Klimagipfel COP28 Methan ist ein Klimakiller – und das Gas strömt einfach über Ventile in die Luft

Bau der Blue-Steam-Gas-Pipeline von Gazprom in der russischen Region Krasnodar. Über Ventile aus Pipeline-Netzen freigesetztes Methan gilt als großes Klimaproblem. Quelle: imago images

Methan ist kurzfristig ein sehr viel gefährlicheres Treibhausgas als Kohlendioxid. Die Öl- und Gaswirtschaft gehört zu den wichtigsten Emittenten, kann das Problem aber in den Griff bekommen. Bei der Kohleindustrie stehen die Chancen sehr viel schlechter.

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Mehr als 150 Länder hatten sich 2021 bereit erklärt, ihre Methan-Emissionen bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Doch wie sie das erreichen wollen, haben die meisten Staaten bis heute offen gelassen. Auf dem Klimagipfel COP28 in Dubai geht es nun unter anderem darum, konkrete Schritte festzulegen. Vertreter der US-Regierung kündigten bei der Klimakonferenz am Wochenende verschärfte Regeln für Methanlecks an. Die Öl- und Gasindustrie, die heute signifikante Mengen Methan in die Atmosphäre bläst, steht dabei im Fokus. Schließlich gehört der Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, zu den größten Öl- und Gasförderländern der Welt, und damit auch zu den relevanten Methan-Emittenten.

Methan ist nach Kohlendioxid (CO2) die zweitwichtigste Ursache für die globale Erwärmung. Die sozialen Kosten je freigesetzter Tonne werden etwa in einer aktuellen Untersuchung des Center on Global Energy Policy der Columbia-Universität in New York mit 1300 Dollar beziffert. Anders als CO2, das sich über Hunderte Jahre in der Atmosphäre hält, zerfällt Methan im Schnitt schon nach zwölf Jahren unter anderem zu CO2. Zuvor aber hat es eine rund 85 Mal so große Treibhauswirkung (auf 20 Jahre betrachtet) wie Kohlendioxid.

Aufgrund seiner kurzen Lebensdauer lässt sich durch eine schnelle Reduktion des Methanausstoßes das Klima sehr viel schneller stabilisieren als durch eine Reduktion des CO2. Das ist eine Chance, bei der die Öl- und Gasindustrie eine zentrale Rolle spielen kann. Viele ihrer Methan-Quellen lassen sich relativ leicht stopfen. Oft braucht die Branche austretendes Gas einfach nur abzufackeln. Dabei entsteht zwar Kohlendioxid, das dem Klima aber weniger schadet als das Methan. In anderen Fällen reicht es sogar, eine Schraube an einer Dichtung anzuziehen oder einfach ein Ventil zu schließen, das offen steht.

Die Schwierigkeit besteht heute vor allem darin, die Methanquellen aufzuspüren. So hat eine US-Studie, die Methan-Emissionen an 98.000 Bohrlöchern untersucht hat, gezeigt, dass die Zahl der gefunden Lecks davon abhing, wie häufig kontrolliert wurde. Das heißt: Bei jedem Besuch wurden neue undichte Stellen gefunden. 

Überwachung aus der Luft

Förderfelder und Raffinerien müssten also permanent und flächendeckend überwacht werden. Vom Boden aus ist das kaum machbar. Zwar gibt es kleine tragbare Geräte, mit denen sich Lecks aufspüren lassen. Die regelmäßige flächendeckende Suche mit der Technik wäre allerdings viel zu aufwendig, bräuchte Unmengen Personal. In Westtexas, im sogenannten Permbecken, versucht die US-Umweltschutzorganisation Environmental Defense Fund das Problem deshalb anders zu lösen.

In der Gegend um die Stadt Odessa stehen zehntausende Ölförderpumpen, sogenannte nickende Esel. Zugleich wird hier jede Menge Erdgas gefördert. Öl und Gas kommen praktisch immer gemeinsam im Boden vor, an manchen Stellen dominiert Öl, an anderen Gas. Auch Ölfelder setzen daher – oft ungewünscht – Methan frei. Das Permbecken gilt als wohl wichtigste Förderregion der USA. Fünf Millionen Barrel Öl und 500 Millionen Kubikmeter Gas werden hier pro Tag aus dem Boden geholt. Und es ist berüchtigt für seine ungewünschten Methanemissionen.

Forscher schätzen, dass allein in dieser Gegend pro Jahr 2,7 Millionen Tonnen in die Luft entweichen. Gas im Wert von immerhin 420 Millionen Dollar. Es winkt also demjenigen ein Geschäft, der das kosteneffizient verhindern kann. Satelliten kommen kaum infrage, weil das Methan aus den Förderanlagen sich mit solchem aus der Landwirtschaft vermischt. Eine Bohrstelle mit dem Flugzeug zu kontrollieren, funktioniert besser und kostet gerade mal um die 100 Dollar. Per Drohne dürfte es noch billiger sein.

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Doch nicht immer sind es ungewünschte Lecks, die Methan entweichen lassen. Methananalysten haben vor einer Weile etwa entdeckt, dass entlang des russischen Gaspipelinesystems immer mal wieder große Mengen ausströmen. Der staatliche Gaskonzern Gazprom bestätigte später, dass das Gas mutwillig über Ventile freigesetzt wurde, um jene riesigen Kompressoren warten zu können, die das Gas durch die Pipelines drücken.

Die US-Umweltschutzbehörde EPA hatte schon 2012 eine Regel erlassen und 2016 erneuert, nach der keine Ventile mehr eingebaut werden dürfen, die große Mengen Gas freisetzen. Allerdings gilt die Regel auch in den USA nicht für mittelgroße Ventile. Eine Möglichkeit wäre es hier, das Gas zu sammeln und zu verwerten. Oder es zumindest abzufackeln.



Nach hinten losgegangen

Letzteres ist zwar besser, als das Gas in die Atmosphäre strömen zu lassen, nicht aber der Königsweg. Die Weltbank hat denn auch schon vor einer Weile eine internationale Initiative gestartet, nach der ab 2030 kein Erdgas mehr routinemäßig abgefackelt, es statt dessen verwertet werden soll. Das würde nicht nur die sinnlos entstehende CO2-Belastung reduzieren. Auch wird das Gas laut EPA meist nur zu 98 Prozent verbrannt. Der Rest an Methan reicht den Columbia-Forschern zufolge für einen signifikanten negativen Klimaeffekt aus.

Das Vorhaben der Weltbank wird heute von 34 Regierungen und 54 Ölfirmen unterstützt. 2016 hatte sich auch Russland angeschlossen und erklärt, entsprechende Gesetze dazu zu erlassen. Doch die Realität ist eine andere. Der Anteil des Gases, das bei der Ölförderung frei wird und ungenutzt bleibt, lag hier 2019 immer noch bei knapp 20 Prozent. Zudem musste Russland aufgrund der wegfallenden Gaslieferungen nach Europa jede Menge Methan in arktischen Gasfeldern abfackeln, weil dort die Produktion aufgrund der Kälte nicht auf null gedrosselt werden konnte.

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Die Weltbank-Initiative hat jedoch ungewünschte, ja absurde Nebenwirkungen. So hatte sich auch Turkmenistan ihr angeschlossen und das Abfackeln rechtlich untersagt. Stattdessen haben die Ölförderer dort das Methan einfach in die Luft abgelassen. Allein dadurch werden laut der britischen Tageszeitung „The Guardian“ von der turkmenischen Öl- und Gaswirtschaft jährlich 366 Millionen Tonnen CO2-Equivalent ausgestoßen. Zum Vergleich: Ganz Deutschland emittiert pro Jahr 657 Millionen Tonnen.

Kohlegas ist das größere Problem

Aber nicht nur Öl- und Gasfelder setzen Methan in großen Mengen frei. Das tun noch viel stärker Kohleminen. In den Kohleflözen steckt sogenanntes Kohlegas, was nichts anderes ist als Erdgas. Im Gebiet der Bundesrepublik entwichen so in den 1990er Jahren aus den Bergbauregionen jährlich 1,5 bis 1,7 Milliarden Kubikmeter Methan, so das Forschungszentrum Jülich. Und inzwischen stillgelegte Bergwerke emittieren munter weiter.

Im Bemühen, das zu verhindern, hat Deutschland in den vergangenen Jahren eine Vorreiterrolle eingenommen. Mit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wurden vor allem in Nordrhein-Westfalen mehr als 100 Blockheizkraftwerke errichtet, die das Grubenmethan verbrennen und damit Strom erzeugen – 2020 laut dem Bundesland immerhin 168 Megawatt.

Weltweit ist allerdings noch jede Menge Arbeit zu tun: Der Kohlebergbau stößt laut dem kanadischen Global Energy Monitor jährlich 52,3 Millionen Tonnen Methan aus. Zum Vergleich: Bei der Ölproduktion sind es geschätzte 39 Millionen Tonnen und in der Gaswirtschaft 45 Millionen Tonnen. „Der Ausstoß ist vergleichbar mit den Klimawirkungen der CO2-Emissionen aller Kohlekraftwerke in China“, so der Bericht.

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Die weltweit mit großem Abstand größten Emittenten sind Kohleminen in China. In Europa nimmt der Bogdanka-Kohletagebau in Polen, nahe der Grenze zur Ukraine, die Spitzenposition ein. Wie klimaschädlich ein Tagebau oder eine untertägische Mine ist, hängt davon ab, wie viel Methan die Kohle jeweils absorbiert hat. Die gashaltigsten Minen können genauso viel Klimawirkung durch ihr Methan entfalten wie durch das Verbrennen der Kohle selbst entsteht. Anders als in Untergrundminen lässt sich das Methan in Tagebauen kaum auffangen und verwerten. Da hilft bisher nur, die Kohle im Boden zu lassen.

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