Tracking der Energiewende #6 Die Offshore-Flaute

Energiewende in Deutschland: Der Rückstand wächst. Quelle: imago images

Zusätzliche Windanlagen im Meer sollen einen bedeutenden Teil unseres Strombedarfs decken. Ob das auch gelingt, hängt an wenigen Großprojekten – deren Fertigstellung teilweise fraglich ist. 

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Die Hoffnung der deutschen Windkraft hört auf den Namen Kaskasi. So heißt der scharfe Wind aus Nordost, der Ostafrika in den Wintermonaten zumeist sehr trockenes Wetter beschert. Und bald auch ein Windpark, den der Energiekonzern RWE in den nächsten Monaten im Meer vor Helgoland errichtet. Im März sollen die Fundamente gelegt werden, Ende des Jahres könnte er dann ans Netz gehen. „Wenn alles gut geht“, so eine Sprecherin des Konzerns, „drücken Sie uns mal die Daumen.“

Zumindest einer dürfte das garantiert tun: Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne). In dessen Plan für den Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein bedeutender Beitrag durch Windkraftanlagen im Meer vorgesehen. Insgesamt sollen die bis 2030 deutlich mehr als 20 zusätzliche Gigawatt Strom liefern, in den nächsten drei Jahren soll jeweils ein halbes Gigawatt zugebaut werden. Das ist im Vergleich zu den Beiträgen von Wind an Land (drei Gigawatt in diesem Jahr) und Sonne (sieben Gigawatt) zwar nominell nicht besonders viel, aufgrund der deutlich besseren realen Ausbeute sind diese Projekte für eine stabile Versorgung aber besonders wichtig. Sie sind zudem besonders effizient, da die Leistung mit deutlich weniger Anlagen erzeugt wird. So haben die Offshore-Turbinen der neuesten Generation eine Leistung von elf Megawatt, bei den derzeit an Land verbauten Modellen sind es höchstens fünf Megawatt.

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Anders als bei Wind an Land und Sonnenenergie gibt es bei der Offshore-Erzeugung jedoch nicht eine Vielzahl an eher kleinen Projekten, sondern einzelne besonders große. Vor der Küste der Niederlande etwa entsteht derzeit ein Windpark mit einer Leistung von 1,5 Gigawatt, das entspricht dem gesamten in Deutschland geplanten Offshore-Ausbau der kommenden drei Jahre.

von Stefan Hajek, Florian Güßgen

Der RWE-Park Kaskasi ist dabei der einzige Windpark, für den eine Fertigstellung in diesem Jahr vorgesehen ist. Wie viel neue Offshore-Leistung 2022 also maximal hinzukommen kann, das lässt sich heute schon exakt sagen: 342 Megawatt, deutlich weniger also als die in der „Eröffnungsbilanz“ angegeben 500 Megawatt – und wahrscheinlich der Wert, auf den sich Habecks Ministerium im Zuge des angekündigten Sofortprogramms vor Ostern korrigieren wird. Auch im nächsten Jahr wird der Zubau überschaubar bleiben, in diesem Jahr ist ebenfalls nur ein neuer Park geplant, die Anlage Arcadis Ost von Parkwind und Vestas mit 257 Megawatt. Erst danach werden die Perspektiven besser, 2024 sollen mehrere Windparks mit einer Gesamtleistung von über einem Gigawatt ans Netz gehen. Diese Perspektiven sind jedoch deutlich unsicherer. So fehlt für den größten geplanten Park „Borkum Riffgrund 3“ noch ein Netzanschluss, die Fertigstellung der Leitung plant der Betreiber Tennet ebenfalls für 2024. Nur wenn das gelingt, wird der Strom auch tatsächlich eingespeist werden können.

Beim Ausbau von Windkraft an Land und Solarenergie kommt das Land derweil leidlich voran. Sechs neue Windkraftanlagen wurden in der vergangenen Woche angeschlossen, knapp 100 Megawatt Solarkraft.



Im Vergleich zu den Vorwochen ist das zwar deutlich mehr als Ende Januar, jedoch nach wie vor weniger, als nötig wäre, um das durchschnittliche Wochenziel zu erfüllen.

Bei der Sonnenkraft fehlt rund ein Drittel der Leistung, bei der Windkraft sogar ungefähr die Hälfte.





Dadurch wächst von Woche zu Woche der Rückstand zum Jahresziel. Vergleicht man die Beiträge der Bundesländer zum Ausbau, so fällt zunächst auf, dass Bayern das zweite Mal in Folge seine Spitzenposition beim Solarausbau verliert.

Nachdem in der Vorwoche in Baden-Württemberg am meisten neue Leistung entstand, liegt diesmal Nordrhein-Westfalen mit einem Ausbau von 27 Megawatt an der Spitze. Eine Zahl, die Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sicher nicht vorenthalten wird, wenn der in dieser Woche zum Antrittsbesuch erscheint. Schließlich ist in Nordrhein-Westfalen auch eines der sechs Windräder der Woche ans Netz gegangen.



Auffallend ist zudem, dass auch das Saarland nun sein erstes Windrad aus dem Baujahr 2022 ans Netz gebracht hat, während vier deutlich größere Flächenländer (Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Bayern) darauf noch warten. Bei der Offshore-Energie gilt damit weiterhin, was nur für Fußball-Torhüter ein Lob ist: Die Null steht.

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