Strafgebühr auf Fast Fashion 10 Euro Strafe pro Kauf: Frankreich will gegen Temu und Co. vorgehen

Jeder Europäer kauft im Schnitt knapp 26 Kilogramm Textilien pro Jahr und wirft etwa elf Kilogramm davon weg. Quelle: imago images

Ein Gesetzesentwurf des französischen Parlaments polarisiert: Anbieter von Billigmode sollen Extra-Abgaben zahlen. Auch Influencer werden eingeschränkt. Deutsche Branchenkenner sind zwiegespalten.

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Künftig sollen Modehersteller wie Shein bis zu zehn Euro pro Artikel zuzahlen, wenn sie ihre Kleidung in Frankreich verkaufen. Das sieht ein neues Gesetz vor, das am 14. März im Parlament diskutiert wurde. Frankreich möchte auf diese Weise Fast Fashion reduzieren.

Fast Fashion, auch gern bezeichnet als Wegwerfmode, meint Massenware zu billigen Preisen und minderer Qualität. Also etwa ein T-Shirt für sechs Euro, eine Jeans für 15 Euro. Die Produkte bestehen häufig aus klimaschädlichem Polyester, sind mit Schadstoffen belastet und geben keinen Anreiz zur Reparatur. Mit dem Aufkommen von Fast Fashion steige auch der Konsum von Kleidung, heißt es von der Europäischen Umweltagentur. Jeder Europäer kauft im Schnitt knapp 26 Kilogramm Textilien pro Jahr und wirft etwa elf Kilogramm davon weg. Die Modebranche ist Schätzungen zufolge für zehn Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Hier will Frankreich nun reduzieren.

Anne-Cécile Violland von der konservativen Regierungspartei Horizons ist die Wegbereiterin des Gesetzes. In ihrer Rede im Unterhaus des französischen Parlaments sprach sie von „Strafen“, die sie mit dem Gesetzesvorhaben einführen möchte. Demnach sollen künftig alle Anbieter von Fast Fashion eine Abgabe zahlen. Ab dem nächsten Jahr soll diese Gebühr fünf Euro pro Kleidungsstück betragen, bis 2030 soll die Strafe auf zehn Euro erhöht werden, maximal 50 Prozent des Kaufpreises.

„Es handelt sich dabei nicht um Steuerzahlungen“, betont Violland. Der Entwurf sieht vor, die Einnahmen zu verteilen; Firmen sollen belohnt werden, wenn sie defekte Kleidung reparieren, die Abfallwirtschaft finanzieren und öffentliche Aufklärungskampagnen schalten.

Hauptaugenmerk auf Shein

Der Plan wurde einstimmig in der Nationalversammlung durchgewunken und geht als nächstes in den Senat. Noch ist unklar, welche Anbieter unter das Gesetz fallen würden. Zuvor war von Unternehmen die Rede, die täglich mindestens 1000 neue Produkte im Angebot haben. Horizons-Politikerin Violland spricht in der Nationalversammlung vor allem den chinesischen Modehändler Shein an: „Shein bringt täglich 7200 neue Modelle auf den Markt. 900-mal mehr als französische Händler.“ Den Kritikpunkten zufolge würde auch Temu Strafgebühren zahlen müssen. Die französische Umweltorganisation „Amis de la Terre“ möchte auch Marken wie Zara, H&M und Primark in die Verantwortung ziehen.

Ein weiterer Punkt des Gesetzes nimmt die Werbung in Betracht. Sowohl klassische Werbung der Händler als auch Social-Media-Kampagnen sollen verboten werden. Shein ist in Europa vor allem mithilfe von Influencern gewachsen. In kurzen Videos packen sie ihre Pakete aus und stellen ihre neue Kleidung vor – inklusive Rabattcodes, an denen die Influencer mitverdienen.

„Dieser Gesetzesentwurf wird lediglich die Kaufkraft der Franzosen verschlechtern, nachdem sie ohnehin schon von steigenden Lebenshaltungskosten betroffen sind“, schreibt Shein in einem Statement. Für den chinesischen Händler gebe es keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der angebotenen Produkte und dem Umwelteinfluss der Firma. „Die Zahl der nicht-verkauften Artikel wäre ein viel besserer Indikator.“ Wie viele Kleidungsstücke Shein täglich neu anbietet, kommentiert das Unternehmen nicht. Es verweist lediglich auf seine Strategie, wonach neue Designs erst in Auflagen von wenigen Hundert Stück getestet würden, bevor diese in die Massenproduktion gehen.

EU-Verordnung regelt bereits Fast Fashion

Frankreich, das Zentrum der Luxus-Modemarken, ist das erste Land, das derart hart bei Fast Fashion durchgreift. Vom deutschen Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz heißt es auf Nachfrage: „Im Umweltrecht ist keine entsprechende Regelung auf EU- oder Bundesebene bekannt oder unseres Wissens nach in Planung.“ Die EU-Ökodesign-Verordnung gehe bereits in eine ähnliche Richtung, für Frankreich aber noch nicht weit genug. Diese Verordnung verpflichtet Hersteller unter anderem zu Recycling- und Reparaturfähigkeit von Produkten. Früher waren vor allem Elektrogeräte gemeint, nun ist auch die Textilbranche miteinbegriffen. Ab 2028 darf demnach unbenutzte und unverkaufte Mode nicht mehr vernichtet werden.

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Deutsche Branchenkenner schmähen den Vorstoß Frankreichs als einen erneuten Alleingang. Ein solches Gesetz müsse immer auch den geltenden EU-Richtlinien entsprechen, widerspreche allerdings der EU-Binnenmarkt-Gesetzgebung und der Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation.

Lesen Sie auch: Wie Modehändler über die neue EU-Ökodesign-Richtlinie denken

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