Messe-Neustart Die IFA lebt noch – dank Saugrobotern aus China

Die IFA hat am Freitag in Berlin begonnen. Zu sehen ist dort auch ein Fernseher mit 136 Zoll Diagonale. Quelle: dpa

Nach drei Jahren im Pandemiemodus kehrt Europas wichtigste Elektronikmesse IFA zu alter Größe zurück – und sieht doch ganz anders aus als gewohnt. Ein persönlicher Blick auf die Ausstellung unter dem Berliner Funkturm.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Weg vom S-Bahnhof Messe Süd zur mächtigen Rotunde am Südeingang der Berliner Messe hat etwas von Lost Place. In dicken Wülsten quillt Moos zwischen den einst strahlend weißen Steinstufen, die vom Bahnhof zu einem der traditionsreichsten Messeplätze der Republik führen. So als wäre die Zeit hinweggegangen über die großen Handelsevents – Messen wie die einstige Berliner Internationale Funkausstellung, die bereits seit Jahren nur noch unter dem Kürzel IFA firmiert. 

Die IFA gibt es noch. Sie öffnet in diesem Jahr erstmals nach der Covid-Pandemie wieder in gewohntem Umfang ihre Tore. Mit Funk hat die Ausstellung schon lange nichts mehr zu tun: Die öffentlich-rechtlichen und die privaten Rundfunk- und TV-Sender, deren öffentliche Studios einst zu den großen Publikumsattraktionen der IFA gehörten, haben sich vor Jahren von der Messe zurückgezogen. Dafür haben die Hersteller der sogenannten weißen Ware – Kühlschränke, Waschmaschinen, Herde, Wäschetrockner – neben Anbietern von Unterhaltungselektronik unter dem Berliner Funkturm eine mindestens gleichwertige Rolle übernommen.

Wer in diesen Tagen die IFA besucht, sieht abermals eine neue Messe: Der kehrt auf eine Ausstellung zurück, die gleichermaßen vertraut und doch fremd geworden scheint. Wie ein alter, einst sehr vertrauter Freund, der nach Jahren der Trennung bestenfalls noch ein guter Bekannter zu sein scheint. Ein Event, das seine künftige Rolle sucht und dessen Zukunftsfähigkeit sich erst wieder erweisen muss.

Hallenflächen ausverkauft

Es ist dennoch schön, dass es die IFA noch gibt. Einst unersetzlich scheinende Branchenevents wie die IT-Messe CeBIT oder die Fotomesse Photokina haben schließlich längst das Zeitliche gesegnet.

Und die IFA, die große alte Dame der Elektronikmessen? 2020 war sie in der Pandemie zu einem rudimentären Hybrid-Event mit 150 Ausstellern verkümmert, 2021 komplett ausgefallen und 2022 mit deutlich verringerter Standfläche nur ein Schatten früherer Jahre gewesen. In diesem Jahr nun sind die Messehallen wieder gut gefüllt. „Sold out“, ausverkauft, melden die neuen Gastgeber, ein Joint-Venture aus dem britischen Eventveranstalter Clarion und dem ideellen Träger und Inhaber der Namensrechte, der gfu Consumer & Home Electronics, als die die einstige Gesellschaft zur Förderung der Unterhaltungselektronik seit einigen Jahren firmiert. 

Oliver Merlin, derzeit noch Chef der Ende 2022 neu gegründeten IFA Management GmbH, verkündete stolz am Vortag des Messestarts am 1. September, dass die 26 Hallen mit rund 130.000 Quadratmetern Messefläche mit Ausstellern, ob Start-up oder globaler Großkonzern, restlos belegt seien; gut 2050 Aussteller aus fast 50 Ländern stellen unter dem Funkturm aus. Und doch ist die neue IFA eine andere als noch vor der Pandemie – was nicht nur an der neuen Veranstalterkonstellation liegt.

Es liegt vor allem daran, dass sich die Struktur der Aussteller gegenüber den Zeiten vor der Pandemie noch einmal deutlich gewandelt hat. Und daran, dass große Ankeraussteller, die die Messe über Jahrzehnte prägten, dem Event nun fernbleiben. Nicht nur, dass die deutschen Mobilfunker, die einst teils ganze Hallen mit ihren Ständen belegten, nicht mehr dabei sind. Die Deutsche Telekom, einst Ankermieter der Halle 21, konzentriert sich auf das eigene Event DigitalX in Köln, das fast zeitgleich zur IFA stattfindet. 

Europas wohl größte Messe für Bodenpflege-Technik

Panasonic hat die Halle 5 verlassen, Philips der Halle 22 den Rücken gekehrt, und Sony ist aus den zeitweilig belegten Hallen 3 und 19 ebenfalls ausgezogen. Und auch der Audio-Spezialist Harman, der mit seinen Markentöchtern JBL, AKG und Harman Kardon einst eine große Zeltstadt zu Füßen des Fernsehturms aufbaute, ist nicht mehr auf der IFA vertreten.

Neuigkeiten, soweit es sie zur IFA überhaupt noch gibt, präsentieren die einstigen Stammgäste in diesem Jahr auf externen Launch-Events irgendwo in hippen Locations in Berlin. Und auch da ist die Höhe der Innovation eher gering. Die einstige Beleuchtungssparte von Philips, bekannt für ihre vernetzten Hue-Leuchten, die vor Jahren in der Firma Signify ausgegründet wurde, kündigt an, dass sie nun auch Überwachungskameras anbietet. Wie viele andere Tech-Firmen bereits Jahre zuvor. JBL stellt vernetzte Lautsprecher vor, in denen sich die Sprachassistenten von Google und Amazon gleichzeitig steuern lassen. Und Sony, dessen Aibo-Roboterhund vor Jahren die Messegäste verzauberte, stellt ein neues Mobiltelefon vor.

Dafür erlebt die Messe die Invasion der autonomen Saug- und Wischroboter und der integrierten Handstaubsauger mit kombinierten Schrubb- und Saugfunktionen, die mit ihren rotierenden Bürsten und Wischwalzen sowohl Krümel und Tierhaare als auch Marmeladenflatschen oder Schmierstreifen aus Fingerfarbe oder Nussbrotaufstrich von Teppichen und Bodenfliesen entfernen können sollen. Ob Dreame, Ecovacs oder nun auch der für seine Ladegeräte und Akkusysteme bekannte Hersteller Anker: Es sind vor allem chinesische Tech-Spezialisten, die die IFA in diesen Tagen zu Europas vermutlich größter Messe für Bodenpflege-Technik mutieren lassen.

Begeisterung für Solartechnik

Oder – wahlweise – für Solarmodule und Batteriespeicher in vielfältigsten Formen und (mindestens) Bierkastenformat. Anker etwa präsentierte auf der Pressekonferenz am Messevortag sogar ein Akkupack in nahezu Zapfsäulenformat mit integrierten Rollen, mit dem sich selbst die Batteriespeicher von Elektroautos wieder aufladen lassen sollen. Preis und genaue Verfügbarkeit sind noch offen, aber angeblich sollen die Gigaspeicher noch in diesem Jahr lieferbar werden. Genau gegenüber lockt der ebenfalls chinesische Konkurrent Ecoflow mit modularen Solarpanelen und – ebenfalls – mobilen Batteriespeichern. 

Die Begeisterung für Sonnenstrom hat inzwischen selbst ein echtes Urgestein der Unterhaltungselektronik angesteckt: den für seine TV-Geräte und früher für seine Fotoblitzgeräte bekannten Hersteller Metz. Auch das einstige Familienunternehmen aus dem fränkischen Zirndorf bei Nürnberg vertreibt seit 2023 unter seiner Marke Solartechnik – gemeinsam mit dem Mutterkonzern und Elektronikhersteller Skyworth aus China. Der hatte das deutsche Traditionsunternehmen 2015 aus der Insolvenz gerettet. Und so kann Metz in diesem Jahr in Berlin seinen 85. Geburtstag feiern; unter anderem mit einer von der künstlichen Intelligenz ChatGPT geschriebenen Gratulationsrede.

Beitrag im Voraus zahlen Mit dieser Strategie sparen Gutverdiener mit der Krankenversicherung Steuern

Vor allem bei hohem Einkommen kann es sehr lohnend sein, Krankenversicherungsbeiträge für bis zu drei Jahre im Voraus zu zahlen. Es winkt ein Steuervorteil von teils mehreren tausend Euro.

Wohlstand Die Generation Z ist so reich wie keine vor ihr

Anders als Babyboomer und Millennials ist die Generation Z in ihren Zwanzigern vergleichsweise reich. Was bedeutet dieser Wohlstand?

Rezept zum Reichwerden? Das steckt hinter dem System von Deven Schuller

Ein selbsternannter Finanzexperte will seinen Kunden laut eigener Aussage dabei helfen, finanzielle Freiheit zu erreichen, und pflastert das Internet mit Werbung. Was steckt dahinter? Ein Selbstversuch.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Im nächsten Jahr hat dann die IFA selbst runden Geburtstag. Sie wird 100 Jahre alt. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass sie ihn auch erlebt. Vielleicht erbarmt sich dann auch noch mal jemand der vermoosten Stufen am S-Bahnhof. Die Tech-Show unterm Berliner Funkturm, sie hätte es verdient.

Lesen Sie auch: So wird das nichts mit dem Camping-Urlaub der Zukunft

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%