Kindergrundsicherung Wenigstens ein Bürokratiemonster muss sterben

Christian Lindner FDP, Bundesminister der Finanzen, mit Lisa Paus, Grüne Bundesfamilienministerin. Quelle: imago images

Die Grünen pochen auf ihr Prestigeprojekt, doch FDP und SPD haben nach zwei Jahren ergebnislosem Verhandeln die Nase voll. Profitieren würden von dem Gesetz 5000 neue Bürokraten, aber nicht arme Kinder. Ein Kommentar.

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Normalerweise läuft die Arbeitsteilung zwischen Liberalen und dem linken Duo des Ampeltrios so, dass die FDP Abstriche bei Sozialprojekten fordert und SPD und Grüne empört reagieren. Dass es diesmal anders ist, lässt aufhorchen: Die FDP-Fraktionsvize Gyde Jensen trägt das grüne Prestigeprojekt Kindergrundsicherung mit der zutreffenden Bemerkung zu Grabe, die zuständige Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) habe trotz jahrelanger Verhandlungen noch keinen Gesetzesentwurf präsentieren können, „der dem Ziel der Bekämpfung von Kinderarmut in irgendeiner Weise entsprechen kann“. Stattdessen offenbare die Ministerin ihr „fragwürdiges Verständnis von einer Bringschuld des Staates in der Sozialpolitik“, so Jensen.

Wer jetzt einen Aufschrei der SPD erwartet hätte, sieht sich getäuscht. Im Gegenteil dämmert auch den führenden Sozialdemokraten, dass die mit der Kindergrundsicherung verbundene Schaffung einer neuen Sozialbürokratie nichts ist, womit sie bei ihren Wählern punkten können. Rund 5000 zusätzliche Beamte würden benötigt, wenn die Vorstellungen von Ministerin Paus umgesetzt würden. Nicht ohne Grund hatte SPD-Chef Lars Klingbeil deshalb grundlegende Änderungen von Paus gefordert.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz ist offenbar zu dem Schluss gekommen, dass sich dieses Projekt in der beabsichtigten Form zum politischen Rohrkrepierer entwickelt hat. Zumal der Staat jedes Jahr viele Milliarden Euro für Kinder bereitstellt, ohne dass die Mittel überall ankommen. Den Kinderzuschlag beispielsweise rufen nur 35 Prozent der berechtigten Familien ab, bei Zuschüssen für Schulfahrten, Nachhilfestunden oder Vereinsbeiträgen sind es nur 15 Prozent. Es macht keinen Sinn, noch mehr Geld in ein System zu pumpen, das sich so verhält wie ein schief geknöpftes Hemd: Einmal falsch angefangen wird es nicht besser, selbst wenn man bis zum letzten Knopfloch weitermacht.  

Da die Länder dem Bund im Laufe der Beratungen mehrfach verdeutlicht haben, dass es für die Umsetzung mindestens zwei Jahre Vorbereitung brauche, beginnt sich das Zeitfenster für diese Legislaturperiode zu schließen – zumal das kommende Jahr ganz im Zeichen des Wahlkampfs stehen dürfte. Da die Positionen innerhalb der Ampelkoalition aber immer noch meilenweit voneinander entfernt sind, liegen die Liberalen wohl richtig mit ihrer Bewertung, dass weitere Gespräche unrealistisch seien.

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Falls das Vorhaben scheitert, leiden zum Glück nicht arme Kinder, die vom Staat mit mehr als sieben Milliarden Euro jährlich unterstützt werden, sondern vor allem diejenigen Politiker, die immer noch glauben, durch haarkleine Vorgaben mithilfe eines wachsenden Heeres von Staatsdienern Gerechtigkeit – oder das, was sie dafür halten, – von oben herab verordnen zu können. Immerhin könnte die Koalition das Aus der Kindergrundsicherung als effektivsten Beitrag zum präventiven Bürokratieabbau verkaufen.

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