seiner Grundsatzrede auf dem CDU-Parteitag in Berlin.

Hinter dem Begriff der Leitkultur versammle sich alles, „was über Gesetzestexte und über den reinen Wortlaut des Grundgesetzes hinausgeht: Das sind unsere Wertevorstellungen im Alltag, das sind auch unsere Traditionen und unsere Gepflogenheiten des Miteinanders“, betonte Merz. Die Gesellschaft müsse sich wieder auf das besinnen, „was uns vereint, was uns gemeinsam ist“.

Wer den innenpolitischen Frieden in Deutschland wolle, müsse allen Rechtsextremisten und den Anhängern des politischen Islams „in aller Klarheit die Grenzen aufzeigen und darf nicht zulassen, dass in den Schulen, den Universitäten oder wo auch immer ein Klima der Intoleranz und der Respektlosigkeit entsteht, ein Klima, das es uns auf Dauer unmöglich macht, in unserem Land friedlich und tolerant zusammenzuleben“, sagte Merz. Zugleich sei klar, Gemeinschaft könne nicht vom Staat verordnet werden: „Gemeinsinn und gesellschaftlicher Zusammenhalt müssen von innen heraus in einer Gesellschaft gewollt und gelebt werden.“

Die CDU will am Dienstag ihr neues Grundsatzprogramm beschließen. Darin heißt es: „Alle, die hier leben wollen, müssen unsere Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen.“ Dazu gehörten die Grund- und Menschenrechte, Respekt und Toleranz, Kenntnisse der Sprache und Geschichte, das Anerkennen von Israels Existenzrecht. Nur wer sich zur Leitkultur bekenne, könne Deutscher werden.

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Der Begriff der Leitkultur ist seit Jahren politisch wie gesellschaftlich sehr umstritten. Während die Befürworter die Leitkultur als Richtschnur für alle in Deutschland lebenden Zuwanderer verstehen, lehnen die Kritiker den Begriff auch wegen der fehlenden Klarheit sowie der Ausgrenzung anderer Menschen ab.

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