Präsidentschaftswahlen Slowakei „Die Slowakei wird politisch näher an Ungarn rücken“

Peter Pellegrini gewann am Wochenende die slowakischen Präidentschaftswahlen Quelle: imago images

Peter Pellegrini wird neuer Präsident der Slowakei und unterstützt den Kurs der prorussischen Regierung. Was das für die EU heißt und ob aus der Slowakei ein weiteres Ungarn wird, erklärt Osteuropa-Experte Kai-Olaf Lang.

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WirtschaftsWoche: Herr Lang, am Wochenende wurde der populistische Sozialdemokrat Peter Pellegrini zum neuen Präsidenten der Slowakei gewählt. Was bedeutet das für das osteuropäische Land?
Kai-Olaf Lang: Der Kurs, den die Slowakei seit den Parlamentswahlen im Herbst letzten Jahres eingeschlagen hat, wird sich verstärken. Pellegrini wird die Politik des linksnationalen Ministerpräsidenten Robert Fico wohlwollend unterstützen, das neue Staatsoberhaupt war ja bislang Chef der zweitgrößten Regierungspartei. Es gibt jetzt an den politischen Schaltstellen der Macht im Grunde kein Gegengewicht mehr zur Regierung.

Der slowakische Premier Robert Fico will nach ungarischem Vorbild Reformen im Strafrecht und in der Justiz durchsetzen. Tausende Menschen haben in den letzten Monaten im ganzen Land dagegen protestiert. Auch in der EU sorgt man sich um den slowakischen Rechtsstaat. Worum geht es da?
Im Kern geht es darum, Instrumente und Institutionen zu schwächen, die einen effektiven Kampf gegen Korruption ermöglichen. So wurde die sogenannte Sonderstaatsanwaltschaft, die sich fokussiert mit organisierter Kriminalität beschäftigte aufgelöst. Die im Rahmen einer von der Regierung angestoßenen Reform des Strafgesetzbuches geplante Lockerung von Sanktionsmöglichkeiten etwa bei Korruptionsfällen wurde vom Verfassungsgericht gestoppt. Es gab auch aus der Regierung scharfe Bemerkungen gegenüber einigen Richtern des Obersten Gerichtes, die an Korruptionsurteilen beteiligt waren. Regierungschef Fico warf diesen und auch anderen Richtern und Teilen von Ermittlungsbehörden vor, ihre Aktivitäten seien politische motiviert gewesen. Für den Präsidenten des Obersten Gerichtes sind dies ungerechtfertigte Verbalangriffe. Außerdem sind Fico die liberalen Nichtregierungsorganisationen und Teile der öffentlichen, aber auch der privaten liberalen Medien ein Dorn im Auge. Hier bleibt abzuwarten, ob die Regierung Schritte unternimmt, die diese in Bedrängnis bringen könnten.

Heißt das, aus der Slowakei wird jetzt ein Ungarn 2.0?
Die Slowakei wird politisch näher an Ungarn rücken, Pellegrini hat sich in der Wahlkampfphase ja auch mit Viktor Orbán und anderen hochrangigen ungarischen Vertretern getroffen. Bei Themen wie der Ukraine- und Russlandpolitik, aber auch bei Fragen der Migration und der Rechtsstaatlichkeit im Kontext der EU stehen Bratislava und Budapest eng beieinander. Trotzdem können die beiden Staaten nicht ohne weiteres verglichen werden. Zwar kontrolliert das jetzige Regierungslager in Bratislava die entscheidenden Schaltstellen in Staat und Politik, aber es gibt keine Verfassungsmehrheit wie das in Ungarn der Fall ist. Das heißt unter anderem, dass die konstitutionellen Grundlagen nicht geändert werden können. Trotzdem ist Robert Fico ein Politiker mit einem ausgeprägten Machtinstinkt, der vieles tun wird, um seine Interessen und die seiner Entourage durchzusetzen. Fico spielt auch in die Hände, dass die Opposition fragmentiert ist und sich trotz des soliden Abschneidens von Pellegrinis Gegenkandidat Ivan Korčok bei den Präsidentschaftswahlen sich einstweilen keine wirkliche Alternative abzeichnet.

Quelle: SWP

Zur Person



Die slowakische Regierung ist im vergangenen Jahr mit einem russlandfreundlicheren Kurs angetreten. Zugleich kritisiert der Premierminister Robert Fico offen die Verbündeten aus EU und NATO. Bewegt die Slowakei sich mit dem neuen Präsidenten nun noch weiter Richtung Russland?
Die Slowakei fährt in ihrer Ukraine-Politik zweigleisig. Zum einen ist aus dem slowakischen Regierungslager immer wieder heftige Kritik an der Ukraine-Politik von EU und NATO sowie von einer wachsenden Kriegsgefahr für den Westen zu hören, wenn dieser seine militärische und politische Unterstützung für das angegriffene Land in der bisherigen Form fortführe. Manche Äußerungen auch von Spitzen der Regierung erinnern sehr an russische Narrative, etwa wenn Premier Fico behauptete, der Krieg in der Ukraine habe schon 2014 begonnen, als „ukrainische Neonazis“ im Osten des Landes „gewütet“ hätten. Solche Aussagen hängt auch mit der Stimmung im Land und den Erwartungen großer Teile der slowakischen Gesellschaft zusammen: Viele Menschen sehen die Unterstützung der Ukraine kritisch und wollen ein gutes Verhältnis, ja weiterhin auch Zusammenarbeit mit Russland. Da war es kein Zufall, dass das Thema Frieden um jeden Preis ein Kernelement in Pellegrinis Wahlkampf war. Sein Mitbewerber Korčok hingegen wurde fast schon als Kriegstreiber dargestellt.
Andererseits ist die Regierung in einigen Bereichen elastisch. Das „zweite Gleis“ der slowakischen Ukraine-Politik besteht darin, das Nachbarland humanitär zu unterstützen. Anders als bei der Frage einer eventuellen NATO-Mitgliedschaft befürwortet die Regierung Fico prinzipiell auch einen Beitritt der Ukraine zur EU. Robert Fico traf zu Beginn des Jahres auch seinen ukrainischen Amtskollegen Schmyhal, für April sind Konsultationen zwischen beiden Regierungen geplant. Und auch am Wiederaufbau der Ukraine möchte sich die Slowakei tatkräftig beteiligen.


Wie kommt es, dass beachtliche Teile der Wählerschaft der Slowakei so russlandfreundlich sind?
Das ist auch historisch bedingt. In der Slowakei gab es schon immer starke russlandfreundliche Strömungen. Der große slawische Bruder wurde von vielen als natürlicher Verbündeter im Streben nach nationaler Selbstbestimmung gesehen, etwa als man unter habsburgischer oder ungarischer Dominanz stand. Überdies gibt es in Form von „alternativen Medien“ einen Resonanzraum, in dem sich russische Desinformationspolitik Echos findet.

Die Slowakei hat im letzten Jahr die Waffenlieferungen an die Ukraine eingestellt. Pellegrini mahnte zur Vorsicht, damit die Slowakei nicht in den Krieg hineingezogen werde.
Fico hat schon im Wahlkampf die klare Ansage gemacht, eine von ihm geführte Regierung wolle keine direkten Waffenlieferungen aus den Streitkräftebeständen an die Ukraine mehr vornehmen. Aber die Slowakei hat eine traditionell starke Rüstungsindustrie und die Regierung ist daran interessiert, dass dieser Wirtschaftszweig Aufträge erhält. Die slowakische Regierung hat deswegen auch erklärt, sie wolle vertragstreu bleiben und vereinbarte Lieferzusagen aus der Wirtschaft erfüllen. Slowakische Firmen werden weiterhin Rüstungsgüter in die Ukraine exportieren können Die Wirtschaft der Slowakei ist übrigens geprägt durch die Automobilindustrie. Das Land hat weltweit die höchste pro Kopf Produktion an Autos. Deswegen ist es natürlich sinnvoll, auch andere industrielle Standbeine zu festigen - und die Rüstungsindustrie bietet sich da an. Zum Beispiel wird in der Slowakei die Haubitze Zuzana gebaut, die im Auftrag Norwegens, Dänemarks und Deutschland auch in die Ukraine geliefert wird. Der slowakische Minenräumroboter Božena ist ebenfalls in der Ukraine im Einsatz.

Sehen Sie die Slowakei als Risiko für die EU?
Ich kann mir vorstellen, dass die Slowakei zusammen mit Ungarn symbolträchtig hier und da Erklärungen auf EU-Ebene blockieren und in einigen Bereichen verbal gegen die europafreundlichen Parteien oder Regierungen in der EU auftreten wird. Man muss das genau beobachten, im Gespräch bleiben und bei den schwierigen Fragen deutlich machen, wie wichtig es ist, dass die Slowakei nicht ausschert. Trotz markiger Sprüche über die Wahrung der nationalen Souveränität, glaube ich aber, dass die Slowakei innerhalb der Europäischen Union weitestgehend pragmatisch und flexibel agieren wird.

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