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Das „exorbitante Privileg“ des US-Dollars

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Das Ende des Goldstandards

Im Ersten Weltkrieg ging der Goldstandard unter und nach dem Krieg wurde er nur noch als sogenannter hinkender Goldstandard reetabliert. Durch den Krieg waren die USA vom größten Schuldner der Weltwirtschaft, der große Teile der eigenen Industrialisierung mit Kapitalimporten vor allem aus Europa finanziert hatte, zu deren Hauptgläubiger geworden.

Namentlich die europäischen Entente-Staaten (Frankreich, England und Russland) hatten sich zur Finanzierung amerikanischer Lieferungen stark verschuldet. Zusätzlich hatte sich in den US-Tresoren während des Krieges etwa die Hälfte aller globalen Goldvorräte angesammelt. Die USA hatten mithin kein Problem zum Goldstandard zurückzukehren, aber die Probleme der anderen Länder waren dafür umso größer. Namentlich England, das seine Stellung als Zentrum der Finanzwelt nicht verlieren wollte, unternahm alle erdenklichen Anstrengungen, das Pfund schließlich zu den alten Paritäten wieder in den Goldstandard zu führen, freilich um den Preis einer überaus restriktiven Geldpolitik, die für die Konjunktur des durch den Krieg ohnehin stark geschwächten Landes verheerende Folgen hatten.

Um den nötigen Goldzufluss zu sichern beziehungsweise Goldabflüsse zu verhindern, mussten die USA den Zinssatz sehr hoch halten – was wiederum die heimische Konjunktur schwer belastete. Immerhin erlaubte der jetzt genutzte sogenannte hinkende Goldstandard die Notenausgabe neben Gold auch durch goldgesicherte Devisen zu decken, wodurch der US-Dollar bereits jetzt wichtige Reservefunktionen bekam. Da die USA sich aber nach 1918 rasch hinter hohe Zollmauern zurückzogen und die finanzielle Stabilisierung Europas ihren Geschäftsbanken überließen, übernahm das Land keine Rolle als Garant der internationalen Währungsordnung, sondern destabilisierte diese durch die Behinderung des Handels eher.

In der Weltwirtschaftskrise verlor der Goldstandard, der sich als Hemmnis für eine wirksame nationale Wirtschaftspolitik erwies, seine wichtigsten Eckpfeiler: Das Pfund scherte 1931 aus, der Dollar 1933, während das wegen seiner Reparationsverpflichtungen hoch verschuldete Deutsche Reich zwar im Goldstandard blieb, aber zur Devisenzwangswirtschaft überging. Dem Zusammenbruch der internationalen Währungsordnung folgte in den 1930er-Jahre auch eine drastische Schrumpfung der globalen Handelsströme.

So wurde schon in den 1930er-Jahren klar, dass die Währungsordnung eine Schlüsselrolle bei der Wiederherstellung einer funktionierenden, arbeitsteiligen Weltwirtschaft haben musste. 1944, als sich das Ende des Krieges abzeichnete, war es in Bretton Woods dann soweit:



Um Schwankungen der Währungen, die über die Bandbreite hinausgingen, zu verhindern, konnte der ebenfalls jetzt konstituierte Internationale Währungsfonds Sonderkredite gegen Auflagen gewähren. In Ausnahmefällen war auch eine förmliche Auf- oder Abwertung, also eine Veränderung der Schwankungsbreiten möglich. Der Dollar erhielt damit das Privileg der Leitwährung, war aber auf Verlangen jederzeit in Gold zu tauschen. Damit hatte sich der amerikanische Chefunterhändler Harry Dexter White gegen seinen britischen Kontrahenten John Maynard Keynes durchgesetzt, der nicht den Dollar, sondern eine künstliche Währung, den an einem Korb verschiedener Währungen angebundenen Bancor, zur Leitgröße machen wollte.

Da die USA hiermit ihre eigene Währung an eine national nicht kontrollierbare Größe gebunden hätten, kam das für sie nicht in Frage, und ihre herausragende Stellung – auf das Land entfiel 1945 etwa die Hälfte der globalen Industrieproduktion – gab ihnen auch die Machtmittel, um ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen.

Die Schwächen von Bretton Woods

Das Wechselkurssystem von Bretton Woods hatte seine Schwächen, die vor allem in den Bewertungen der einzelnen Währungen und den Grenzen der Schwankungsbandbreiten bestanden. Doch es erwies sich für den Wiederaufbau nach dem Krieg und für die Wiederherstellung zumindest der westlichen Weltwirtschaft als durchaus angemessen – zumal seit den 1960er-Jahren langsam auch die Handelsbarrieren geringer wurden.

Was es freilich unbedingt voraussetzte, war eine gewisse geld- und haushaltspolitische Disziplin in den USA, die aber in den 1960er-Jahren immer mehr aufweichte. Die langsam anschwellende Dollarflut musste von den europäischen Zentralbanken zum festen Wechselkurs aufgekauft werden, wodurch in diesen Ländern die Geldmengen wuchsen und der inflationäre Druck stark zunahm:



Die US-Finanzpolitik war es auch, die Valéry Giscard d’Estaing vom „exorbitanten Privileg“ sprechen ließ und Frankreichs Präsidenten Charles de Gaulle und Georges Pompidou veranlasste, Kriegsschiffe in die USA zu entsenden, um französisches Gold heimzuholen oder die Umwechslung von Dollars in Gold zu verlangen. Die USA konnten den französischen Wünschen bekanntlich nur sehr eingeschränkt nachkommen. Richard M. Nixon war schließlich 1971 gezwungen, die Goldeinlösepflicht zu suspendieren, was nur zwei Jahre später zur endgültigen Auflösung des Wechselkurssystems von Bretton Woods führte.

Der US-Dollar: keine Leitwährung mehr – aber weiterhin zentrale Rolle

Die festen Wechselkurse waren damit ebenso Geschichte wie der Goldstandard, keineswegs aber die zentrale Stellung des Dollars. Denn wenn auch der Dollar gegenüber bestimmten Währungen wie der DM oder dem Schweizer Franken nach den Entscheidungen 1971/73 stark abwertete, blieb er die mit Abstand größte Reservewährung der Welt. Denn auch in dem Fiat-Money-System, das damals entstand, waren die jeweiligen Nationalbanken auf die Bevorratung wichtiger Devisen angewiesen, um die eigene Zahlungsfähigkeit zu garantieren.

Überdies gelang es den USA zu erreichen, dass der Dollar weiterhin die Währung war, in der wichtige Rohstoffe fakturiert wurden, namentlich das Öl, das in den kommenden Jahrzehnten eine Schlüsselfunktion bei der Aufrechterhaltung des „exorbitanten Privilegs“ erhielt. Zwar war der Wert des Dollars nicht mehr fixiert, sondern schwankte an den Devisenmärkten; eine ernstzunehmende Konkurrenz als Leit- und Reservewährung war jedoch lange nicht zu sehen.

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Noch am ehesten hätten diese Rolle die DM spielen können, doch spätestens mit der Wiedervereinigung war klar, dass die herausragende Stellung der DM nicht auf Dauer zu halten sein würde, und der Euro aufgrund seiner Konstruktionsschwächen und des überaus heterogenen Kreises von Teilnehmerstaaten in die Rolle einer international dominanten Reserve- und Leitwährung kaum hineinwachsen würde.



Einer starken Stellung des Euros hätten die USA allerdings sicherlich ohnehin nicht tatenlos zugesehen.

Der Aufstieg Chinas, mehr aber noch dessen Expansion und die damit verbundene Verschiebung in der globalen Arbeitsteilung haben da schon anderes Gewicht – zumal China auch mehr oder weniger offen die Dominanz des US-Dollar zumindest nach und nach durch eigene Zahlungssysteme ersetzen möchte.

Angesichts der gravierenden Handelsbilanzdefizite der USA liegt hierin die eigentliche Bedrohung, da die USA ihr Handelsbilanzdefizit ohne das „exorbitante Privileg“ kaum finanzieren könnten. Da China selbst der größte Gläubiger der USA ist, dürfte das Land freilich nur geringes Interesse an dessen wirtschaftlichem Niedergang haben. China dürfte wohl die langsame Entstehung einer multilateralen Weltfinanzstruktur favorisieren, in der es so etwas wie das „exorbitante Privileg“ nicht mehr geben kann.

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Zumal der Ukraine-Krieg erneut zeigt, dass die USA ihre Dominanz in den internationalen Finanzströmen auch als politische Handlungsressource nutzen. Ein Weltwirtschaftskrieg, dessen erste Konturen sich ja bereits abzeichnen, ist wohl die wahrscheinliche Konsequenz – mit verheerenden Folgen gerade für Europa, das zwischen alle Fronten gerät.

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